LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4127 06.11.2018 Datum des Originals: 06.11.2018/Ausgegeben: 09.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1564 vom 9. Oktober 2018 der Abgeordneten Frank Börner und Christina Weng SPD Drucksache 17/3875 Hilfe für Mondscheinkinder Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Xeroderma Pigmentosum (XP, umgangssprachlich Mondscheinkinder) heißt eine schwere, seltene Erkrankung, bei der den Patientinnen und Patienten ein Enzym in den Hautzellen fehlt. Dieses Protein repariert bei gesunden Menschen die Schäden in den Zellen, die das tägliche UV-Licht und dessen Strahlung verursacht. Die Krankheit tritt regional unterschiedlich stark auf, in Japan, Ägypten und Teilen Nordafrikas häufiger als in Europa und den USA*. In Deutschland gibt es ca. 80 XP- Fälle. Genaue Zahlen existieren nicht, da es keine Erfassungsstellen gibt. Die meisten Erkrankten sind Kinder. Die Krankheit beruht auf einem Gendefekt, für den es bisher keine Heilungsmöglichkeiten gibt. Die betroffenen Personen können sich aber mithilfe von speziellen Sonnenschutzcremes und UV-resistenter Kleidung teilweise schützen. Tageslicht und UV-Strahlung müssen unbedingt gemieden werden, da sie die Lebenserwartung deutlich reduzieren. Ungeschützt erleiden die Betroffenen schwere entstellende Hautschäden. Das Hautkrebsrisiko ist deutlich erhöht. Unbehandelt wird maximal das erste Lebensjahrzehnt erreicht. In Deutschland hat sich nur eine Krankenkasse (Barmer GEK) bereiterklärt, zumindest die Grundausstattung (spezielle Sonnenschutzcremes, teure Spezialkleidung etc.) zu zahlen. Andere Krankenkassen lehnen eine Übernahme konsequent ab, da sie der Meinung sind, dass die benötigte Sonnencreme ein Kosmetikum und kein Medikament sei. Hier werden die betroffenen Kinder und Familien im Stich gelassen. *Quelle: www.xerodermapigmentosum.de Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1564 mit Schreiben vom 6. November 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4127 2 1. Wie viele Fälle von Xeroderma Pigmentosum werden von wie vielen Ärzten bzw. Kompetenzzentren in NRW betreut? Ein Register über an Xeroderma Pigmentosum (XP) erkrankte Kinder wird in Nordrhein- Westfalen nicht geführt. Das Zentrum für Seltene Erkrankungen an der Uniklinik RWTH Aachen geht von nicht mehr als 50 Betroffenen in Deutschland und in Nordrhein- Westfalen von 10 -12 Fällen aus. Die Anzahl an Einrichtungen, die derartige Patienten in Nordrhein-Westfalen betreuen, wird nach dortiger Einschätzung auf max. drei beziffert. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die meisten Krankenkassen die lebensnotwendigen Medikamente und Hilfen den betroffenen Menschen verwehren und diese auf den erheblichen Kosten sitzenbleiben? Nach Kenntnisstand der Landesregierung gibt es eine medikamentöse Therapiemöglichkeit der XP bisher nicht. Die Patientinnen und Patienten müssen konsequent von jeglicher UV- Strahlung abgeschirmt werden, zum Beispiel durch die Anwendung von Sonnenschutzcremes und Sonnenschutzkleidung sowie der Verwendung von Sonnenschutzfolien, um die Entstehung bösartiger Hauttumore zu vermeiden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat mit Schreiben vom 5. September 2009 gegenüber dem GKV-Spitzenverband die Auf-fassung vertreten, dass betroffene Versicherte im Rahmen der Hilfsmittelversorgung grundsätzlich einen Anspruch auf geeignete Sonnenschutzfolien sowie spezielle Schutzkleidung haben, soweit es sich nicht um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt. Sonnenschutzcremes sind nach Auffassung des BMG weder Hilfsmittel noch Arzneimittel, sondern Kosmetika und damit als Gegenstände des täglichen Bedarfs anzusehen. Ein grundsätzlicher Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen besteht daher nicht. Dabei hätten die Krankenkassen jedoch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (sog. „Nikolaus-Urteil“) zu beachten und im Einzelfall bei Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen zu prüfen, ob in Ermangelung von Behandlungsalternativen unter bestimmten Bedingungen auch eine in der Regelversorgung nicht enthaltene Leistung zu erbringen ist, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche Prüfung sei daher auch bei Anträgen von Menschen mit XP geboten, die auf eine regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln angewiesen seien. Mit Rundschreiben vom 8. Juli 2009 hat der GKV-Spitzenverband seinen Krankenkassen empfohlen, bei der Genehmigungspraxis bezüglich der Versorgung von „Mondscheinkindern“ die Ausführungen des BMG sowie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 zu berücksichtigen. Die Grundsätze der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts wurden zwischenzeitlich durch die Einführung des § 2 Abs. 1 a Sozialgesetzbuch V auch ausdrücklich in das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Eine aktuelle Abfrage bei der der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen unterliegenden AOK Rheinland/Hamburg und AOK NordWest hat ergeben, dass die Kassen bei der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4127 3 Versorgung von Patientinnen und Patienten mit XP insbesondere mit Hilfsmitteln (z.B. Schutzkleidung/Folien) und speziellem Sonnenschutz entsprechend der Ausführungen des BMG und der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands verfahren. Eine Kostenübernahme für die Versorgung mit Sonnenschutz und Spezialkleidung wird jeweils individuell im Einzelfall unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a SGB V geprüft. Anhaltspunkte für eine generelle Ablehnung der Kostenübernahme ergaben sich bei diesen Kassen nicht. 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die betroffenen Menschen bzw. die Selbsthilfegruppen finanziell zu unterstützen? Bei Vorliegen von Bedürftigkeit kommen für betroffene Personen im Einzelfall entsprechende Leistungen nach den SGB II oder SGB XII in Betracht. Soweit die finanzielle Unterstützung von Selbsthilfegruppen angesprochen wird, vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass Selbsthilfegruppen wichtige Aufgaben erfüllen und damit ein unverzichtbarer Teil des Gesundheits- und Sozialsystems unseres Landes sind. In Nordrhein-Westfalen existiert ein Netz von 40 Selbsthilfe-kontaktstellen, die den Selbsthilfegruppen bei strukturellen, organisatorischen und fördertechnischen Fragen Unterstützung bieten. Ferner vermitteln sie Kontakte zu bestehenden Selbsthilfe-gruppen und sind bei Gruppengründungen behilflich. Die Dachverbände der Selbsthilfe und örtlich arbeitende Kontakt-stellen der Selbsthilfegruppen erhalten Förderungen durch das Land. Weitere Fördermittel im Bereich der Selbsthilfe erhalten die „KOSKON – Koordination für Selbsthilfe in NRW“ und die „Landes-arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe NRW e.V.“. Die KOSKON leistet seit 1990 die wichtige Koordination für die Selbsthilfe- Unterstützung in Nordrhein-Westfalen. Sie ist Ansprechpartnerin und Serviceeinrichtung für alle Selbsthilfekontaktstellen in Nordrhein- Westfalen. Selbsthilfegruppen können Förderungen seitens der Krankenkassen auf der Grundlage von § 20 h SGB V erhalten; Informationen sind erhältlich über www.gkv-selbsthilfefoerderungnrw .de. 4. Inwieweit unterstützt die Landesregierung Schulen oder Unternehmen, die z. B. durch bauliche Maßnahmen eine Teilhabe dieser Menschen am gesellschaftlichen Leben ermöglichen? Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen bzgl. der Krankheit Xeroderma Pigmentosum, die in Deutschland zu den sehr seltenen Erkrankungen gehört, entsprechende bauliche Maßnahmen oder andere Unterstützungsangebote an Schulen nachgefragt wurden. Etwaige bauliche Maßnahmen würden als Schulträgerangelegenheit gem. der §§ 79, 92 Abs. 3, 94 Abs. 1 Schulgesetz Nordrhein-Westfalen nicht in die Finanzierungsverantwortung des Landes fallen. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die Forschung zu diesem seltenen Gendefekt vor? Der Landesregierung sind im Rahmen ihrer Forschungsförderung keine Projekte zur Erforschung von Xeroderma Pigmentosum bekannt.