LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4631 18.12.2018 Datum des Originals: 18.12.2018/Ausgegeben: 21.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1667 vom 7. November 2018 der Abgeordneten Alexander Langguth und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/4144 Ende Gelände: Wölfe im Schafspelz? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auch nach der Verfügung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass RWE nicht mit Rodungsarbeiten im übrig gebliebenen Hambacher Forst beginnen darf, bis über eine Klage des Umweltverbands BUND entschieden ist, setzen die Gegner der Kohleverstromung auf ein eskalierendes, teils rechtswidriges Verhalten. So kam es unter anderem Mitte Oktober zu einer Besetzung von Häusern in Manheim, Ende Oktober zu einer Besetzung der Fahrtstrecke der Braunkohlebahn sowie eines Baggers im Tagebau Hambach und Anfang November erneut zu einer Besetzung eines Baggers im Tagebau Hambach.1 Einer der Hauptakteure unter den Kohlegegnern ist das Anti-Braunkohle-Bündnis Ende Gelände. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz kommt in seinem Bericht für das Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass es sich bei Ende Gelände „um ein europaweites Sammelbündnis zivildemokratischer und linksextremistischer Organisationen, Bündnisse und Netzwerke“ handle.2 Ihre Aktionen bezeichnet Ende Gelände als „zivilen Ungehorsam“. Für die Pressesprecherin von Ende Gelände bedeutet dies, „dass wir bewusst Hausfriedensbruch begehen und auf das RWE-Gelände gehen“.3 Auf ihrem Internetauftritt stellt Ende Gelände eine Rechtshilfebroschüre für Aktionen in NRW zur Verfügung. Diese gibt dem Leser unter anderem Tipps und Informationen zur 1 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/raeumung-besetzte-haeuser-alt-manheim-100.html aufgerufen am 02.11.2018 https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/hambacher-forst-ende-gelaende-aktivistenbraunkohle -bagger aufgerufen am 02.11.2018 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/braunkohle-aktivisten-besetzen-bagger-100.html aufgerufen am 02.11.2018 2 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2017 S. 107 – Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 3 https://www.zeit.de/kultur/2018-10/hambacher-forst-proteste-gleisblockade-kathrin-henneberger aufgerufen am 05.11.2018 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4631 2 Verweigerung der Personalienfeststellung durch die Polizei. Dieses Verhalten habe den Vorteil, sich mit Menschen mit offenen Haftbefehlen zu solidarisieren und verursache bei der Polizei einen erheblichen Mehraufwand.4 Ein Bündnis, welches Straftaten plant und durchführt sowie Tipps zur bewussten Behinderung der polizeilichen Arbeit gibt, verlässt den zivildemokratischen Raum und bewegt sich im Linksextremismus. Der Kölner Stadtanzeiger kommt zu dem Schluss, dass die Fäden im Hambacher Forst von Linksextremisten gezogen werden.5 Dies wundert nicht, denn der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz stellt bei Ende Gelände eine „intensive aktionsorientierte Einflussnahme und Mitwirkung der linksextremistischen Interventionistischen Linken“ fest.6 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1667 mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Zu wie vielen Rechtsverstößen durch Aktivisten im und um den Hambacher Forst sowie zur Behinderung der Arbeiten von RWE kam es seit Bekanntwerden des Rodungstopps, welcher bis zur Entscheidung über die Klage des BUND vom Oberverwaltungsgericht Münster verfügt wurde? Bitte die Anzahl der Rechtsverstöße nach den Tatbeständen aufgegliedert angeben. Im Zeitraum vom 5. Oktober 2018 bis einschließlich 20. November 2018 wurden mit Auswertungsstand vom 26. November 2018 folgende Rechtsverstöße registriert: Tatbestand Anzahl Bedrohung 2 Beleidigung 6 Diebstahlsdelikte 10 Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr 36 Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr 2 Hausfriedensbruch 53 Körperverletzungsdelikte 4 Landfriedensbruch 1 4 https://www.ende-gelaende.org/wp-content/uploads/2018/10/Rechtshilfebroschüre-10.2018-DE.pdf aufgerufen am 05.11.2018 5 https://www.ksta.de/region/die-hintermaenner-der-gewalt-linksextremisten-ziehen-die-faeden-imhambacher -forst-31500084 aufgerufen am 05.11.2018 6 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2017 S. 107 – Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4631 3 Nötigung 1 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 5 Sachbeschädigung 12 Störung des öffentlichen Friedens 1 Störung öffentlicher Betriebe 1 Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz 1 Verstoß gegen des Betäubungsmittelgesetz 2 Verstoß gegen des Versammlungsgesetz 5 Verstoß gegen das Waffengesetz 3 Vorsätzliche Brandstiftung 3 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 1 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 1 Widerstand 12 Gesamt 162 Die Anzahl der Rechtsverstöße hat vorläufigen Charakter und ist durch Nach- sowie Änderungsmeldungen noch möglichen Anpassungen unterworfen. Die aufgeführten Strafanzeigen resultieren unter anderem aus Hausbesetzungen in Kerpen-Manheim sowie den Protestaktionen anlässlich „Ende Gelände“. 2. In wie vielen Fällen waren die Tatverdächtigen der unter 1. aufgeführten Rechtsverstöße Teil einer vom Verfassungsschutz des Landes NRW beobachteten Gruppierung? Der Verfassungsschutz erhält nach § 16 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - VSG NRW) von den Polizeibehörden die dort bekannt gewordene Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 VSG NRW, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Informationen und deren Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde erforderlich sind. Auf den bisher nur vorläufigen Charakter des in der Antwort auf Frage 1 dargestellten Auswertungsstandes wird verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4631 4 3. In wie vielen Fällen war die Verweigerung der Personalienfeststellung von Tatverdächtigen erfolgreich? Zum Zwecke der Identifizierung von Tatverdächtigen wurden umfangreiche Maßnahmen bei denjenigen Personen eingeleitet, die die Personalienfeststellung verweigert hatten. Alternative Identifizierungsmethoden werden im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungen durch das Polizeipräsidium Aachen und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen fortlaufend geprüft, um die Personalienfeststellung in vergleichbaren Fällen zu ermöglichen. Ziel ist, Straftäter (auch bei niederschwelligen Delikten) möglichst zweifelsfrei zu identifizieren. 4. Welche Erkenntnisse über die aktuelle Einflussnahme und Mitwirkung linksextremistischer Personen und Gruppierungen innerhalb des Sammelbündnisses Ende Gelände liegen der Landesregierung vor? Bitte alle an Ende Gelände beteiligten linksextremistischen Gruppierungen sowie die Anzahl der beteiligten linksextremistischen Personen aufführen. „Ende Gelände“ ist ein europaweit agierendes Bündnis verschiedenster extremistischer und nicht extremistischer Gruppen und Einzelpersonen. Die Unterstützerliste des Bündnisses findet sich unter https://www.ende-gelaende.org/de/freundinnen/. Darunter sind auch Akteure aus Nordrhein-Westfalen, etwa die Interventionistische Linke (IL), die als linksextremistisch oder linksextremistisch beeinflusst zu bezeichnen sind. Im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 wird auf den Seiten 106 bis 108 unter „Im Fokus: Hambacher Forst – gewalttätige Klimaproteste und deren Vernetzungen“ aufgeführt, wie die IL bei „Ende Gelände“ mitwirkt und Einfluss nimmt. Da im Bündnis „Ende Gelände“ linksextremistische aber auch demokratische Akteure organisiert sind, sind klassische Mitgliedschaftsstrukturen nicht vorhanden. Eine valide Angabe der Anzahl der „beteiligten linksextremistischen Personen“ ist daher nicht möglich. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung insbesondere für den Zeitraum seit Beginn der Räumung des Hambacher Forsts am 13. September 2018 bezüglich der Beteiligung und Vernetzung linksextremistischer Personen und Gruppierungen an Klimaprotesten, welche im Zusammenhang mit der Kohleverstromung und dem Braunkohletagebau in NRW stehen, vor? In dem der Frage zugrundeliegenden Zeitraum kam es zu einer Vielzahl von in- und ausländischen Solidaritätsaktionen. Eine umfassende und abschließende Auswertung aller Kommunikationskanäle ist nicht möglich. Ein Beispiel für die überregionale oder internationale Vernetzung oder Beteiligung ist etwa ein für die Aktionstage von „Ende Gelände“ angemieteter Sonderzug, in dem auch Gruppen und Einzelpersonen mitfuhren, die dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen sind. Seine Fahrstrecke von Prag über Dresden, Leipzig, Berlin und Hannover nach Düren steht exemplarisch für die eingangs genannte Vernetzung. Ebenso zeigen auch die Aktionsaufrufe von „Ende Gelände“ in verschiedenen Sprachen (Englisch, Französisch, Polnisch, Spanisch und Niederländisch), dass eine internationale Vernetzung zielgerichtet betrieben wird. Im Hinblick auf die regionale Vernetzung ist daneben beispielhaft das anlassbezogene Bündnis „Aktion Unterholz“ zu nennen, in dem unter anderem alle in Nordrhein-Westfalen ansässigen Ortsgruppen der IL beteiligt sind. Darüber hinaus wurden im oben genannten Zeitraum im Hambacher Forst Personen verschiedenster Nationalitäten (unter anderem aus Polen, Niederlanden, Spanien, Vereinigten Staaten) als Tatverdächtige von Straftaten festgestellt. Allerdings sind sowohl die Erhebungen als auch die Klärung, ob es sich bei den Tatverdächtigen gegebenenfalls um Linksextremisten handelt, noch nicht abgeschlossen.