LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4436 04.12.2018 Datum des Originals: 04.12.2018/Ausgegeben: 07.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1650 vom 29. Oktober 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/4069 Sind Bahngleisbesetzungen ab jetzt in Nordrhein-Westfalen legal? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der „Ende Gelände“-Proteste wurden am Sonntagnachmittag (28.10.2018) rund 150 Menschen durch die Polizei von den Schienen der Hambachbahn weggetragen. Zuvor hatten seit Samstag (27.10.2018) rund 2.000 Aktivisten die Bahnstrecke für mehr als 24 Stunden blockiert. Die Polizei Aachen hatte den Aktivisten zuvor angeboten, auf eine Strafanzeige zu verzichten, wenn sie die Gleise freiwillig räumten und meldete hierzu: „Nach rechtlicher Würdigung der Gesamtumstände durch die Staatsanwaltschaft Aachen stellte das Besetzen der Gleise keine Straftat dar. Unlängst meldete der Versammlungsleiter die Personengruppe als Spontanversammlung an. Die Polizei Aachen bestätigte die Versammlung.“ Später meldete die Polizei Aachen: „Während sich die Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer wie vereinbart friedlich von den Gleisen bewegte und auf den Demoweg begab, verblieben ca. 150 Teilnehmer an den Gleisen und versuchten, sich fest zu ketten. Das Anketten an die Gleise stellt eine Straftat dar. Mehrfachen Aufforderungen der Polizei, dies zu unterlassen und sich vom Gleis zu bewegen, kamen die Personen nicht nach. Die Polizei schritt ein und konnte das Anketten und somit die Begehung der Straftat in den meisten Fällen mittels einfacher körperlicher Gewalt verhindern. Einzeln ist es zu Ankettungen an das Gleis gekommen, die die Polizei löste. Personen, die sich weiterhin weigerten, die Gleise zu verlassen, wurden weggetragen. Vereinzelt hatten Medienvertreter die polizeilichen Maßnahmen gestört.“ Später dann meldete die Polizei Aachen: „Die Polizei verfügt nicht über Schienenfahrzeuge. Für den Transport der nach der Gleisbesetzung in Gewahrsam genommenen Personen nahm sie daher Schienenbusse der RWE in Anspruch. Sowohl für Einsatzkräfte als auch für Versammlungsteilnehmer ist die Nutzung dieser Schienenfahrzeuge die schnellste und sicherste Transportweise. Um bei Bedarf entgeltlich auf Spezialfahrzeuge, die die Polizei zur Einsatzbewältigung benötigt, zurückgreifen zu können, werden in solchen Fällen Nutzungsverträge mit der RWE vereinbart. Die in Gewahrsam genommenen Gleisbesetzer, die sich ausgewiesen haben, wurden vor Ort wieder entlassen. Personen, die sich weiterhin LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4436 2 nicht ausweisen, werden zu Gewahrsamsstellen gebracht, um die Identität festzustellen. Gegen 17 Uhr haben sich zwei Personen im weiteren Verlauf der Gleise an selbige gekettet. Dem Lokführer eines mit über 40 Personen besetzten Schienenbusses gelang es nur mit einer unmittelbaren Notbremsung, einen Zusammenstoß mit den beiden dunkel gekleideten Personen zu vermeiden. Der Schienenbus blieb glücklicherweise etwa 10 Meter vor den Personen stehen. Der Lokführer steht unter Schock und wird derzeit betreut.“ Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1650 mit Schreiben vom 04. Dezember 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung 1. Seit wann findet der § 315 des Strafgesetzbuches zu gefährlichen Eingriffen in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr in Nordrhein-Westfalen keine Anwendung mehr? In Anwendung des geltenden Rechts, wozu auch § 315 des Strafgesetzbuches zählt, entscheidet die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft über das Vorliegen eines Anfangsverdachts und ggf. vorzunehmende Ermittlungen im Einzelfall inhaltlich unabhängig. 2. Von wie vielen der etwa 150 Teilnehmer, die sich an die Gleise gekettet haben, wurden zur weiteren Strafverfolgung Personalien festgestellt? Das Polizeipräsidium (PP) Aachen hat mir hierzu berichtet, dass sich zwei Personen der in Rede stehenden Personengruppe im Gleisbett mit Lock-On-Vorrichtungen angekettet hatten. Die Personen sind nach Durchführung von Maßnahmen zur Identitätsfeststellung dem Amtsgericht Düren vorgeführt worden. Gegen beide weiterhin unbekannte Personen sind Haftbefehle erlassen worden, die durch das zuständige Gericht unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden sind. 3. Sind ab jetzt grundsätzlich Bahngleise, Start- und Landebahnen oder Wasserwege mit der damit verbunden jeweiligen Betriebseinstellung künftig als in Nordrhein- Westfalen geeignete Veranstaltungsstätten von Spontandemonstrationen in Nordrhein-Westfalen anzusehen? Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz gewährleistet nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern zugleich ein Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten wie Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. Gleichwohl verschafft die Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Mögliche Beschränkungen insbesondere hinsichtlich des Versammlungsortes ergeben sich für die jeweils konkret zu beurteilende Versammlung unter den Voraussetzungen der Regelungen des Versammlungsgesetzes (insbesondere § 15 Versammlungsgesetz) sowie aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4436 3 4. Können die von Betriebseinschränkungen betroffenen Unternehmen künftig ihre Verluste gegenüber den Genehmigungsbehörden von Spontan-Demonstrationen geltend machen? Eine Geltendmachung von Verlusten der von Betriebseinschränkungen betroffenen Unternehmen gegenüber Versammlungsbehörden ist nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich. 5. Welche Medienvertreter haben in welcher Weise die polizeilichen Maßnahmen mit welcher Konsequenz gestört? Nach Berichterstattung des PP Aachen haben sich einzelne Medienvertreter Einsatzkräften bei der Dokumentation des polizeilichen Einsatzes derart angenähert, dass deren Bewegungsfreiheit gestört worden ist. Die Medienvertreter sind daraufhin aufgefordert worden, einen größeren Abstand einzuhalten. Darüber hinaus hat ein einzelner Journalist verbal auf die Gleisbesetzer eingewirkt, sodass dieser aufgefordert werden musste, dies zu unterlassen. Dieser Aufforderung ist der Medienvertreter nachgekommen und hat sich sodann entfernt. Die Medienvertreter sind dem PP Aachen persönlich überwiegend nicht bekannt gewesen. Für eine Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten der Medienvertreter haben keine rechtlichen Voraussetzungen vorgelegen.