LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4230 14.11.2018 Datum des Originals: 13.11.2018/Ausgegeben: 19.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1578 vom 12. Oktober 2018 der Abgeordneten Alexander Langguth, Frank Neppe und Markus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/3897 Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Menschenhandel und Ausbeutung betreffen fast ausschließlich weibliche Opfer und überwiegend männliche Tatverdächtige. Der Anteil minderjähriger Opfer betrug 2017 rund zehn Prozent. Etwa zwei Drittel der Opfer und die Hälfte der Tatverdächtigen kamen 2017 aus Bulgarien, Rumänien und Nigeria. Bei den Anteilen nigerianischer Opfer sowie Tatverdächtiger kam es in den vergangenen Jahren zu einem starken Anstieg. So veränderte sich der Anteilswert nigerianischer Opfer von 3,3 % (2015) auf 20,6 % (2017) und der Anteilswert nigerianischer Tatverdächtiger von 2,7 % (2015) auf 14,6 % (2017).1 Die Anzahl der Opfer hat sich bei jährlichen Steigerungen seit 2013 von 71 auf 131 Opfer in 2017 entwickelt. Der Anstieg der Verfahren ist mit 65 (2013) auf 89 (2017) im gleichen Zeitraum geringer ausgefallen, wobei zu beachten ist, dass zwischen 2016 und 2017 eine Anpassung des Lagebildes „Menschenhandel“ infolge des Inkrafttretens des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU vorgenommen wurde. In die Bezirke der Polizeipräsidien Köln, Dortmund und Düsseldorf fielen über 40 Prozent der bekannt gewordenen Fälle der vergangenen beiden Jahre. Ein seit 2013 anhaltender Trend steigender Opfer- und Verfahrenszahlen kann zwar ein Indiz für ein verändertes Anzeigeverhalten sein, jedoch spricht es nicht für einen Rückgang des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung in NRW. Gemäß des Lagebildes des LKA NRWs werden die Verfahrenszahlen im Wesentlichen durch behördliche Kontrollen und das Anzeigeverhalten von Opfern oder Dritten bestimmt.2 Trotz Bekanntheit dieses Zusammenhangs, welcher auch in früheren Lagebildern zum Thema 1 LKA NRW – Menschenhandel und Ausbeutung – Lagebild NRW 2017 und LKA NRW – Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung– Lagebild NRW 2015 2 LKA NRW – Menschenhandel und Ausbeutung – Lagebild NRW 2017 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4230 2 Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung aufgeführt wurde, ist die Anzahl der Kontrollen im Berichtszeitraum seit 2014 sukzessive gesunken, wodurch im Jahr 2017 32,5 % weniger Kontrollen als 2014 stattfanden.3 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1578 mit Schreiben vom 13. November 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung in Folge des Anstiegs nigerianischer Opfer und Tatverdächtiger zur Umkehr dieser Entwicklung? Für die Landesregierung hat die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung - unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Opfer und Täter - hohe Priorität. Maßnahmen der Landesregierung beschränken sich daher grundsätzlich nicht auf nigerianische Staatsangehörige. Über die aktuelle Entwicklung in diesem Kriminalitätsbereich lässt die Landesregierung sich schon seit über 15 Jahren jährlich durch das Lagebild des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen unterrichten. Zur frühzeitigen Verdachtschöpfung nutzen die Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen den seitens des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen entwickelten Leitfaden „Verdachtschöpfung und Sachbearbeitung bei Fällen des Menschenhandels im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung“. Dieser enthält Grundsätze und Handlungsempfehlungen für die polizeiliche Ermittlungsführung und Sachbearbeitung, den polizeilichen Opferschutz und zur Zusammenarbeit aller relevanten Behörden und Organisationen, insbesondere mit den nichtstaatlichen spezialisierten Fachberatungsstellen. Die polizeilichen Ermittlungen werden durch spezifisch fortgebildete Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte geführt. Soweit spezifische Maßnahmen des Zeugenschutzes erforderlich sind, wirken besonders damit betraute und fortgebildete Beamtinnen und Beamte insbesondere auf eine vertrauensvolle Kooperation der Opferzeugin mit den polizeilich und staatsanwaltschaftlich ermittlungsführenden Stellen sowie den spezialisierten Fachberatungsstellen hin. Verfahren wegen des Vorwurfs des Menschenhandels (§ 232 Strafgesetzbuch (StGB)) und der Zwangsprostitution (§ 232a StGB) werden bei den Staatsanwaltschaften in Nordrhein- Westfalen regelmäßig in Sonderabteilungen bearbeitet. Diese Sonderabteilungen sind ausschließlich mit berufserfahrenen Dezernentinnen und Dezernenten besetzt, die im Umgang mit den vielfältigen, auch verdeckten Ermittlungsmöglichkeiten einschließlich der Maßnahmen zur nachhaltigen Vermögensabschöpfung bei den Beschuldigten, vertraut sind. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein- Westfalen ist federführend für den Bereich Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung von Mädchen und Frauen und fachlich insbesondere für die diesbezügliche Hilfeinfrastruktur für Opfer von Menschenhandel in Nordrhein-Westfalen zuständig. Es fördert acht spezialisierte Beratungsstellen, die von Menschenhandel betroffenen Mädchen und Frauen spezifische Hilfen anbieten. Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre sollen diese spezialisierten Beratungsstellen zukünftig bessere Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen erhalten. Dafür ist geplant, die Sachkostenpauschale, den Landesanteil der Mittel zur geschützten Unterbringung sowie die Fachkraftstellen einzelner Fachberatungsstellen für 3 2014: 1.117 Kontrollen, 2015: 888 Kontrollen, 2016: 867 Kontrollen, 2017: 754 Kontrollen. LKA NRW Lagebilder NRW von 2014 bis 2016 „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung aufgeführt“ bzw. 2017 „Menschenhandel und Ausbeutung“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4230 3 Opfer von Menschenhandel ab 2019 zu erhöhen. Die geplanten Maßnahmen kommen auch nigerianischen Opfern von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu Gute. Die Entscheidung zur Erhöhung der Fördermittel steht unter dem Vorbehalt des Landtagsbeschlusses über den Landeshaushalt 2019. Eine genaue Aufschlüsselung der geplanten Maßnahmen ist dem Bericht der Landesregierung für den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen zum Thema „Stärkung der Frauenhilfeinfrastruktur", LT-Drucksache 17/1187, zu entnehmen. Im Hinblick auf nigerianische Menschenhandelsopfer in Nordrhein-Westfalen hat am 4. Juli 2018 ein vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen geförderter Fachtag in Düsseldorf stattgefunden. Die Schwerpunkte umfassten die Opferunterstützung und Strafverfolgung. Ziel des Fachtags war es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Institutionen, die mit den Betroffenen in Kontakt kommen (u. a. Strafverfolgungsbehörden, Beratungsstellen, psychosoziale Zentren, Flüchtlingsunterkünfte) zu informieren, zu sensibilisieren und eine Vernetzung zu ermöglichen. Die zum Fachtag gehörende Dokumentation kann auf der Internetseite der „frauenberatungsstelle düsseldorf e. V.“ abgerufen werden. Das Ministerium leitet darüber hinaus den jährlich tagenden Runden Tisch „Internationaler Menschenhandel mit ausländischen Frauen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen". Er dient der gemeinsamen Kommunikation der obengenannten landesgeförderten Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel, den involvierten Ressorts der Landesverwaltung sowie weiteren Behörden über die aktuellen Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Handlungsfelder. Die derzeitige Umsetzung der Stärkung der Hilfeinfrastruktur für Opfer von Menschenhandel resultiert u. a. aus den Ergebnissen des vergangenen Runden Tisches Ende 2017. Der nächste Runde Tisch ist für Anfang 2019 angesetzt. Über die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Menschenhandel, geleitet vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, steht Nordrhein-Westfalen über die sich auf Bundesebene ergebenden Veränderungen im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und anderen Ausbeutungsformen im Austausch. Das Land Nordrhein-Westfalen nimmt als Vertretung für die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder an der Arbeitsgemeinschaft teil. Darüber hinaus wird auf die weiteren Ausführungen zum Entwurf des Haushaltsplanes 2019 im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen verwiesen. 2. Weshalb wurde die Anzahl der Kontrollen durch Kreispolizei- und Ordnungsbehörden in den vergangenen Jahren nach und nach reduziert, wenn sie „im Wesentlichen“ die Verfahrenszahlen bestimmen? Die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen entscheiden im Rahmen ihrer jeweiligen Sicherheitskonzepte über Kontrolltätigkeiten in eigener Zuständigkeit und auf Grundlage eigener Auswertungen und Beurteilungen der Einsatz- und Kriminalitätslage. Die Gründe, die ggf. zu einer Reduzierung geführt haben, liegen an zentraler Stelle nicht vor. Eine Abfrage aller 47 Kreispolizeibehörden war mit vertretbarem Verwaltungsaufwand und in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Durch das Bundeskriminalamt und Europol werden regelmäßig bundes- bzw. europaweite Kontrolltage mit Schwerpunktsetzungen initiiert, wozu auch die Bekämpfung des Menschenhandels durch nigerianische Staatsangehörige gehört. Der letzte europaweite LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4230 4 Kontrolltag mit der Schwerpunktsetzung „Nigeria“ fand im September 2018 unter Beteiligung der Kreispolizeibehörden Wesel, Köln und Krefeld statt. Das zum 01. Juli 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) ermöglicht den Kommunen, Betreiber von Prostitutionsstätten und deren Betriebskonzepte zu kontrollieren sowie Auflagen zu erlassen. Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden. Die Zuständigkeit für die Verfolgung von Straftaten liegt bei der Polizei. 3. Wie viele Kontrollen fanden zwischen 2014 und 2017 in den Kreispolizeibezirken PP Dortmund, PP Düsseldorf und PP Köln statt? Bitte jährliche Werte angeben. 2014 2015 2016 2017 PP Dortmund 180 248 270 157 PP Düsseldorf 28 5 5 5 PP Köln 106 97 95 98 4. Wie viele Kontrollen durch Kreispolizei- und Ordnungsbehörden sind für das Jahr 2018 in NRW geplant? Bitte auch die Anzahl der hiervon bereits durchgeführten Kontrollen angeben. Die Kreispolizeibehörden melden dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen die Anzahl der durchgeführten Kontrollen zum 28. Februar für das jeweils vorausgegangene Jahr. Die Daten für das Jahr 2018 liegen dem Landeskriminalamt insoweit noch nicht vor. Eine Abfrage aller 47 Kreispolizeibehörden war mit vertretbarem Verwaltungsaufwand und in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung für 2019 zur Reduktion des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung in NRW? Die Landesregierung wird die zu Frage 1 dargestellten Maßnahmen konsequent weiter umsetzen.