LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4730 02.01.2019 Datum des Originals: 27.12.2018/Ausgegeben: 07.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1758 vom 22. November 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4321 Was tut die Landesregierung um die Entgasungsprobleme der Binnenschifffahrt zu lösen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Tankschiffe mit Erdöldestillaten auf dem Rhein müssen in der Praxis regelmäßig entgast werden. Dabei handelt es sich um Restdämpfe, die nach der Entleerung von Kraftstoffen, Kraftstoffgemischen oder Rohbenzin im Tank verbleiben, bis diese neu befüllt oder die Dämpfe über eine Abgasreinigungsanlage abgesaugt werden. In Deutschland und den Niederlanden gibt es jedoch kaum Entgasungsanlagen, daher ventilieren Tanker ihre Gase oftmals während der Fahrt und geben somit undefinierte Mengen von Kohlenwasserstoffen oder Benzol, also krebserregende und mutagen wirkende Gase, in die Umgebungsluft ab. Experten sprechen bereits von einem der größten Umweltprobleme des Landes. Diese Praxis ist gemäß § 20 des Bundesimmissionsschutzgesetzes in Deutschland verboten, Kontrollen finden Berichten zur Folge jedoch nicht oder nur in unzureichender Weise statt. Wissenschaftliche Berechnungen für die Niederlande gehen davon aus, dass jährlich 1,5 - 2 Millionen Kilogramm gefährlicher Gase durch Tankschiffe abgelassen werden. Vergleichbare Zahlen für Deutschland sind nicht bekannt. Neben der mangelnden Kontrolle der Entlüftung ist auch die fehlende Entsorgungsinfrastruktur ein Problem, zu deren Ausbau das Umweltbundesamt bereits 2013 eine Machbarkeitsstudie vorgelegt hat. Auch die Nachfrage seitens der Binnenschiffer nach diesen Anlagen ist nicht hoch, denn das Ablassen der Tankgase in die Luft erspart den Binnenschiffern Kosten des Reinigens und verkürzt die Dauer der Liegezeit. Dabei gibt es mittlerweile Verfahren, mit denen aus diesen Gasen Erdöldestillate gewonnen und verwertet werden können. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1758 mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister für Verkehr beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4730 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Entgasen der Ladetanks von Binnentankschiffen in die Atmosphäre ist nach dem Gefahrgut- und Umweltrecht derzeit unter bestimmten Bedingungen je nach Stoff generell oder in normierten Ausnahmefällen zulässig. Im Jahr 2017 wurde durch die Vertragsstaaten Luxemburg, Schweiz, Niederlande, Belgien, Deutschland und Frankreich ein Beschluss zur Änderung eines Übereinkommens1 getroffen, das ein umfangreiches Entgasungsverbot einführt. Die Landesregierung unterstützt dieses Vorhaben. 1. Welche Bundes- oder Landesbehörden sind für die Überwachung einer sachgemäßen Entgasung durch die Schiffe auf welcher Rechtsgrundlage zuständig? Das Entgasen der Ladetanks von Binnentankschiffen ist im Gefahrgutrecht und darüber hinaus für Benzine im Umweltrecht geregelt. Für das Gefahrgutrecht ist hier das „Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen (ADN2)“ mit seiner aktuellen Anlage einschlägig3. Für das Umweltrecht ist hier die Zwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (20. BImSchV) einschlägig; ihr Anwendungsbereich begrenzt sich jedoch auf Ottokraftstoff, Kraftstoffgemische und Rohbenzin. Auf Schiffsladetanks werden dabei die entsprechenden Regelungen für 'Bewegliche Behältnisse' des § 5 angewandt. Die zuständige Landesbehörde für die Überwachung auf Wasserstraßen ist das Polizeipräsidium Duisburg, Direktion Wasserschutzpolizei, sowie in Häfen die Hafenbehörden des Landes. Rechtsgrundlagen sind §§ 45 und 46 Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung i.V.m. § 3 Abs. 1 POG NRW sowie § 4 i.V.m. Anhang II Ziffer 10.14 Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz. 2. Wird die Entgasung von Tankschiffen in NRW dokumentiert oder in anderer Weise überprüft? Leichtflüchtige Stoffe, die zukünftig in dem CDNI-Übereinkommen geregelt werden, dürfen derzeit noch nach den Bedingungen des Gefahrgutrechts, Nr. 7.2.3.7 ff des ADN, in die Atmosphäre entgast werden. Dies gilt auch für das Entgasen von Benzoldämpfen (Bezeichnung UN 1114). Für diese zulässigen Entgasungsvorgänge besteht keine Dokumentationspflicht. Lediglich für das Entgasen von Benzin oder Ottokraftstoff (Bezeichnung UN 1203) besteht die Verpflichtung zur Dokumentation: Die Überwachung des Gefahrgutrechts wird durch die 1 Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI: Convention relative a la collecte, au Depôt et a la reception des dechets survenant en Navigation Rhenane et Intertieure) 2 ADN: Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par voies de Navigation intérieure 3 Anwendung in Deutschland nach § 1 Abs. 3 Nr. 3a Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4730 3 Wasserschutzpolizei mittels Kontrollen nach einem standardisierten Verfahren auf Grundlage des ADN-Übereinkommens durchgeführt. Die Direktion Wasserschutzpolizei des Polizeipräsidiums Duisburg gewährleistet im Bereich ihrer örtlichen Zuständigkeit (§ 2 Wasserschutzpolizeiverordnung) eine ständige Überwachung der Schifffahrt. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten der Häfen und der rheinnahen Anwohnerinnen und Anwohner durch die freigesetzten Gase? Es liegen keine Untersuchungen oder Untersuchungsergebnisse zur Belastung oder Gesundheitsgefährdung durch Entgasungsvorgänge von Binnenschifftanks vor. 4. Plant die Landesregierung derzeit die Errichtung von Abgasauffang- und Reinigungsanlagen für die Binnenschifffahrt in Hafengebieten Nordrhein- Westfalens, in deren Zusammenhang Maßnahmen zur Wiederverwertung dieser Gase gefördert werden sollen? Das CDNI-Übereinkommen (s. Vorbemerkung) sieht vor, dass nach seinem Inkrafttreten das Entgasen an einer nach den innerstaatlichen Bestimmungen zugelassenen Annahmestelle zu erfolgen hat (dortiger Anhang IIIa). Ferner wird ausdrücklich geregelt, dass der Befrachter (also der Auftraggeber eines Transports) die Kosten für die Entgasung der Schiffstanks trägt. Im Rahmen des Verfahrens zur nationalen Umsetzung des Übereinkommens wird auf Ebene von Bund und Ländern festzulegen sein, wie diese Annahmestellen gefördert, errichtet und als Abgasreinigungsanlagen betrieben werden können. Seit dem 26.4.2018 besteht mit dem ADN (ADN/M 023) erstmals die rechtliche Möglichkeit, den Ladungstank des Binnentankschiffes auch an einer zugelassenen Annahmestelle zu entgasen und somit die Restgase dort einer Abgasreinigungseinrichtung zuzuleiten. Anforderungen und Möglichkeiten zur Wiederverwertung oder Entsorgung dieser Gase werden sich jeweils nach der Art der noch zu bauenden Abgasreinigungseinrichtungen richten. 5. Gemäß dem Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) ist die Entsorgung von Abfällen geregelt. Gibt es Bestrebungen der Landesregierung, dieses Abkommen um die Entsorgung gasförmiger Abfallstoffe zu ergänzen? Mit Beschluss CDNI 2017-I-4 vom 22. Juni 2017 hat die Konferenz der Vertragsparteien des CDNI bereits beschlossen, den sachlichen Anwendungsbereich auf gasförmige Rückstände flüssiger Ladungen (Dämpfe) zu erweitern und ein schrittweises Entgasungsverbot für leichtflüchtige Stoffe in der Binnenschifffahrt einzuführen. Dieser Beschluss muss von jedem Vertragsstaat des CDNI ratifiziert werden, bevor er in Kraft treten kann. In Deutschland ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständig für das CDNI. Derzeit wird dort an einem Ratifizierungsgesetz und der nationalen Umsetzung gearbeitet.