LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4671 21.12.2018 Datum des Originals: 21.12.2018/Ausgegeben: 27.12.2018 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1782 vom 30. November 2018 der Abgeordneten Sarah Philipp, Rainer Bischoff, Frank Börner und Ralf Jäger SPD Drucksache 17/4393 Was tut die Landesregierung gegen den Fachkräftebedarf in Duisburg? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Duisburg werden derzeit (Stand: Oktober 2018) 4.587 Arbeitskräfte gesucht, davon sind rund 96 Prozent der offenen Arbeitsstellen sofort zu besetzen. Die Firmen in Duisburg brauchen länger, um passendes Personal zu finden. So dauert es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit aktuell im Schnitt 164 Tage, um eine Stelle zu besetzen und damit 43 Tage länger als im vergangenen Jahr. Sie wertet dies als ein Zeichen dafür, dass nicht mehr in allen Berufen der große Fachkräftebedarf gedeckt werden kann. Die Herausforderung sei es, qualifiziertes Personal für diesen Bedarf zu finden und auszubilden. Diese Verschärfung des Arbeitsmarktes manifestiert sich auch mit Blick auf den Ausbildungsstellenmarkt. Waren es im Berichtsjahr 2016/2017 140 offene Ausbildungsstellen, haben die Firmen in Duisburg im aktuellen Berichtsjahr 345 offene Stellen zu verzeichnen, was einem Anstieg von rund 146 Prozent entspricht. Fest steht: Wenn heute nicht ausgebildet werden kann, dann erhöht sich der Fachkräftebedarf in den folgenden Jahren. Besonders gesucht werden in Duisburg nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Fachkräfte in den Bereichen Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit, Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung, Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung, sowie kaufmännische Dienstleistung, Handel, Vertrieb und Tourismus. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1782 mit Schreiben vom 21. Dezember 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Industrie, Digitalisierung und Energie beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4671 2 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung im letzten Jahr ergriffen, um den Fachkräftebedarf in Duisburg zu beheben? Die Landesregierung unterstützt mit verschiedenen Instrumenten die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Duisburg genauso wie in den anderen Regionen von Nordrhein- Westfalen. Dazu zählen die Förderung der beruflichen Bildung durch Investitionen in die Modernisierung der beruflichen Aus- und Weiterbildungsinfrastruktur aus dem gemein-samen ESF- und EFRE-finanzierten Projektaufruf der Landesregierung oder die ESF- Förderprogramme. Die die Stadt Duisburg umfassende Region Niederrhein wurde auf-gefordert, ihren regionalen Handlungsplan für den Ausbildungskonsens zu überarbeiten und darin ihre Maßnahmen zur Entwicklung des regionalen Ausbildungsmarktes abzustimmen. 2. Was hat die Landesregierung im letzten Jahr unternommen, um Jugendliche für die besonders nachgefragten Berufe zu interessieren bzw. zu einer Ausbildung zu motivieren? Um die Entscheidungskompetenz von jungen Schulabgängern zu steigern, führt die Landesregierung zusammen mit den Partnern im Ausbildungskonsens den systematischen Berufs- und Studienorientierungsansatz von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) fort. Es gilt dabei, Jugendliche und deren Eltern frühzeitig möglichst differenziert über die vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierewege zu informieren. 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um die Kompetenzentwicklung der Beschäftigten in den Unter-nehmen zu fördern bzw. deren Schulung zu Fachkräften zu unterstützen? Mit dem Bildungsscheck Nordrhein-Westfalen schafft das Land seit 2006 Anreize zum lebensbegleitenden Lernen für Beschäftigte, Selbständige und Berufsrückkehrende. Damit leistet Nordrhein-Westfalen einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der vor allem durch technische Entwicklungen ausgelösten Veränderungen am Arbeitsplatz. Auf diese Weise wird die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen und letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gestärkt. Seit dem Start des Programms im Jahr 2006 machten über 480.000 Bildungsschecks die berufliche Weiterbildung von Beschäftigten möglich. 80.000 kleine und mittlere Betriebe profitierten davon. Die kostenlose Beratung wird in 225 Beratungsstellen in ganz Nordrhein- Westfalen angeboten. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die zur Ver-fügung stehenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zur Finanzierung des Bildungsschecks von jährlich 5 Mio. Euro auf bis zu 30 Mio. Euro jährlich erhöht. In einem ersten Schritt beläuft sich die Förderung für 2018 auf 8 Mio. EUR, für 2019 ist eine Steigerung auf 16 Mio. Euro geplant. In Duisburg wurden im Jahr 2017 insgesamt 395 Bildungsschecks und von Januar bis Oktober 2018 insgesamt 354 Bildungsschecks ausgegeben. Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt darüber hinaus Unternehmen und Einzelpersonen mit unterschiedlichen Beratungsangeboten zur beruflichen Entwicklung und Qualifizierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4671 3 Die Qualifizierungsberatung richtet sich an kleine und mittlere Unter-nehmen, die Kompetenzen ihrer Beschäftigten sichern und ein nach-haltiges betriebliches Weiterbildungsund Wissensmanagement auf-bauen wollen. Das Angebot wird aus Mitteln des ESF über das Förder-programm „Beratung von Unternehmen zur Fachkräftesicherung, Potentialberatung“ gefördert. Personen in beruflichen Veränderungsprozessen, Berufsrückkehrende und Personen mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen erhalten bei der ESF-geförderten Beratung zur beruflichen Entwicklung (BBE) Informationen über den Arbeitsmarkt, über mögliche Weiterbildungsmaßnahmen und über finanzielle Unterstützung. Die Beratung zur beruflichen Entwicklung nahmen bisher ca. 21.500 Personen in Nord-rhein-Westfalen in Anspruch. In der Stadt Duisburg wurden von September 2017 bis Oktober 2018 insgesamt rund 970 Beratungen für rund 470 Ratsuchende durch-geführt. Mit dem Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm unterstützt das Land die Errichtung, den Ausbau und insbesondere die Ausstattung von Einrichtungen der beruflichen Bildung. Dabei wird ein Schwerpunkt gelegt auf Einrichtungen, die für Berufszweige ausbilden, in denen ein besonderer Fachkräftemangel herrscht oder droht. Im Fokus stehen hier insbesondere überbetriebliche Berufsbildungsstätten, deren Infrastruktur gemeinsam mit dem Bund gefördert werden kann. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Zugewanderten den Zugang zu Fachkräfte-Stellen zu ermöglichen? Zugewanderten Menschen, darunter Geflüchteten, stehen grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Beratungs-, Vermittlungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten des SGB II und des SGB III zur Verfügung. Personen mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen werden bei der Fachberatung zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufs-qualifikationen (FBA) über die Voraussetzungen und die Durchführung des Anerkennungsverfahrens informiert. Eine Teilanerkennung wird erläutert und Hilfe bei der Suche nach der passenden Anpassungs-qualifizierung bei einer Teilanerkennung gewährt. Gemeinsam mit der Beraterin/dem Berater werden die nächsten Schritte und die Umsetzung geplant. Die Fachberatung Berufliche Anerkennung wird im Rahmen des ESF- Förderprogramms Beratung zur beruflichen Entwicklung (BBE) angeboten. Des Weiteren unterstützt die Landesregierung auch in Duisburg sprach- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, um das Potenzial der Migranten bzw. Geflüchteten für den Arbeitsmarkt zu nutzen. Dabei werden im Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“, das Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf unter-stützt, Module für junge Geflüchtete eingesetzt, um ihren Bedarfen gerecht zu werden. Daneben werden für Geflüchtete, deren Bleibeperspektive unklar ist, durch das Land Basissprachkurse finanziert, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Darüber hinaus hat die Landesregierung per Erlass bei der so genannten „3 + 2-Regelung“ (Ausbildungs-duldung für abgelehnte Asylbewerber in Ausbildung bzw. nach bestandener Ausbildung auf Berufssuche) eine einheitliche Praxis in den Ausländerbehörden auch in Duisburg sichergestellt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4671 4 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um gesundheitsfördernde und altersgerechte Arbeitsbedingungen in den Unternehmen zu fördern, um künftigen Fachkräfte-mangel aufgrund frühzeitigen Ausscheidens in den Ruhestand vorzubeugen? Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) und der hierzu verabschiedeten Landesrahmenvereinbarung wurden die Zugangswege für Betriebe vereinfacht, wirksame und zielgerichtete Gesundheitsförderung im Betrieb durchzuführen. Die Landesregierung wirbt bei den Arbeitgebern dafür, die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen und alle Maßnahmen in einem Betrieb auszuschöpfen, die dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten und der Verringerung von Krankenständen dienen bzw. eine Frühverrentung aus gesundheitlichen Gründen vermeiden helfen. Aus Mitteln der Handwerkförderung bezuschusst das Land in den Jahren 2017 bis 2019 das Projekt „Innovationscluster Handwerk NRW“, in dessen Rahmen insgesamt 11 Projekte u.a. in dem Schwerpunkt "Anpassung an veränderte Altersstrukturen" umgesetzt werden. Das Fördervolumen der Gesamtmaßnahme beträgt insg. rd. 2,4 Millionen Euro, von denen rd. 1,6 Millionen auf den Bereich "Anpassung an veränderte Altersstrukturen" entfallen. Neben der Fachkräftegewinnung und -sicherung gehört die Gesund-erhaltung der Beschäftigten im Handwerk (BGM) sowie das Konflikt- und Stressmanagement zu den thematischen Schwerpunkten dieses Clusters. Zur Stärkung der Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen fördert die nordrhein-westfälische Landes-regierung mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) die Potential-beratung. Mit Hilfe externer Beratungskompetenz und unter Beteiligung der Beschäftigten sollen die Potentiale des Unternehmens ermittelt und darauf aufbauend die Umsetzung notwendiger Veränderungsschritte in die Praxis begleitet werden. Entlang von fünf zentralen Themenbereichen werden die Stärken und Schwächen der Betriebe ermittelt sowie betriebsspezifische Lösungen erarbeitet. Gesundheit ist einer der fünf Schwerpunkte, hier kann z.B. die Einführung eines nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagements unterstützt werden.