LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4039 23.10.2018 Datum des Originals: 23.10.2018/Ausgegeben: 26.10.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1543 vom 25. September 2018 des Abgeordneten Jürgen Berghahn SPD Drucksache 17/3780 Glyphosat: Wann kommt endlich das NRW-weite Verbot des Bienenkillers? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nachdem die EU-Kommission im vergangenen Jahr die Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat für weitere fünf Jahre genehmigt hatte, wird nun in der Politik verstärkt versucht, es auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene zu verbieten. Erst kürzlich hat beispielsweise die tschechische Regierung angekündigt, den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft zu beschränken. Auch in vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens wird bereits ein Verbot des Mittels diskutiert; immer mehr Stadtverwaltungen versuchen das Herbizid von städtischen Flächen fernzuhalten. Mehr als 180 Kommunen in Deutschland arbeiten auf ihren Grünflächen bereits pestizidfrei. Ganz aktuell plant die Stadt Gelsenkirchen, ihren Pächtern auf privatrechtlicher Ebene die Nutzung des Mittels zu untersagen – wie auch schon einige ihrer Nachbarkommunen. In deutschen Baumärkten ist der meist verkaufte Unkrautvernichter der Welt ebenfalls nicht mehr erhältlich. Die Händler wollen damit den Wünschen der Verbraucher für mehr Umweltschutz entgegenkommen. Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittels steht nämlich schon lange im Verdacht, krebserregend zu sein. In den USA sieht sich die Bayer-Tochter Monsanto deswegen mit 8700 Klagen konfrontiert. Im August 2018 wurde Monsanto von einem US-Gericht zu einem Schadenersatz von 289 Millionen Dollar zugunsten eines krebskranken Mannes verurteilt, der angeblich wegen seiner langjährigen Glyphosat-Nutzung erkrankte. Das Urteil ist indes noch nicht rechtskräftig. Ein weiterer Verdacht legt nahe, dass Glyphosat das Artensterben zu beschleunigt. Diese Annahme bestätigt jetzt eine aktuelle Studie, die im renommierten Wissenschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht wurde. Die Arbeit zeigt, dass Glyphosat zumindest eine wichtige Ursache für das weltweite Bienensterben sein könnte. Offensichtlich schwächt nämlich das Mittel das Immunsystem von Bienen massiv, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4039 2 indem es die Bakterien in ihrer Darmflora tötet. Tatsächlich nahm die Zahl der in der Darmflora der Bienen gefundenen Bakterienarten signifikant ab, wenn man die Tiere Glyphosat aussetzte - einige Arten verschwanden fast komplett aus ihrer Darmflora. Bei Kontakt mit Krankheitserregern starben dann messbar mehr Bienen als ohne vorherigen Kontakt mit Glyphosat. (vgl. Studie „Glyphosate perturbs the gut microbiota of honey bees”, http://www.pnas.org/content/early/2018/09/18/1803880115) Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1543 mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Studie vor dem Hintergrund der derzeitigen Maßnahmen des Landes gegen das Insektensterben? Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um eine fachwissenschaftliche Studie aus dem Bereich der Mikrobiologie. Es wurde untersucht, welchen Einfluss eine Exposition von Glyphosat auf die Größe und Zusammensetzung der Darmflora der Honigbiene Apis mellifera hat und ob sich daraus ein Zusammenhang zu Verlusten von Honigbienenvölkern herstellen lässt. In dieser Studie konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass die Größe und Zusammensetzung der mikrobiellen Darmflora der Honigbiene während und nach der Besiedlung durch eine Verabreichung von Glyphosat beeinflusst werden kann. In zwei Versuchsgruppen (5 mg/L Glyphosat bzw. 10 mg/L Glyphosat, Kontrollgruppe mit Zuckerlösung) konnte an 15 Einzelbienen eine Reduktion der Gesamtzahl an Darmbakterien gegenüber der Kontrollgruppe festgestellt werden, wobei es lediglich bei der Gruppe mit niedriger Dosierung zu einer signifikanten Absenkung kam. Die individuelle Krankheitsabwehr der Honigbiene hängt stark von einer normalen Besiedlung des Darms ab. Die Autoren konnten zeigen, dass Glyphosat wahrscheinlich den natürlichen Schutz der Darmflora von Bienen gegen Krankheitserreger reduziert. Ein kausaler Zusammenhang zur Ebene eines gesamten Bienenvolkes und dem möglichen Zusammenbrechen eines Bienenvolkes lässt sich aus dieser Studie jedoch nicht direkt ableiten. Daneben bleibt offen, ob die im Versuch gewählten Glyphosat-Konzentrationen ein realistisches Expositions-Szenario wiedergeben und bei welchen Anwendungen eine solche Exposition typischerweise überhaupt erwartet werden kann. Häufige und großflächige Anwendungsgebiete von Glyphosat in Deutschland (z.B. Vorsaat-Anwendungen bei Mulchund Direktsaaten, Anwendungen auf Getreide- oder Rapsstoppeln, Sikkation) lassen eine solche Exposition nicht realistisch erscheinen. 2. Welche Möglichkeiten hat die Landesregierung den Einsatz von Glyphosat landesweit einzuschränken bzw. zu verbieten? Die Landesregierung hat keine rechtliche Möglichkeit, den Einsatz von Glyphosat landesweit einzuschränken bzw. zu verbieten. Sie hat lediglich die Möglichkeit, eine solche Einschränkung bzw. ein Verbot im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gemäß § 12 Absatz 2 des Pflanzenschutzgesetzes zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf befestigten Freilandflächen und sonstigen Freilandflächen, die weder landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden, vorzunehmen. Von dieser Möglichkeit macht sie seit Beginn des Jahres 2014 Gebrauch. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4039 3 3. Was unternimmt die Landesregierung zum Schutz der Insekten, Amphibien und Vögel vor den schädlichen Auswirkungen von Spritzmitteln wie Glyphosat? Wie zu Frage 2 dargestellt, hat das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner Befugnisse bereits reagiert und den Einsatz von Glyphosat außerhalb landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzter Flächen untersagt. Darüber hinaus bietet Nordrhein-Westfalen zahlreiche Fördermaßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen an, die dem Schutz der biologischen Vielfalt dienen. Die Förderangebote stoßen bei den landwirtschaftlichen Betrieben auf eine erfreulich gute Resonanz. So haben in diesem Jahr über 10.500 Betriebe eine Förderung für die Umsetzung einer oder mehrerer Agrarumweltmaßnahmen auf über 220.000 ha beantragt, davon allein 5.000 Betriebe im Rahmen des Vertragsnaturschutzes auf etwa 30.500 ha. Neben den Agrarumweltmaßnahmen beantragten rund 1.800 Betriebe eine Förderung für die ökologische Bewirtschaftung ihrer Flächen in einer Größenordnung von etwa 72.000 ha. Die Förderung trägt dazu bei, den Anteil von Flächen ohne Pflanzenschutzmitteleinsatz zu erhöhen. Die Landesregierung beabsichtigt, diesen Ansatz und damit die freiwilligen Leistungen der Landwirtschaft zur Zukunftssicherung der biologischen Vielfalt weiter zu stärken. Auf landeseigenen Flächen werden die Maßnahmen zur Unterstützung der biologischen Vielfalt weiter forciert. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass seit Januar 2018 der Pflanzenschutzmitteleinsatz auf allen ökologischen Vorrangflächen verboten ist. Daneben können sich Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel im Einzelfall aus naturschutzrechtlichen Schutzgebietsausweisungen (u.a. Naturschutzgebiete, Nationalparke und gesetzlich geschützte Biotope) in Verbindung mit § 4 der Pflanzenschutzanwendungsverordnung des Bundes ergeben. 4. Gemäß Presseberichten ist die Deutsche Bahn einer der größten Verbraucher von Glyphosat. Wie schützt die Landesregierung die Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen vor Spritzmitteln wie Glyphosat? Die Landesregierung hat keine Möglichkeit, auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Deutsche Bahn einzuwirken. Genehmigungen zur Anwendung von Glyphosat auf Strecken der Bundesbahn werden durch das Eisenbahnbundesamt erteilt. Zur Anwendung von Glyphosat durch die Deutsche Bahn wird auf das Protokoll des Verkehrsausschusses APr 17/288 vom 30.05.2018 verwiesen. 5. In welchen Kommunen NRWs gibt es bereits eine Beschränkung bzw. ein Verbot der Anwendung von Glyphosat? Über freiwillige Beschränkungen kommunaler Anwendungen von Glyphosat liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Die Möglichkeit eines Verbots von Glyphosat auf kommunaler Ebene ist rechtlich nicht vorgesehen.