LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4642 19.12.2018 Datum des Originals: 19.12.2018/Ausgegeben: 27.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1753 vom 16. November 2018 des Abgeordneten Guido van den Berg SPD Drucksache 17/4311 Wie viele Kinder leben im Rhein-Erft-Kreis in Armut? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Schätzung des Deutschen Kinderschutzbundes (DSKB) leben rund 4,4 Millionen Kinder in Deutschland in Armut. Oftmals sind die Eltern der Kinder in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder sogar erwerbslos. Arme Kinder haben auch immer arme Eltern! In Deutschland werden Kinder als „arm“ definiert, die in einem Haushalt leben, der staatliche Grundsicherungsleistungen empfängt. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist die Armutsrisikoquote bei Alleinerziehenden und Familien mit mehr als zwei Kindern dabei besonders hoch. Arme Kinder sind in ihrer Schullaufbahn benachteiligt. Ihnen fehlt eine adäquate Schulausstattung, die viel zu häufig nur aus gebrauchten Materialien besteht. Wenn sie ein Frühstück dabei haben, ist dies selten eine ausgewogene und gesunde Mahlzeit. (Auch) Die Kosten für das Mittagessen können sich viele dieser Familien nicht leisten. Darüber hinaus können die Kinder an sozialen, kulturellen und sportlichen Angeboten nicht teilnehmen, wodurch sie Nachteile haben und teils ausgegrenzt werden. Die Benachteiligung zieht sich wie ein roter Faden auch durch andere Lebensbereiche, so dass die soziale Herkunft der Kinder ihre persönliche Entwicklung und die gesellschaftliche Teilhabe erschwert. Von einer Chancengleichheit im Sinne gerechter Startbedingungen für das Leben kann hier keine Rede sein. Der DSKB weist daher zurecht seit Jahren darauf hin, dass das Einkommen zwar eine Schlüsselrolle bei der Bewertung von „Armut“ spielt, darüber hinaus aber die daraus folgenden mangelnden Möglichkeiten in den Lebensbereichen „Bildung“, „Arbeit“, „Wohnen“, „Gesundheit“, „Freizeit“ und „soziale Netzwerke“ das wahre Ausmaß der Kinderarmut ausmachen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4642 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1753 mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sowie der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. 1. Wie hat sich die Kinderarmut in den einzelnen Kommunen im Rhein-Erft-Kreis in den letzten zehn Jahren entwickelt? (Bitte nach Jahr und Kommune) 2. Wie viele Kinder sind in den einzelnen Kommunen im Rhein-Erft-Kreis von Kinderarmut bedroht? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sinnzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Absolute Zahlen sowie die Mindestsicherungsquote und ihre Entwicklung in den letzten zehn Jahren für die einzelnen zehn kreisangehörigen Kommunen ergeben sich aus den beigefügten tabellarischen Übersichten (Anlagen 1 und 2). 3. Welche Folgen ergeben sich aus Sicht der Landesregierung für das Leben armer bzw. armutsgefährdeter Kinder? Kinderarmut kann die Entwicklungschancen von Kindern nachhaltig einschränken. Das betrifft insbesondere ihren Zugang zu Teilhabe und Bildung. Ziel der Landesregierung ist es deshalb, Chancengerechtigkeit und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu fördern. 4. In welchem Umfang wurden Fördermittel zur Bekämpfung der Kinderarmut abgerufen? (nach Art der Fördermaßnahme, in Prozent der verfügbaren Fördermittelsummen, getrennt nach Kommune, nach Leistungsempfänger und nach Schulform) Im Hinblick auf Fördermöglichkeiten durch den Aufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“ (SQsM) wird mitgeteilt, dass Mittel des ESF zum Thema Kinderarmut im Rahmen von SQsM aus dem Rhein-Erft-Kreis nicht beantragt wurden. Insofern können ESF-Mittel durch den Rhein-Erft-Kreis auch nicht abgerufen werden. Seit dem Jahr 2015 finanziert das Land Nordrhein-Westfalen mit jährlich rd. 47,7 Mio. EUR das Programm „Soziale Arbeit an Schulen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets“. Mit den bereitgestellten Mitteln werden die Kommunen bei der sozialraumorientierten Jugend- und Sozialarbeit unterstützt. Hauptaufgabe der eingesetzten Bildungs- und Teilhabeberaterinnen und -berater ist die Vermittlung von Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets, um die gesellschaftliche und arbeitsmarktliche Integration durch Bildung zu forcieren sowie Bildungsarmut und soziale Exklusion zu verringern bzw. ganz zu vermeiden. Das Landesprogramm, an dem alle nordrhein-westfälischen Kommunen partizipieren, gilt damit als ein Baustein für die gesellschaftliche Integration von finanziell benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2017 hat der Rhein-Erft-Kreis 1.040.240 EUR aus diesem Landesprogramm erhalten. Dies entspricht dem maximalen Förderbetrag aus dem Landesprogramm für den Rhein-Erft-Kreis. Mit den Mitteln wurden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4642 3 insgesamt 42 Bildungs- und Teilhabeberaterinnen und -berater mitfinanziert, die an insgesamt 93 Schul- und Bildungseinrichtungen des Rhein-Erft-Kreises eingesetzt waren. In den Jahren 2015 - 2016 wurden im Rahmen des Programms „NRW hält zusammen … für ein Leben ohne Armut und Ausgrenzung“ drei Projekte im Rhein-Erft-Kreis gefördert (Sprachvermittlung, Zugänge verbessern, soziale Teilhabe ermöglichen/Bergheim, Sozialraumprojekt Gustav-Stresemann-Ring/Hürth, Familienbericht mit Durchführung einer Sozialraumanalyse/Wesseling). Die Zuwendung aus Landesmitteln betrug hierbei 3 % der für das gesamte Programm zur Verfügung stehenden Zuwendungsmittel. Im Rahmen des Aufrufs „Zusammen im Quartier - Kinder stärken -Zukunft sichern“ liegen bislang drei Anträge aus dem Rhein-Erft-Kreis von Kommunen oder freien Trägern vor (betreffend Hürth und Bergheim). 5. Welche kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen erwägt die Landesregierung, um die Kinderarmut im Rhein-Erft-Kreis zu senken? Die Landesregierung verfolgt das Ziel, Prävention (zur Bekämpfung der Folgen von Kinderarmut) flächendeckend und nachhaltig zu stärken. Der Haushalt 2019 enthält für den Aufbau kommunaler Präventionsketten zusätzliche Mittel in Einzelplan 07, Kapitel 040, Titelgruppe 70. Der Aufbau kommunaler Präventionsketten kann sich erst mittel- und langfristig auf die Entwicklung der Kinderarmutsquote auswirken, da er beim Kind selbst ansetzt und nicht an der Einkommenssituation der Eltern. Das Landesprogramm „Soziale Arbeit an Schulen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets“ wurde frühzeitig bis zum Ende des Jahres 2020 verlängert. Für den Haushalt 2019 ist geplant, die Finanzierung des Landesprogramms bis zum Jahr 2022 einschließlich sicherzustellen, um den Kommunen weitere Planungssicherheit auf diesem Gebiet zu ermöglichen und dadurch den Kindern und Jugendlichen weiterhin Unterstützungsmöglichkeiten zu bieten. Auch wenn sich der Lebensstandard von Kindern im untersten Einkommensbereich der Gesellschaft befindet, darf dies keine Ausgrenzung nach sich ziehen. Schulsozialarbeit sowie Leistungen zur Bildungs- und Teilhabe können hier kompensatorisch wirken. Das Land wertschätzt den hohen Stellenwert der Sozialarbeit an Schulen. Deshalb stellt auch das Ministerium für Schule und Bildung in Ergänzung der kommunalen Schulsozialarbeit landeseigene Stellen für die Beschäftigung von Fachkräften für Schulsozialarbeit zur Verfügung, die unbefristet und dauerhaft finanziell gesichert sind: Mit dem Haushalt 2018 wurden mit Beginn des Schuljahres 2018/2019 ab dem 1. August 2018 insgesamt 968 Stellen für die Schulsozialarbeit und den Bereich der Integration bereitgestellt. Die Landesstellen unterteilen sich in 482 Tarifstellen für Fachkräfte für Schulsozialarbeit (Gesamtschulen: 345 Stellen, Sekundarschulen: 124 Stellen, Gemeinschaftsschulen: zehn Stellen, Realschulen: drei Stellen), die aus dem Ganztagszuschlag der Schulen finanziert werden. Außerhalb des Ganztagszuschlags werden als Mehrbedarf 250 Planstellen für Hauptschulen und 10 Planstellen für Förderschulen bereitgestellt, die auch für sozialpädagogische Kräfte geöffnet sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4642 4 Jede Schule kann je nach Schulgröße bis zu zwei Lehrerstellen in Stellen für Schulsozialarbeit umwandeln. Voraussetzung ist, dass die Erteilung des Unterrichts gemäß Stundentafel gewährleistet ist. Die Kommunen stellen in der Regel in gleicher Höhe Stellen für die Schulsozialarbeit zur Verfügung („Matching-Verfahren“). An Schulen mit gebundenem Ganztag sind Stellen bzw. Stellenanteile aus dem Ganztagszuschlag in Anspruch zu nehmen. Schulen ohne Ganztag, z.B. Berufskollegs, können reguläre Lehrerstellen dafür verwenden. Aktuell werden landesseitig 350 Lehrerstellen für den Einsatz sozial-pädagogischer Fachkräfte in Schulen genutzt (Runderlass vom 23.Januar 2008 „Beschäftigung von Fachkräften für Schulsozialarbeit in NRW.“). Weitere Fördermöglichkeiten im Rahmen von Schulsozialarbeit: Das Programm „Geld oder Stelle“ zur Kapitalisierung von Lehrerstellen im Ganztag gibt mit Anstellungsträgerschaft bei der Kommune oder den freien Trägern ebenfalls Möglichkeiten zur Finanzierung von Schulsozialarbeit durch das Land. Schließlich haben die Kommunen Schul-sozialarbeit auf- und ausgebaut. Die Kommunen haben vielerorts Träger der freien Jugendhilfe als Anstellungsträger beauftragt. Mit dem aktuellen Programmaufruf „Zusammen im Quartier - Kinder stärken - Zukunft sichern“ (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales) wurde darüber hinaus ein Förderprogramm gegen Kinder-armut aufgelegt, in dessen Mittelpunkt einkommensarme Kinder, Jugendliche und ihre Familien stehen, die in benachteiligten Quartieren leben. Ihre Teilhabechancen sollen verbessert werden, denn sie sind besonders von Armut und Ausgrenzung betroffen. Bausteine des Aufrufs sind die Förderung qualifizierter Bezugspersonen im Quartier, Maßnahmen für gesundes Aufwachsen sowie Aktivitäten zur Implementierung von Sozialplanungsprozessen in Gemeinden. Über den Programmaufruf werden jährlich acht Millionen Euro aus Landes- und ESF-Mitteln zur Verfügung gestellt. Antragsberechtigt sind juristische Personen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Hierzu zählen neben den Gebietskörperschaften auch Träger der freien Wohlfahrtspflege sowie weitere Akteure, die für das Quartier aktiv sind. Anlage 1 Region 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Rhein-Erft-Kreis 14,9 14,2 13,9 13,0 13,5 14,0 15,0 15,9 16,8 16,7 16,5 Bedburg, Stadt 13,1 13,3 13,6 12,1 11,3 10,9 11,4 11,9 13,4 11,9 12,4 Bergheim, Stadt 22,9 21,3 21,6 21,5 22,4 23,5 24,9 24,9 25,6 25,7 25,6 Brühl, Stadt 14,2 13,2 13,7 12,6 12,2 12,5 12,9 14,0 15,7 14,0 14,4 Elsdorf 14,0 13,1 10,9 10,7 12,4 13,2 14,1 16,9 18,1 19,9 18,3 Erftstadt, Stadt 11,4 10,8 10,1 9,9 10,6 10,9 11,8 11,7 13,1 12,4 11,8 Frechen, Stadt 13,7 13,5 12,2 11,3 12,3 12,6 14,1 14,3 15,9 16,2 16,0 Hürth, Stadt 13,4 13,7 13,1 11,1 11,4 11,7 12,8 13,9 14,0 14,8 14,2 Kerpen, Stadt 18,2 17,7 17,9 16,5 17,1 17,7 18,8 20,2 20,6 20,5 20,1 Pulheim, Stadt 6,9 6,0 5,1 4,7 4,5 4,9 5,3 6,0 6,3 6,5 7,1 Wesseling, Stadt 16,8 15,5 17,0 16,0 16,6 17,9 19,2 21,2 23,1 22,2 21,5 Mindestsicherungsquote*) von unter 18 Jährigen im Rhein-Erft-Kreis *) Die Mindestsicherungsquote ist ein zusammengefasster Indikator, der den prozentualen Anteil der Empfänger/-innen von Mindestsicherungsleistungen an der Gesamtbevölkerung darstellt. – – – Datenquellen: Bundesagentur für Arbeit, Ergebnisse der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende jeweils zum Berichtsmonat Dezember; IT NRW, Ergebnisse der Sozialhilfestatistik, der Statistik der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Asylbewerberleistungsstatistik (jeweils zum Stichtag 31.12.). sowie der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf Basis der VZ87 (bis 2010) bzw. des Zensus 2011 (ab 2011) jeweils zum Stichtag 31.12. Anlage 2 Region 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Rhein-Erft-Kreis 12 376 11 653 11 265 10 422 10 624 10 994 11 737 12 463 13 418 13 352 13 205 Bedburg, Stadt 596 586 587 510 448 425 439 453 502 456 472 Bergheim, Stadt 2 638 2 396 2 374 2 330 2 376 2 492 2 634 2 658 2 764 2 809 2 862 Brühl, Stadt 1 088 1 011 1 038 940 902 929 959 1 032 1 182 1 046 1 069 Elsdorf 567 519 417 400 460 481 517 622 662 725 666 Erftstadt, Stadt 1 016 952 879 842 897 907 964 952 1 065 994 937 Frechen, Stadt 1 161 1 133 1 015 932 1 007 1 047 1 175 1 212 1 364 1 405 1 389 Hürth, Stadt 1 229 1 278 1 226 1 050 1 042 1 089 1 205 1 335 1 401 1 479 1 437 Kerpen, Stadt 2 253 2 164 2 128 1 943 2 012 2 064 2 169 2 342 2 444 2 446 2 365 Pulheim, Stadt 658 562 473 429 421 446 477 537 579 595 650 Wesseling, Stadt 1 170 1 052 1 128 1 046 1 059 1 114 1 198 1 320 1 455 1 397 1 358 Datenquellen: Bundesagentur für Arbeit, Ergebnisse der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende jeweils zum Berichtsmonat Dezember; IT NRW, Ergebnisse der Sozialhilfestatistik, der Statistik der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Asylbewerberleistungsstatistik (jeweils zum Stichtag 31.12.) Empfängerinnen und Empfänger von Mindestsicherungsleistungen*) unter 18 Jahren im Rhein-Erft-Kreis zum Jahresende *) Mindestsicherungsleistungen sind finanzielle Hilfen des Staates, die zur Sicherung des sozioökonomischen Existenzminimums an leistungsberechtigte Personen gezahlt werden. Dazu zählen folgende Leistungen: Gesamtregelleistung nach dem SGB II „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (Arbeitslosengeld II / Sozialgeld), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII „Sozialhilfe“, laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach dem SGB XII und Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). – – –