LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4066 30.10.2018 Datum des Originals: 30.10.2018/Ausgegeben: 05.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1560 vom 5. Oktober 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/3832 Sind die Reste des Hambacher Forstes überhaupt bergbautechnisch zu retten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Aachener Nachrichten berichten am 25.08.2018 im Artikel „Bergbau-Experten: Hambacher Forst ist nicht zu retten“, dass ein Erhalt der Restflächen des Hambacher Forsts, den bestimmte politische Kräfte gerne zum Symbol des Widerstandes gegen die Braunkohleverstromung stilisieren wollen, bergbautechnisch nicht möglich ist. Die Bergbauabteilung der Bezirksregierung Arnsberg wird in dem Bericht zitiert: „Selbst wenn die Politik beschließen würde, noch heute aus der Braunkohle auszusteigen, müssten die Tagebaue um einige Hundert Meter in alle Richtungen vergrößert werden, um die Böschungen so abzuflachen, dass sie in den kommenden Jahrhunderten stabil bleiben". Und auch ein emeritierter Bergbau-Professor der RWTH Aachen wird zitiert, dass ein abruptes Ende der Tagebaue nach derzeitiger Gesetzeslage „keine Bergbehörde wird genehmigen können". Die abrupte Reduzierung der Braunkohleförderung in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung von rund 300 Millionen Tonnen im Jahr auf etwa 70 Millionen Tonnen im Jahr 2000 habe gezeigt, was alles passieren kann, wenn Betriebe nicht planmäßig zu Ende geführt werden: „Und die Beseitigung der Schäden muss der Steuerzahler mit Milliarden Euro bezahlen. Die Vorbereitungen zur Stilllegung eines Braunkohletagebaus würde „allermindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen". Während dieser Zeit müsse der Tagebau weitergeführt werden, „um verheerende Umweltschäden zu verhindern", die zum Beispiel durch abgebrochenes Wassermanagement entstehen können — nur einer von vielen Aspekten. Erst wenn die Abschlussbetriebspläne genehmigt seien, könne man mit dem Ausstieg beginnen." In der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» am 20.09.2018 erklärte der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, dass ein kurzfristiger Verzicht auf die Rodung des Waldes vier bis fünf Milliarden Euro kosten würde. RWE wies ferner danach darauf hin, dass man nicht nur die entgangene Braunkohle beziffern müsse, sondern den hohen Aufwand, um große Abraummengen herbeizuschaffen und die Abbruchkante des Braunkohletagebaus zu stabilisieren, sowie Personal- und Sozialkosten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4066 2 Der emeritierte Bergbau-Professor der RWTH Aachen widersprach in dem AZ-Bericht der Annahme des Bundes für Natur und Umweltschutz (BUND), dass Tagebaubetreiber RWE auch ohne Fortschritt des Abraumbetriebes genügend Kohle habe, um die Kraftwerke auf Jahre befeuern zu können. „Eine solche Bevorratung wäre nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch wegen der zwangsweise größeren Betriebsfläche wohl nicht genehmigungsfähig." Dass RWE vergangenes Jahr auf Rodungen im Hambacher Forst verzichtet hat, verschärfe das Problem. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1560 mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Sind im Tagebau Hambach entsprechend der Annahmen des BUND genügend Kohlevorräte gewinnbar, um den Kraftwerksbetrieb aufrecht zu erhalten, ohne den Abraumbetrieb weiter voranzutreiben? Eine Abraumgewinnung ist zwingend erforderlich, um die Kohle freizulegen und gewinnen zu können. Wird die Abraumgewinnung eingestellt, hat dies zwangsläufig die alsbaldige Verminderung und Einstellung der Kohlegewinnung zur Folge. 2. Kann eine Kohlegewinnung fortgesetzt werden, wenn man den Tagebau um die Reste des Hambacher Forstes herumführt? Genehmigungsrechtlich ist eine Kohlegewinnung in den Grenzen der zugelassenen Rahmenbetriebspläne zulässig. Der Gewinnungsbetrieb bedarf zudem eines zugelassenen Hauptbetriebsplans, der auch den Nachweis eines betriebssicheren Böschungssystems zur Abraumentfernung für die Freilegung des Kohlenflözes umfasst. An den Grenzen des Tagebaus wird ein Böschungssystem angelegt, das aus betriebstechnologischen und standsicherheitlichen Gründen mit einer bestimmten Neigung und mit einem bestimmten Aufbau angelegt werden muss. Wollte man den Tagebau um den Hambacher Forst herumführen, wäre das Böschungssystem sowohl an der Umrandung des Waldes als auch an der genehmigten Abbaugrenze anzulegen. Der Abstand zwischen der Umrandung des Waldes und der genehmigten Abbaugrenze reicht jedoch nicht aus, um mit einer offenen Grube unter Berücksichtigung des allseitig anzulegenden Böschungssystems die notwendige Tiefe zur Freilegung und Gewinnung der in mehreren Hundert Metern unter der Tagesoberfläche liegenden Braunkohle zu erreichen. Daher kann eine Kohlegewinnung nicht fortgesetzt werden, wenn man den Tagebau innerhalb der genehmigten Abbaugrenzen um die Reste des Hambacher Forstes herumführt. 3. Wie wären die heutigen Arbeitsböschungen bei einem Tagebaustopp bergtechnisch umzugestalten, wenn hieraus langfristig standsichere Böschungen bzw. Grundlagen für einen Tagebausee gestaltet werden sollten? Die derzeitig für den Tagebaubetrieb angelegten Betriebsböschungen (Arbeitsböschungen) wären für die Anlegung eines Restsees vollständig umzugestalten und für die erforderliche Dauerstandsicherheit abzuflachen. Zur Herstellung und Gestaltung der Seeböschungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4066 3 müssten in großem Umfang Abraummassen gewonnen und Massenbewegungen vorgenommen werden. 4. Wer trägt die notwendigen Aufwendungen für einen theoretischen Tagebaustopp in welcher Höhe (entgangene Erlöse durch nicht geförderte Braunkohle, zusätzliche Aufwendungen für Abraumbewegungen für standsichere Böschungen, sich ergebende Personal- und Sozialkosten, geänderte Rekultivierungsmaßnahmen etc.)? Damit verbundene Aufwendungen hat grundsätzlich das bergbautreibende Unternehmen zu tragen. Sofern durch gesetzliche Regelungen zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung und zu dazu notwendigen Begleitmaßnahmen staatliche Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen erfolgen würden - hier etwa in den durch Artikel 14 des Grundgesetzes garantierten Schutz des Eigentums -, wären Ausgleichsverpflichtungen zu prüfen, in die gegebenenfalls auch in der Frage angesprochene Aufwendungen einzubeziehen wären. 5. Welche Voraussetzungen sind nach Einschätzung der Bergbehörde für einen Abschlussbetriebsplan bei einem vorzeitigen Tagebaustopp zu erfüllen? Ein Abschlussbetriebsplan wäre gemäß § 53 Bundesberggesetz erst für die Einstellung des Betriebs aufzustellen. Der Abschlussbetriebsplan muss eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und der Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung, den Nachweis, dass die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nummern 3 bis 13 und Absatz 2 Bundesberggesetz bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, und Angaben über eine Beseitigung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen oder über deren anderweitige Verwendung enthalten. In dem Plan sind insbesondere die Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche konkret darzulegen. Eine Zulassung des Abschlussbetriebsplans darf erst dann erteilt werden, wenn die in § 55 Absatz 2 Satz 1 Nummern 1 und 2 Bundesberggesetz geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. Zusätzliche Voraussetzung ist gem. § 48 Absatz 2 Satz 1 Bundesberggesetz, dass den geplanten Maßnahmen keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. In diesem Zusammenhang sind auch die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung (hier z.B. Braunkohlenpläne) in die Entscheidung über eine Zulassung einzubeziehen. Die genannten Zulassungsvoraussetzungen gelten unabhängig davon, ob es sich um eine vorzeitige Betriebseinstellung handelt.