LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4309 21.11.2018 Datum des Originals: 21.11.2018/Ausgegeben: 26.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1638 vom 23. Oktober 2018 der Abgeordneten Josefine Paul und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4036 Ausreichendes Angebot? Ambulante und stationäre Angebote zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Frauen, die sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entscheiden, befinden sich häufig zum Zeitpunkt des Abbruchs in einer Extremsituation. Die Entscheidung zu einem Abbruch der Schwangerschaft ist keine leichte Entscheidung und kann mit großen psychischen und physischen Belastungen für die betroffenen Frauen verbunden sein. Entsprechend wichtig, ist ein gutes Netz an Beratungsstellen. In den anerkannten Beratungsstellen erhalten Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituationen die vom Gesetzgeber vorgeschriebene ergebnisoffene Pflichtberatung. In ihr können alle mit der Schwangerschaft in Berührung stehenden psychosozialen Fragestellungen behandelt werden. Im Anschluss an die entsprechende Beratung erhalten die Frauen auch den für einen Schwangerschaftsabbruch notwendigen Beratungsschein. Entscheidet sich eine Frau schließlich nach eingehender Information und Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch, sind wohnortnahe Angebote von besonderer Bedeutung. Doch zunehmend wird es für die betroffene Frauen schwieriger, Ärztinnen oder Ärzte zu finden, die Abbrüche vornehmen. Laut statistischem Bundesamt gibt es in ganz Deutschland derzeit rund 1.200 Praxen und Kliniken in denen Abtreibungen vorgenommen werden. Im Vergleich zum Jahr 2003 (rund 2.000 Stellen) ist ein Rückgang von 40% zu verzeichnen. Einiger der Praxen und Kliniken nehmen zudem nur Schwangerschaftsabbrüche nach medizinischer Indikation vor. Nach § 13 (2) des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) stellen die Länder „ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher“. Nähere Ausführungen dazu, was als ausreichendes Angebot anzusehen ist, machen weder das SchKG, noch das Landesausführungsgesetz (AG SchKG). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4309 2 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 1638 mit Schreiben vom 21. November 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung: Nach dem Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (AG SchKG) sind die Beratungsstellen den Regierungsbezirken als „Versorgungsgebiet“ zugeordnet, um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Demnach ist es ausreichend, wenn Beratungsstellen mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb eines Tages zu erreichen sind. Anders als bei der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend wohnortnahen Beratungsstellen gibt § 13 Abs. 2 SchKG im Hinblick auf ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen keinen Versorgungsschlüssel vor. 1. Wie viele Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken führen in NRW Schwangerschaftsabbrüche auch ohne medizinische Indikation durch (bitte nach Kommunen aufschlüsseln)? In jedem der fünf Regierungsbezirke in Nordrhein-Westfalen gibt es ein ausreichendes Angebot an Ärztinnen und Ärzten sowie an Krankenhäusern, die Abbrüche vornehmen. Zur Einordnung wird darauf hingewiesen, dass in manchen Großstädten von Nordrhein- Westfalen mehr als 20 Praxen und Krankenhäuser Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. 2. In welchen Regionen gibt es Anfahrtswege von mehr als einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum nächsten Angebot für nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche? Es ist davon auszugehen, dass betroffene Frauen in einigen ländlichen Regionen Einrichtungen in den nächstgelegenen größeren Städten aufsuchen müssen, um einen Abbruch vornehmen zu lassen. Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere Frauen aus dem ländlichen Raum zum Schutz ihrer Anonymität gezielt Einrichtungen aufsuchen, die außerhalb oder in einer gewissen Entfernung zu ihrem Wohnort liegen. 3. Welche Anfahrtswege sieht die Landesregierung für ein ausreichendes Angebot für nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüchen als zumutbar an? Zur Beantwortung der Frage wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Demnach liegt ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nach Beratungsregelung vor, wenn eine entsprechende Einrichtung mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb eines Tages zu erreichen ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4309 3 4. In welcher Weise sind Schwangerschaftsabbrüche Teil der medizinischen Ausbildung (bitte auch nach Standorten aufschlüsseln)? Im Rahmen der fachärztlichen Weiterbildung sind Schwangerschaftsabbrüche Bestandteil der Facharztkompetenz Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Explizit wird dies in den Weiterbildungsordnungen durch den Passus "Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Beratung bei Schwangerschaftskonflikten sowie der Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen einschließlich psychischen Risiken" festgelegt. Hiervon umfasst sind sowohl rechtliche wie auch medizinische Kenntnisse. Eine sachgerechte Beratung kann nur stattfinden, wenn auch das Wissen um die praktische Durchführung von Abbrüchen vorhanden ist, also insbesondere um den medikamentösen Abbruch in der Frühschwangerschaft sowie den instrumentellen Abbruch in der Spätschwangerschaft. Die praktische Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen kann hingegen nicht Bestandteil der Weiterbildungsordnungen sein, da die Berufsordnungen in § 14 "Erhaltung des ungeborenen Lebens und Schwangerschaftsabbruch" ausdrücklich besagen: "Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich verpflichtet, das ungeborene Leben zu erhalten. Sie können nicht gezwungen werden, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen oder ihn zu unterlassen." Die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zu Ausbildungszwecken wird daher nicht explizit im Rahmen einer Facharztweiterbildung gefordert. Die sachgerechte Durchführung von medikamentösen oder instrumentellen Abbrüchen wird aber von den Ärztinnen und Ärzten, die zu einer Durchführung unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbestimmungen bereit sind, durchaus während ihrer Weiterbildungszeit erlernt. Überdies kommen bei einem Schwangerschaftsabbruch Techniken und Behandlungsmethoden zum Einsatz, die bei der Behandlung anderer Krankheitsbilder erlernt werden können und müssen. 5. Plant die Landesregierung im Zuge der Evaluation des AG SchKG die medizinischen Voraussetzungen für Schwangerschaftsabbrüche in den Blick zu nehmen? Nein, das AG SchKG ist keine gesetzliche Grundlage zur Regelung der medizinischen Voraussetzungen für Schwangerschaftsabbrüche.