LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4059 30.10.2018 Datum des Originals: 29.10.2018/Ausgegeben: 02.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1537 vom 27. September 2018 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky AfD Drucksache 17/3768 Täter-Opfer-Beziehungen bei Straftaten in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Bundeslagebild 2017, Kriminalität im Kontext von Zuwanderung, des BKA1 werden im Kapitel 3.1.4. (Opfer) auch die Täter-Opfer-Beziehungen untersucht.2 Bei der Untersuchung unterschiedlicher Fallkonstellationen ergeben sich erstaunliche Unterschiede: In der Fallkonstellation „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ gab es 39.096 deutsche Opfer, was einer Zunahme zum Vorjahr in Höhe von 23,7% entspricht. In der Fallkonstellation „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/ Flüchtling“ gab es 6.832 Opfer unter den Asylbewerbern/ Flüchtlingen, was einer Zunahme zum Vorjahr in Höhe von 57,9% entspricht. Zuwanderer sind gemäß dieser Statistik Personen mit dem Aufenthaltsstatus: „Asylbewerber“, „International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling“ oder 1https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Kriminali taetImKontextVonZuwanderung/KriminalitaetImKontextVonZuwanderung_2017.html;jsessionid=7B908 3DF972CD75EC624BFD44DF675EB.live0612?nn=62336 2https://www.welt.de/politik/deutschland/article181506934/BKA-Zahlen-Asylzuwanderer-bei- Toetungsdelikten-ueberrepraesentiert.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4059 2 „unerlaubter Aufenthalt“ Bei den Opfern ist die Bezeichnung „Asylbewerber/ Flüchtling“ nach Rücksprache mit dem Bundesinnenministerium abweichend von der Täterbezeichnung „Zuwanderer“, weil eine genaue Unterscheidung bei den Opfern noch nicht getroffen wird und die Definitionen in den 16 Bundesländern nicht identisch sind. Eine exakte Definition der Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ sei in Planung, aber noch nicht in Kraft. Es sei aber die identische Gruppe gemeint. Im Jahr 2017 gab es 62,482 Mio. Deutsche ohne- und 9,843 Mio. Deutsche mit Migrationshintergrund – zusammen also ca. 72,325 Mio. Menschen.3 Von 2015 bis Juli 2018 haben 1.555.201 Mio. Menschen einen Asylantrag gestellt4 verbunden mit einem unterschiedlichen Schutzstatus am Ende des Verfahrens. Viele Menschen befinden sich noch in laufenden Asylverfahren oder haben das Land wieder verlassen. Außerdem gibt es aus der Zeit bis 2014 noch Personen, die in die Kategorie Zuwanderer fallen. Da die Zahl täglichen Schwankungen ausgesetzt ist, lässt sich eine genaue Zahl nur schwer ermitteln. Das ist auch begründet durch unterschiedliche Zahlen - in der EASY-Berechnung und tatsächlich in Deutschland Asylsuchenden. Mit Stand vom 31.12.2017 hat das Statistische Bundesamt folgende Zahlen ermittelt5: Ausländer mit zeitlich befristetem Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen: 922.780 Personen Ausländer ohne Aufenthaltstitel: 889.325 Personen Der Mediendienst Integration6 geht mit Stichtag 31.12.2017 mit Verweis auf das Ausländerzentralregister (AZR) und die Bundesdrucksache 19/633 von 900.000 Menschen, die unter verschiedenen Voraussetzungen Schutz bekommen haben, 400.000 Menschen, die auf eine Entscheidung im Asylverfahren warten und 89.000 abgelehnten Asylbewerber, die als Geduldete in Deutschland leben, aus. Zusammen sind das 1,389 Mio. Menschen. Zur Vereinfachung gehen wir bei den folgenden Betrachtungen von 72 Mio. Deutschen und 1,5 Mio. „Zuwanderern“ aus. Daraus ergibt sich ein Verhältnis von ca. 1:48.7 Ausgehend von den oben erwähnten 6.832 Opfern in der Fallkonstellation „Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/ Flüchtling“ dürfte es bei einem Verhältnis von 1:48 demzufolge bei identischem Anteil also „nur“ 142 deutsche Opfer in der Fallkonstellation „Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch“ geben. Tatsächlich sind es aber 39.096 Opfer, was dem Faktor 275 entspricht. Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen fielen 112 Deutsche einer Straftat zum Opfer, an der mindestens ein Zuwanderer beteiligt war. 13 Personen wurden dabei getötet. Auf der anderen Seite wurden 38 Asylbewerber/ Flüchtlinge Opfer dieser Straftaten mit 3https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150613/umfrage/anzahl-der-deutschen-mit-und-ohnemigrationshintergrund / 4https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/asylantraege-insgesamt-in-deutschlandseit -1995/ 5https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Ausla endischeBevolkerung/Tabellen/AufenthaltsrechtlicherStatus.html 6https://mediendienst-integration.de/migration/flucht-asyl/zahl-der-fluechtlinge.html 7Bei eine Kalkulation mit 2 Mio. ergäbe sich ein Verhältnis von 1:36 (abhängig von der Definition der Opfer und der genauen Anzahl der Personen, die in unterschiedlichen Quellen voneinander abweicht und permanent variiert). Bei einer Zahl unter 1,5 Mio. würde sich das Verhältnis entsprechend erhöhen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4059 3 Beteiligung mindestens eines Deutschen. Dabei wurde kein Opfer getötet. Berücksichtigt man das Verhältnis von 1:48 ergibt sich hier der Faktor 141. Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung fielen 2.706 Deutsche einer Straftat zum Opfer, an der mindestens ein Zuwanderer beteiligt war (+ 127% im Vergleich zum Vorjahr). Auf der anderen Seite wurden 74 Asylbewerber/ Flüchtlinge Opfer dieser Straftaten mit Beteiligung mindestens eines Deutschen. Berücksichtigt man das Verhältnis von 1:48 ergibt sich hier der Faktor 1610. Berücksichtigt werden muss bei der Studie des BKA auch die Tatsache, dass nur aufgeklärte Straftaten durch Flüchtlinge erfasst werden. Kann der Täter nicht ermittelt werden, bleibt die Straftat in der Studie unberücksichtigt. Von Interesse wären in diesem Zusammenhang dementsprechend Dunkelfeldstudien um das wahre Ausmaß adäquat abzubilden. Aus einem Bericht der FAZ geht hervor, dass nicht unbedingt alle Länder die Daten rechtzeitig übermitteln. Für das Berichtsjahr 2015 hatten danach nur 13 Bundesländer, die nach dem „Königsteiner Schlüssel“ für die Aufnahme von 75 Prozent aller Asylsuchenden zuständig sind, die Daten rechtzeitig übermittelt. Auch die Daten aus NRW fehlten.8 Von Interesse wäre die Einzelauswertung des Lagebildes im Kontext von Zuwanderung für Nordrhein-Westfalen. Ein entsprechendes Lagebild des LKA mit dieser genauen Analyse der Täter-Opfer-Beziehung liegt leider nicht vor. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1537 mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1. Welche Definition für die Gruppe der Zuwanderer bzw. Asylbewerber/ Flüchtlinge ist bei der statistischen Erhebung in Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang bei Opfern bzw. Tätern üblich? (bei Sammelbegriffen wie „Flüchtling“ bitte genau benennen, welche Gruppen gemeint sind) 2. Wie viele Straftaten gab es 2017 in Nordrhein-Westfalen, gemäß der hiesigen Definition, jeweils in den oben angeführten Fallkonstellationen? („Zuwanderer tatverdächtig und Opfer deutsch“ bzw. „Deutscher tatverdächtig und Opfer Asylbewerber/ Flüchtling“- allgemein, im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Als Datenbasis für die Beantwortung dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. In der PKS werden Tatverdächtige differenziert nach den Aufenthaltsanlässen „Asylbewerber“, „International/national Schutzberechtigte und Asylberechtigte“, „Duldung“, „Kontingentflüchtling“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ erfasst. Analog dazu werden Opfer, wenn sie einem dieser Aufenthaltsanlässe angehören in der PKS für Nordrhein-Westfalen mit der Opferspezifik „Asylbewerber/Flüchtling“ erfasst. Die nachfolgende Grafik stellt die Fallzahlen des Jahres 2017 dar. 8vergl. Stefan Schubert, Die Destabilisierung Deutschland, S.148 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4059 4 Ergänzend sind die entsprechenden Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität hinzugefügt, da diese, anders als die Darstellung in der PKS, Rückschlüsse auf die Motivation des Tatverdächtigen zulassen. Die dargestellten Opferzahlen beziehen sich auf alle bekannt gewordenen Straftaten, unabhängig davon, ob die Tat aufgeklärt werden konnte. Bei den Fallkonstellationen im Bereich der Täter-Opfer-Beziehungen auf die die Kleine Anfrage Bezug nimmt, können dagegen lediglich solche Fälle berücksichtigt werden, bei denen ein Tatverdächtiger ermittelt wurde (=aufgeklärte Fälle). Im spezifischen Bundeslagebild ist an mehreren Stellen beschrieben, dass es Einschränkungen bzgl. der Vergleichbarkeit der Täter- und Opferzahlen gibt und somit weder eine Gegenüberstellung von den in der Kleinen Anfrage beschriebenen Fallkonstellationen noch die Errechnung eines Verhältnisses zwischen der Personengruppe der Zuwanderer und der deutschen Bevölkerung wissenschaftlich statistisch zulässig ist. Als personenbezogene Quotienten zur Darstellung von Kriminalität und Kriminalitätsgefährdung werden in der PKS ausschließlich die Opfergefährdungszahl und die Tatverdächtigenbelastungszahl verwendet. 3. Welches zahlenmäßige Verhältnis ergibt sich in Nordrhein-Westfalen aktuell zwischen Zuwanderern bzw. Asylbewerbern/ Flüchtlingen (gemäß der in Frage 1 angefragten Definition) und deutschen Staatsbürgern? Zum Stichtag 31.12.2017 waren in Nordrhein-Westfalen 2.571.189 Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (Quelle: Ausländerzentralregister) und 15.613.576 deutsche Staatsbürger aufhältig (Quelle: Landesdatenbank NRW – Bevölkerungsfortschreibung Basis Zensus 2011). 4. Wie bewertet die Landesregierung, sollten sich diese Zahlen auch für Nordrhein- Westfalen bestätigen, dieses eklatante Missverhältnis unter Berücksichtigung der enormen Anstrengungen im Bereich der Integration? Die Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen dient dem friedlichen Miteinander von Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte. Straftaten, ganz gleich, wer sie begeht, stehen dazu im Widerspruch. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Integration durch mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit bei Maßnahmen und Programmen weiter zu stärken. In den vergangenen Monaten ist die Integrationsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen ausgebaut und finanziell abgesichert worden. Der Haushaltsentwurf 2019 spiegelt die gewachsene Bedeutung von Integration wieder. Um die Integrationspolitik in Nordrhein- Fälle Versuche politisch motiviert Fälle Versuche politisch motiviert Straftaten insgesamt 486 19 6540 562 110000 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung oder Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses §§ 174, 174a, 174b, 174c, 177, 178, 184i, 184j StGB 7 1 0 528 50 0 892500 Mord und Totschlag 1 1 0 10 8 0 Deutscher TV - Opfer Asylbewerber/Flüchtling Zuwanderer TV - Opfer deutsch Schl.- Zahl Straftat Anzahl Fälle für das Jahr 2017 unter Beteiligung von mindestens einem Zuwanderer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4059 5 Westfalen zielgerichtet an zukünftige Bedarfe auszurichten, erarbeitet die Landesregierung aktuell gemeinsam mit dem Beirat für Teilhabe und Integration eine Integrationsstrategie 2030. 5. Unabhängig vom geschilderten Missverhältnis ist die Anzahl schwerer Straftaten durch Zuwanderer nicht hinnehmbar. Was unternimmt die Landesregierung um diese Zuwanderer, nach Verbüßung der Haftstrafe, außer Landes zu bringen? Die Rückführung von ausländischen Straftätern und Gefährdern hat für die Landesregierung hohe Priorität. Bei ausländischen Straftätern in Haft sind die zuständigen Ausländerbehörden angehalten, im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten noch während der Strafhaft die Voraussetzungen für eine Abschiebung zu prüfen bzw. zu schaffen. Sie werden dabei durch die vom Land finanzierten Zentralen Ausländerbehörden, die Zentrale Rückkehrkoordination Nordrhein-Westfalen der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld sowie durch die bei den Bezirksregierungen eingerichteten Regionalen Rückkehrkoordinierungsstellen unterstützt. Ziel ist es, den Aufenthalt ausreisepflichtiger schwerer Straftäter spätestens mit Entlassung aus der Strafhaft zu beenden.