LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4729 02.01.2019 Datum des Originals: 27.12.2018/Ausgegeben: 07.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1778 vom 29. November 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4379 Nach der illegalen Ablagerung giftiger Ölpellets: Wie geht es weiter mit der Tongrube Mühlenberg in Hünxe? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Jährlich fallen rund 30.000 Tonnen sogenannter Ruß-Öl-Pellets bei der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen an. Diese gelten aufgrund ihrer Inhaltsstoffe Nickel und Vanadium als äußerst umweltgefährdend und krebserregend. Die Ruß-Öl-Pellets werden seit 1972 überwiegend in dem nahegelegenen Kraftwerk in Scholven verbrannt. Bis zum Jahr 2010 wurden die Pellets auf diesem Weg entsorgt, bis eine Verbrennung aufgrund von Grenzwertüberschreitungen für Vanadium und mangelnder Abnahmekapazitäten nicht mehr im bisherigen Umfang möglich war. Anschließend soll die zur BP gehörende Firma Ruhr Oel eine Task Force gebildet haben, deren Aufgabe es war, neue Entsorgungswege für die Pellets zu erschließen. In Folge einer Umwandlung des Abfalls zum Produkt kam es zur illegalen Ablagerung der Ölpellets in einer ehemaligen Tongrube in Hünxe/Schermbeck (s. auch LT-Drs. 17/3399). Die Tongrube wurde 1997 gemäß Abgrabungsrecht von der Bezirksregierung Düsseldorf erstmalig genehmigt, war jedoch nie für die Deponierung gefährlicher Abfälle geplant. Eine Genehmigung gemäß DeponieV ist folglich nicht bekannt. Aufgrund ihrer Toxizität sind die bei BP in Scholven erzeugten Ölpellets als gefährlicher Abfall eingestuft und daher nicht für die Wiederverfüllung einer Tongrube zugelassen. Nach Bekanntwerden der illegalen Deponierung in der Tongrube Mühlenberg hat die Betreiberfirma zwei Gutachten in Auftrag gegeben, um den Verbleib der Ölpellets in der Grube zu prüfen. Diese Gutachten der Unternehmen Asmus und Prabucki sowie der Firma ahu kommen zu dem Schluss, dass die Belastung der Umwelt durch das erneute Freilegen und Transportieren sehr viel größer wäre als die Gefährdung, die von dem in der Tongrube eingelagerten Material ausgeht. Demnach empfehlen diese Gutachten, dass die Ölpellets in der Tongrube verbleiben. Dem stehen allerdings die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner gegenüber, die durch diese Schaffung von Ewigkeitslasten langfristig eine Gefährdung ihrer Gesundheit und der Umwelt insgesamt befürchten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4729 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1778 mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Gibt es Absichtserklärungen bzw. bereits konkrete Pläne, die ehemalige Tongrube gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz und Deponieverordnung nachträglich als Deponie zu genehmigen? Eine Überführung in das Deponierecht ist nicht vorgesehen. 2. Die Gutachten der von der Betreiberfirma beauftragten Unternehmen sprechen sich gegen eine Entfernung der Ölpellets aus der Tongrube aus. Wurde die Möglichkeit der Entsorgung auch seitens staatlicher Umweltbehörden geprüft? (Falls ja, bitte die Auffassungen der zuständigen Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster als Aufsichts-, Genehmigungs- und Überwachungsbehörden und als zuständige Wasser- und Bodenschutzbehörden darstellen.) Eine gezielte Entnahme der Ölpellets ist nicht möglich, da diese vermischt mit den übrigen, zugelassenen Abfällen abgelagert wurden. Der genaue Einbauort aller Ölpellets lässt sich nicht identifizieren, so dass eine deutlich höhere Menge rückgebaut werden müsste. Ein Verbleib der Ölpellets ist nach Aussage der Gutachter möglich, wenn die erforderlichen Sicherungs- (Oberflächenabdichtung, Sickerwasserfassung und –behandlung) und Monitoringmaßnahmen umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Gutachter sind durch das LANUV im Auftrag des MULNV geprüft und das weitere Vorgehen zwischen den beteiligten Behörden (Kreis, Bezirksregierung, LANUV) abgestimmt worden. Ich verweise insoweit auf die Ausführungen zu Punkt 5 des Berichtes der Landesregierung an den Landtag Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2018. 3. Der für die Wiederverfüllung der Tongrube Mühlenberg vom Kreis Wesel genehmigte Abfallartenkatalog enthält keine Abfallschlüssel für gefährliche Abfälle. Auf welcher genehmigungsrechtlichen Grundlage würde ein Verbleib der Ölpellets – einem zweifelsfrei gefährlichen Abfall – rechtlich begründet? Eine Genehmigung für das Einbringen der Ölpellets bestand zu keiner Zeit, es handelt sich um eine illegale Ablagerung. Eine nachträgliche „Genehmigung“ für den Einbau der Ölpellets, die sich grundsätzlich an dem Vorsorgemaßstab orientieren muss, ist nicht möglich. Für eine Entscheidung über den Verbleib der Ölpellets sind vielmehr die Maßstäbe der Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit heranzuziehen. Der Anteil der Belastung mit Stoffen, die aus den Pellets eluieren können, führt nach Aussage der vorliegenden Gutachten im Vergleich zu der Belastung mit anderen gemessenen Parametern, die aus abgelagerten, genehmigten Abfällen stammen, nicht zu einer höheren Gesamtgefährdung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4729 3 4. Bis zu welchem Zeitpunkt ist mit einer Aufarbeitung des Ölpelletsskandals in der Austonung Mühlenberg voraussichtlich zu rechnen? Bitte konkrete Angaben zur Handlungsabfolge darlegen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ablagerung von Ölpellets wurde das weitere Vorgehen zur Sachverhaltsermittlung zwischen den beteiligten Behörden unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft abgestimmt. Dies umfasste z.B. die Untersuchung (Gefährdungsabschätzung) durch unabhängige Sachverständige. Nunmehr sind die hieraus abgeleiteten Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen umzusetzen und durch den Kreis Wesel als zuständige Behörde zu überwachen. Im Einzelnen sind dies die Erstellung einer Oberflächenabdichtung, die derzeit kurz vor ihrer Fertigstellung steht, und die dauerhafte Fassung und Behandlung des anfallenden Sickerwassers sowie ein begleitendes Monitoring von Sickerwasser und Grundwasser (siehe Bericht an den Landtag vom 29.10.2018). Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist das Verfahren damit abgeschlossen. 5. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 1274 erklärt die Landesregierung, dass das belastete Sickerwasser „regelmäßig überwacht und derzeit in die Kläranlage Emschermündung eingeleitet“ wird. Dabei handelt es sich um eine Kläranlage zur Reinigung kommunaler Abwässer und nicht um eine Industriekläranlage, mit weiteren Reinigungsstufen zur Entfernung umweltkritischer Rückstände. Wie wird diese Form der „Entsorgung“ entlang der wasserrechtlichen Einleiteparameter des Sickerwassers und der Kläranlage genehmigungsrechtlich ermöglicht? Im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren für die Deponie Eichenallee galt es, die Entsorgung des Deponiesickerwassers Eichenallee und die des Sickerwassers aus der benachbarten Verfüllung Mühlenberg temporär (befristet), bis zu einer endgültigen Inbetriebnahme der Sickerwasserbehandlungsanlage Deponie Eichenallee der Fa. Nottenkämper zu regeln. Geplant ist, nach Fertigstellung der Sickerwasserbehandlungsanlage Eichenallee beide Sickerwasserströme gemeinsam zu behandeln. Das Sickerwasser aus der Verfüllung Mühlenberg wird vierteljährlich auf die relevanten Parameter untersucht. Im Rahmen der fachtechnischen Prüfung der temporären Entsorgung des Sickerwassers aus der Verfüllung Mühlenberg ist die Fachbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass eine befristete Mitentsorgung des Sickerwassers aus der Verfüllung Mühlenberg über die Kläranlage Emschermündung möglich ist, da mit keiner Verschlechterung der Ablaufwerte und damit einhergehend mit keiner Verschlechterung des Gewässers zu rechnen ist. Das LANUV kommt in seinem Bericht ebenfalls zu dem gleichen Ergebnis. Die Inbetriebnahme der gemeinsamen Sickerwasserbehandlungsanlage der Fa. Nottenkämper ist für das 1. Halbjahr 2019 geplant. Mit Inbetriebnahme der chemischphysikalischen Sickerwasserbehandlung ist künftig eine Behandlung nach dem Stand der Technik sichergestellt.