LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4333 26.11.2018 Datum des Originals: 23.11.2018/Ausgegeben: 29.11.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1646 vom 24. Oktober 2018 des Abgeordneten Hartmut Ganzke SPD Drucksache 17/4046 Umsetzung des §47d Abs. 2 BImSchG auf den Ballungsraum Unna Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der Lärmaktionsplanung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz und EG-Richtlinie 2002/49/EG sollen Bürger vor den Folgen von Umgebungslärm geschützt werden. Im Einzugsbereich des Dortmunder Flughafens leben auf Unnaer Stadtgebiet zahlreiche Menschen, die von dem Lärm startender und landender Flugzeuge betroffen sind. Die Kreisstadt Unna führt die Lärmaktionsplanung bisher für die von Fluglärm Betroffenen nicht durch, da sie „keine Ballungsraumgemeinde“ ist. Für die Stadt Dortmund besteht offenbar keine Handlungspflicht, da der Flughafen Dortmund kein Großflughafen ist. Gleichwohl führt die Stadt Dortmund die Lärmaktionsplanung für die eigenen Einwohner in den von Fluglärm betroffenen östlichen Stadtteilen durch. Anders als beim Lärm durch Schienen- und Straßenverkehr setzt das Fluglärmgesetz nicht an der Lärmquelle an und sagt nichts darüber aus, wie viel Lärm einer Region zugemutet werden kann, bzw. wie das Verhältnis von passivem und aktivem Schallschutz ist. Das Gesetz liefert keine echten Immissionsschutzgrenzwerte, die den Flughafenbetreiber zwingen, aktiven Lärmschutz zu betreiben, z.B. durch Nachtflugbeschränkungen oder Betriebsbeschränkungen . Die EU-Kommission hat unter der Nummer 2016/2116 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, da bei der Umsetzung der EG-Richtlinie 2002/49/EG beträchtliche Mängel aufgetreten sind. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1646 mit Schreiben vom 23. November 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4333 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die EU-Umgebungslärmrichtlinie hat zum Ziel, ein gemeinsames Konzept festzulegen, um schädliche Auswirkungen, einschließlich Belästigung, durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu vermindern. Maßnahmen hierfür sind u.a. die Lärmkartierung, die Information der Öffentlichkeit, die Lärmaktionsplanung und der Schutz ruhiger Gebiete. Die EU-Umgebungslärmrichlinie wurde mit den §§ 47 a-f des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in deutsches Recht umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen sind für die Umsetzung der o.g. Vorschriften des BImSchG (Lärmkartierung, Lärmaktionsplanung) die Städte und Gemeinden zuständig. Diese werden bei der Berechnung der Lärmkarten durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) unterstützt. Im Rahmen der Umgebungslärmrichtlinie sind Großflughäfen ab einer Größe von über 50.000 Starts und Landungen pro Jahr zu kartieren. Hierzu zählen die Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn. Zudem sind sonstige Flugplätze innerhalb von Ballungsräumen (˃ 100.000 Einwohner) zu kartieren, soweit sie erheblichen Umgebungslärm hervorrufen. Die auf der Kartierung beruhenden Lärmaktionspläne enthalten Maßnahmen, die kurz- oder mittelfristig oder auch über einen langen Zeitraum umgesetzt werden. Diese Maßnahmen sind nach den spezialgesetzlichen Rechtsgrundlagen umzusetzen. 1. Sind der Landesregierung die widersprüchlichen Rechtspositionen der beteiligten Städte Unna, Dortmund sowie des Landesamtes für Umwelt bekannt, die sich allesamt für unzuständig erklären? Der Anwendungsbereich der Umgebungslärmrichtlinie unterscheidet die Ballungsräume von den „Nicht“-Ballungsräumen. Bei Dortmund handelt es sich um einen Ballungsraum, der neben den Hauptlärmquellen auch die sonstigen lärmrelevanten Quellen wie z.B. den Flughafen Dortmund im Stadtgebiet zu betrachten hat. Die Stadt Unna ist gemäß § 47b Ziff. 2 BImSchG kein Ballungsraum und damit nicht zu einer Kartierung des Flughafens und diesbezüglicher Lärmaktionsplanung verpflichtet. Das LANUV unterstützt die Städte und Gemeinden bei ihren Aufgaben und ist weder zur Kartierung noch zur Lärmaktionsplanung verpflichtet. Widersprüchliche Rechtspositionen werden somit nicht gesehen. Vielmehr ergeben sich die dargestellten Zuständigkeiten aus den §§ 47 c und d BImSchG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV. 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der § 47a (Anwendungsbereich) der o.g. Norm eine Verbindlichkeit des Gesetzes für alle von Umgebungslärm betroffenen Menschen im Bundesgebiet darstellt und sich somit ein Rechtsanspruch der von Fluglärm betroffenen Bürger auch in Unna auf Lärmminderungsmaßnahmen und regelmäßige Lärmaktionsplanungen ergibt? Die Norm des § 47d BImSchG ist insoweit verbindlich, als die zuständigen Behörden verpflichtet sind, für die in der Norm genannten Gebiete Lärmaktionspläne aufzustellen, auch dann, wenn ein Rechtsanspruch eines Drittbetroffenen von den Gerichten verneint werden sollte. Andere Behörden sind an die Inhalte der Lärmaktionspläne grundsätzlich gebunden. Es ist jedoch umstritten, inwieweit Drittbetroffene einen Rechtsanspruch auf Aufstellung eines Lärmaktionsplans haben und diesen einklagen können. Diese Frage wurde von der Rechtsprechung bislang noch nicht abschließend geklärt. Anders als bei der Luftreinhalteplanung geht es bei der Lärmaktionsplanung nicht um die Einhaltung gesetzlich festgelegter, gesundheitsschützender Grenzwerte, sondern um die Erarbeitung eines LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4333 3 gesamtstädtischen Lärmminderungskonzeptes, das auf eine Verbesserung der gesamten Umweltqualität gerichtet ist. 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die bisherige Genehmigungspraxis für den Ausbau und die Betriebszeitenerweiterung des Flughafens Dortmund aufgrund der fehlenden Bewertung der Auswirkung von Flug-Umgebungslärm nach EG-Umgebungslärmrichtlinie und Bundes-Immissionsschutzgesetz auf das Gebiet der Kreisstadt Unna rechtlich unzureichend war und ist? Gemäß § 2 Nr. 1 LuftfahrtZustVO NRW i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG ist die Bezirksregierung Münster für die Genehmigung des Betriebes am Flughafen Dortmund zuständig. Grundlage für die Abwägung und Entscheidung über den Antrag auf Erweiterung der Betriebszeiten waren umfangreiche Gutachten, die insbesondere auf den gesetzlichen Vorgaben des Fluglärmgesetzes (FluglärmG) aufgebaut waren. Lärmaktionspläne sind gemäß § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 BImSchG im Rahmen fachplanerischer Abwägungen zu berücksichtigen, soweit sie vorliegen. Zudem sind im Rahmen der Lärmaktionsplanung gemäß § 14 FluglärmG die jeweils anwendbaren Werte aus § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. 4. Unter §47d Abs. 2 BImSchG sind „sämtliche Ballungsräume“ subsumiert. Was konkret unternimmt die Landesregierung, für die Durchführung einer Lärmaktionsplanung des vom Fluglärm (durch den Flughafen Dortmund) betroffenen Ballungsraum Unna gem. § 47d – Abs.2 Bundes- Immissionsschutzgesetz? Ballungsräume sind unter § 47b Ziff. 2 BImSchG definiert. Unna ist in diesem Sinne kein Ballungsraum. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Obwohl es in der näheren Umgebung zu Dortmund bereits Flughäfen ohne bestehende Nachtrestriktionen gegeben hätte, wurde seitens der Landesregierung die Ausweitung der Betriebszeiten des Flughafens Dortmund beschlossen. Gibt es seitens der Landesregierung Pläne bzw. Maßnahmen (falls ja welche), die zu einer gerechteren Lastenverteilung der Lärmbelästigung durch den Flugverkehr führen? Eine Verteilung der Lasten durch den Flugverkehr mithilfe einer Steuerung der Flugbewegungen durch die Landesregierung ist nicht möglich. Für dirigistische Vorgaben zur Verkehrslenkung fehlt es nicht nur an einer Rechtsgrundlage, vielmehr stünde ein entsprechendes Vorgehen im Widerspruch zu den EU-rechtlichen Vorgaben betreffend die Liberalisierung des Luftverkehrsmarktes. Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften sind hiernach selbständig am Markt operierende Wirtschaftssubjekte. Den Luftverkehrsgesellschaften steht daher die Auswahl der von ihnen angesteuerten Destinationen frei.