LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4538 11.12.2018 Datum des Originals: 11.12.2018/Ausgegeben: 14.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1669 vom 8. November 2018 des Abgeordneten René Schneider SPD Drucksache 17/4146 Was, wenn weiterführende Schulen solidarischer sind als die schwarz-gelbe Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zuge ihrer Neuausrichtung der Inklusion in Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung die Bildung so genannter „Schwerpunktschulen“ beschlossen. Diese, so der Erlass, sollten mit der „schriftlichen Zustimmung“ des jeweiligen Schulträgers benannt werden. In der Folge heißt dies, dass nunmehr nicht mehr alle weiterführenden Schulen in NRW mit der Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler betraut werden sollen, sondern lediglich ausgewählte Schulen in Frage kommen, die – wiederum laut Erlass – „die personellen und sachlichen Voraussetzungen“ erfüllen. Das vorgegebene Ziel der Landesregierung ist es, vor allem Gymnasien von der Verantwortung zu entbinden, Kinder inklusiv zu beschulen. Gegen diese neue Form der Ungleichbehandlung hat sich in der Stadt Kamp-Lintfort eine Initiative aller drei ansässigen weiterführenden Schulen gegründet. Sekundarschule, Gesamtschule und Gymnasium haben in einem Brief an die Schulministerin darum gebeten, weiterhin gleichberechtigt die Aufgaben der Inklusion wahrnehmen zu dürfen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die räumlichen Voraussetzungen für alle inklusiv zu beschulenden Kinder konzentriert auf nur zwei Schulstandorte nicht gegeben sind. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1669 mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die im Erläuterungstext der Kleinen Anfrage aufgeführten Darstellungen entsprechen nicht den Tatsachen. Wie z.B. dem Runderlass „Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen“ zu entnehmen ist, trifft die Behauptung nicht zu, es sei Ziel der Landesregierung, vor allem Gymnasien von der Verantwortung zu entbinden, Kinder inklusiv zu beschulen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4538 2 1. Liegt die schriftliche Zustimmung der Stadt Kamp-Lintfort vor, lediglich die dortige Sekundarschule und Gesamtschule als so genannte „Schwerpunktschulen“ zu benennen? Mit dem in der Vorbemerkung genannten Erlass wird die Schulaufsicht aufgefordert, an Schulen der Sekundarstufe I Gemeinsames Lernen einzurichten und dabei die Kriterien zur Neuausrichtung der Inklusion zu beachten; der Begriff „Schwerpunktschule“ findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung. Die schriftliche Zustimmung der Stadt Kamp-Lintfort zur Einrichtung des Gemeinsamen Lernens an den genannten Schulen liegt noch nicht vor. Das Verfahren zur Beteiligung der Schulträger wird in der Bezirksregierung Düsseldorf aber in Kürze eröffnet. 2. Auf welcher Basis kommt die zuständige Schulaufsichtsbehörde zu dem Ergebnis, dass die personellen und sachlichen Voraussetzungen für die in Kamp- Lintfort vorgesehene Schwerpunktsetzung an den beiden Standorten gegeben sind? Die Vorgaben zur Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen werden durch den Erlass „Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen“ vom 15.10.2018 geregelt. Die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens setzt demnach voraus, dass nach den Feststellungen der Schulaufsichtsbehörde die personellen und sächlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind oder mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können (§ 20 Absatz 5 SchulG). 3. Wie steht die Landesregierung zu dem Ansinnen der drei Kamp-Lintforter Schulen, weiterhin gemeinsam die inklusive Beschulung zu übernehmen? Die Landesregierung begrüßt und unterstützt selbstverständlich und ausdrücklich das umfangreiche Engagement all unserer Schulen für eine bessere Förderung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf. Die Landesregierung will die Inklusion an den Schulen bestmöglich und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen gestalten. Dabei steht die Qualität der individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler im Zentrum der Anstrengungen. Aus diesem Grund ist es einerseits erforderlich, die Schulen mit zusätzlichem Personal zu unterstützen, andererseits aber auch die zur Verfügung stehenden Personalressourcen gezielter einzusetzen, d.h. zu bündeln. Diese strukturierte Neuausrichtung der Inklusion ist auch eine Reaktion auf die vielfältige Kritik an der Ausgestaltung der Inklusion unter der Vorgängerregierung, bei der an einer Vielzahl von allgemeinbildenden Schulen ohne die notwendige Unterstützung gearbeitet werden musste und die Qualität der individuellen Förderung nicht den gewünschten Ansprüchen genügen konnte. Welche Schulen mit dem Schuljahr 2019/20 gemäß der Vorgaben der Neuausrichtung langfristig das Angebot des Gemeinsamen Lernens erhalten werden, entscheidet die Schulaufsicht. Die Schulaufsichtsbehörde richtet Gemeinsames Lernen gemäß § 20 Abs. 5 SchulG mit Zustimmung des Schulträgers an einer allgemeinen Schule ein, es sei denn, die Schule ist dafür personell und sächlich nicht ausgestattet und kann auch nicht mit vertretbarem Aufwand dafür ausgestattet werden. Vorher erörtert sie die beabsichtigte Maßnahme mit dem Schulträger mit dem Ziel des Einvernehmens. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4538 3 Die Anzahl der vor Ort entstehenden Schulen des Gemeinsamen Lernens ist regional unterschiedlich und hängt von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung sowie von der Schulwahl der Eltern ab. 4. Darf die Schulaufsichtsbehörde auf Grundlage der aktuellen Gesetzes- und Erlasslage überhaupt dem Ansinnen der drei Schulen zustimmen? Die Schulaufsicht setzt den Erlass „Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen“ insbesondere in dem Punkt 2.4. um. Dort heißt es: „Weitere Schulen im Gebiet des Schulträgers können nur dann Schulen des Gemeinsamen Lernens der Sekundarstufe I werden, wenn an den bereits eingerichteten Schulen des Gemeinsamen Lernens im Durchschnitt mehr als drei Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung pro Eingangsklasse aufgenommen werden müssten.“