LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4056 30.10.2018 Datum des Originals: 29.10.2018/Ausgegeben: 02.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1542 vom 28. September 2018 der Abgeordneten Angela Lück SPD Drucksache 17/3779 Killerkeime in Liegewagen – was tut die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ende Mai 2018 kam es zum „Killerkeim-Skandal“ in Düsseldorf. Durch die Medien wurde bekannt, dass in der Düsseldorfer Uniklinik 11 Patientinnen und Patienten durch multiresistente Keime verstorben waren. Eines der Einfallstore für multiresistente Keime ist laut Studien der Krankentransport. Aus gutem Grund werden im Rettungsgesetz NW den öffentlichen, caritativen und privaten Betreibern der Transporte personelle und medizinisch-technische Vorgaben gemacht, bevor die Erlaubnis zum Transport von Kranken durchgeführt werden kann. Inzwischen hat sich daneben ein grauer Markt mit sogenannten „Liegewagen“ entwickelt, die Krankentransporte durchführen, aber weder über die personellen, medizinisch-technischen Voraussetzungen noch über die erforderlichen Genehmigungen verfügen. In Entscheidungen des OLG Hamm vom 9.2.2010, ebenso OLG Köln (6 U 129/17) und des OLG Düsseldorf vom 17.5.2018 wird festgestellt, dass der Transport von Kranken, die für/nach dem Transport Hygienemaßnahmen erforderlich machen, in Liegewagen rechtswidrig ist, da weder die Voraussetzungen des § 17 Rettungsgesetz NW noch des § 49 Personenbeförderungsgesetz vorliegen. Dies sind Einzelentscheidungen, die einer landesweiten Umsetzung bedürfen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1542 mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4056 2 Vorbemerkung der Landesregierung Zum besseren Verständnis der folgenden Antworten und der zugrundeliegenden fachlichen Fragestellung erfolgt eine kurze Darstellung der Differenzierung von qualifiziertem Krankentransport auf Basis des Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (RettG NRW) und Krankenfahrten ohne medizinisch-fachliche Betreuung auf Basis des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nebst der rechtlichen Grundlagen. Gemäß § 60 Absatz 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Fahrten, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. In der gesamtsystematischen Zusammenschau trifft die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt die fachlich begründete Einschätzung, ob ein qualifizierter Krankentransport oder lediglich eine Krankenfahrt verordnet wird. Dies wird auf der Verordnung entsprechend angekreuzt. Krankenfahrten in Mietwagen auf Basis von § 49 PBefG sind in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Nummer 2 PBefG nur für solche Personen vorzusehen, die während der Fahrt keiner medizinisch fachlichen Betreuung oder nicht der besonderen Einrichtung eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches auf Grund ihres Zustandes auch nicht zu erwarten ist. Soweit entsprechende Kriterien zugrunde zu legen sind, sind diese Transporte mit dem qualifizierten Krankentransport (oder je nach medizinischer Notwendigkeit auch durch Rettungswagen o. ä.) auf Basis des RettG NRW durchzuführen. Der qualifizierte Krankentransport kann hierbei durch die Kreise oder kreisfreien Städte – als Träger des Rettungsdienstes – selbst durchgeführt werden, oder durch Dritte auf Basis eines öffentlichrechtlichen Vertrags (vgl. § 13 RettG NRW) oder durch Unternehmer auf Basis einer Genehmigung nach dem dritten Abschnitt des RettG NRW (§ 17 ff. RettG NRW). Somit haben alle Bereiche ihre gesetzlich legitimierte Daseinsberechtigung. Gerade mit Blick auf die angesprochene Thematik der Besiedelung oder Infektion mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) bzw. multiresistenten Erregern (MRE) sind weitere Grundlagen zu beachten, die wesentlich für das Verständnis der unterschiedlichen Betrachtungsebenen der aktuellen Rechtsprechung und der medizinischen Wissenschaft sind. § 23 Absatz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) sieht vor, dass beim Robert Koch-Institut (RKI) eine Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) eingerichtet wird. Die Kommission erstellt u. a. Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen (bspw. MRSA). Die Empfehlungen der Kommission werden unter Berücksichtigung aktueller infektionsepidemiologischer Auswertungen stetig weiterentwickelt und vom RKI veröffentlicht. Gemäß § 23 Absatz 3 Satz 2 IfSG wird die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der KRINKO und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim RKI beachtet worden sind. In den aktuellen Empfehlungen der KRINKO im Bundesgesundheitsblatt, Ausgabe 6/2014 Seite 722, Punkt 2.8 „Empfehlungen für den Rettungsdienst und Krankentransport“ wird ausgeführt, dass MRSA-Patientinnen und -Patienten außerhalb der dort genannten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4056 3 Einrichtungen, wie z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Alten- und Pflegeheimen, Dialysepraxen, Arztpraxen und sonstigen nichtstationären Einrichtungen, keinen Einschränkungen unterlägen; sie könnten die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen; dazu zähle auch der nichtqualifizierte Krankentransport. Eine MRSA-Besiedlung alleine stelle keinen Grund für die Nutzung des qualifizierten Krankentransports dar. Für das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf fehlte es im angesprochenen Urteil in den Empfehlungen hierbei an einer entsprechenden Begründung zur medizinischensachverständigen Einschätzung bezüglich der letzten Feststellung. Weitere Details – auch zum Verfahren der zuständigen Ressorts – werden in den Einzelfragen aufgegriffen. 1. Wie lange ist der Landesregierung bereits bekannt, dass Krankentransporte regelmäßig durch sogenannte Liegewagen, die weder über dafür qualifiziertes Personal noch entsprechende Vorkehrungen im Fahrzeug für die Sicherstellung hygienischer Standards und die Sicherheit der Patienten verfügen, durchgeführt wird? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Der Landesregierung liegen keine Falldaten dazu vor, dass Patientinnen und Patienten, welche auf Basis der notwendigen ärztlichen Einzelfallentscheidung für eine Beförderung und Betreuung durch den qualifizierten Krankentransport vorgesehen sind, stattdessen regelmäßig mit für Krankenfahrten vorgesehenen Mietwagen transportiert werden. 2. Was hat die Landesregierung unternommen, um der rechtswidrigen und menschengefährdenden Praxis der Liegewagenbetreiber ein Ende zu bereiten? 4. Wie unterstützt die Landesregierung die Betreiber des Rettungs- und Krankentransports, die Feuerwehren, die karitativen Verbände und die privaten Unternehmer bei ihrer Förderung nach der Sicherung eines ordnungsgemäß durchgeführten Krankentransports? 5. Wann ist mit Entscheidungen der Landesregierung zu rechnen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2, 4 und 5 zusammen beantwortet und es wird auf die Vorbemerkung sowie die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen: Das zuständige Fachressort hat mehrfach Fragen zur Abgrenzung von Transporten im Mietwagenbereich und qualifizierten Krankentransport aufgegriffen. Hierbei wurde herausgestellt, dass es sich bei einer ärztlichen Verordnung zur Entscheidung über einen Krankentransport oder eine Krankenfahrt im Sinne der Vorbemerkung um eine auf die jeweilige Patientin/den jeweiligen Patienten bezogene Einzelentscheidung handelt. Ebenso wurde auf die KRINKO-Empfehlungen verwiesen. Vor dem Hintergrund der aus den unterschiedlichen Betrachtungsebenen der aktuellen Rechtsprechung und der medizinischen Wissenschaft resultierenden differenten Einschätzungen muss gewährleistet werden, dass weiterhin allen beteiligten Akteuren rechtssicheres Handeln möglich ist. Hierzu verfolgt das zuständige Fachressort eine Parallelstrategie: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4056 4 1. In Kürze soll ein mit dem Ministerium für Verkehr abgestimmter Runderlass mit Verfahrenshinweisen insbesondere unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 17. Mai 2018 (Az.: I-15 U 19/18) herausgegeben werden. Derzeit läuft hierzu ein Anhörungsverfahren nach § 35 der Neufassung der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO). 2. Vor dem Hintergrund der vom OLG Düsseldorf aufgeworfenen inhaltlichen Fragen zum wissenschaftlichen Stand hat sich das zuständige Fachressort an die Geschäftsstelle der KRINKO am RKI gewandt und diese mit Blick auf deren bundesgesetzlichen Auftrag um eine fachliche Bewertung und Stellungnahme ersucht. 3. Wie will die Landesregierung die Überwachung von Hygienestandards bei den Transporten der Liegewagenbetreiber sicherstellen, wenn es für die Überwachung keine Rechtsgrundlage gibt? Die Aufsicht obliegt bei Transporten des qualifizierten Krankentransportes den Trägern des Rettungsdienstes; bei Transporten mit Mietwagen nach § 49 PBefG ist das Straßenverkehrsamt der Kreise und kreisfreien Städte zuständig.