LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4754 08.01.2019 Datum des Originals: 07.01.2019/Ausgegeben: 11.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1832 vom 13. Dezember 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4606 Wie wird das routinemäßige Kupieren von Schwänzen bei Ferkeln in NRW erfasst? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das routinemäßige Kürzen der Schwänze von Ferkeln ist seit einigen Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Nach EU-rechtlichen Vorschriften und den geltenden Vorgaben des deutschen Tierschutzgesetzes, ist das Kupieren nur in Ausnahmefällen zulässig. In der konventionellen Schweinehaltung jedoch wird Ferkeln meist wenige Tage nach der Geburt der Ringelschwanz ohne den Einsatz von Betäubungsmitteln kupiert. Daher gibt es Bestrebungen, das routinemäßige Kupieren von Schweinschwänzen zu reduzieren. Viele Amtsveterinäre fordern, dass Ferkelschwänze maximal um ein Drittel gekürzt werden dürfen. Dabei berufen sich diese meist auf Ausführungshinweise zur Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung. Das Problem ist jedoch, dass Mäster Ferkel mit kürzeren Schwänzen bevorzugen und diese in anderen Regionen auch bekommen. Auch die aus dem Ausland importierten Ferkel, wie beispielsweise aus den Niederlanden, weisen meist extrem kupierte Schwänze auf, bei denen es zu einer nahezu vollständigen Amputation der Schwänze kommt. Dies verschärft die Wettbewerbssituation der hiesigen sauenhaltenden Betriebe, die bemüht sind, den Anteil des routinemäßigen Kupierens von Schwänzen zu reduzieren. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1832 mit Schreiben vom 7. Januar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Obwohl in den letzten Jahren eine große Anzahl an Projekten und Initiativen durchgeführt wurden, stehen Deutschland und viele andere EU-Mitgliedstaaten beim Thema Schwanzbeißen immer noch vor großen Herausforderungen – noch immer wird in vielen europäischen Betrieben die weitaus überwiegende Zahl der konventionell gehaltenen Schweine kupiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4754 2 Die Europäische Kommission (EU KOM) hat sich deshalb für die nächsten Jahre die Gewährleistung besserer Standards bei der Umsetzung und Durchsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften als ein Schwerpunktthema gesetzt und behält sich das Recht vor, künftig alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften in diesem Bereich zufriedenstellend umgesetzt werden. Diesbezüglich hat die EU KOM Deutschland wie auch anderen Mitgliedstaaten, in denen flächendeckend kupiert wird, mitgeteilt, dass die bislang ergriffenen Maßnahmen in den Mitgliedstaaten nach ihrer Einschätzung unzureichend sind, verbunden mit der Aufforderung, einen entsprechenden Aktionsplan zu erstellen. Ergänzend dazu wurden in 2017/18 durch Auditoren der EU KOM in den Niederlanden, Dänemark, Spanien, Italien und Deutschland entsprechende Inspektionen durchgeführt. Um den Tierschutz in der Schweinehaltung weiter nach vorne zu bringen und der Aufforderung der EU KOM nachzukommen, haben die Agrarminister/innen der Bundesländer auf Initiative von Nordrhein-Westfalen und unter dessen Gesamtkoordinierung im September einen nationalen Aktionsplan verabschiedet, wie zukünftig möglichst auf den routinemäßigen Eingriff des Kupierens verzichtet werden kann. Der Aktionsplan wurde der EU KOM vom Bundeslandwirtschaftsministerium übermittelt. Die Ziele des Aktionsplans sind vor allem: - Rechtssicherheit für Schweine haltende Betriebe und die Veterinärverwaltung zu schaffen, in dem die kupierenden Betriebe nachvollziehbar darlegen können, warum sie Schwänze kupieren und welche Optimierungsmaßnahmen ergriffen wurden, um Schwanzbeißen zu vermeiden, - die Haltungsbedingungen und das Management betriebsindividuell zu optimieren, sodass das Auftreten von Schwanzbeißen (zunächst auch bei den kupierten Tieren) reduziert wird und - so die Ausgangsbasis geschaffen wird, im nächsten Schritt Erfahrung mit kleinen Gruppen unkupierter Schweine zu sammeln und die Anzahl unkupierter Schweine schrittweise zu steigern. Tierhalterinnen und Tierhalter, die ihre Schweine kupieren bzw. kupierte Tiere einstallen, müssen die Unerlässlichkeit hierfür für ihren Betrieb darlegen. Die Agrarminister/innen haben auf Initiative von Nordrhein-Westfalen hierzu eine gemeinsame Herangehensweise verabschiedet. Es wurden Möglichkeiten erarbeitet, wie Schweinehalterinnen und Schweinehalter dies den zuständigen Behörden zukünftig darlegen können. Hierzu ist durch die Tierhalter ein Nachweis über entstandene Schwanzverletzungen der Schweine zu erbringen und es sind geeignete Optimierungsmaßnahmen einzuleiten, um das Schwanzbeißrisiko im Bestand weiter zu reduzieren. Hierzu ist vorab die Durchführung einer Risikoanalyse ein erster Schritt, um betriebsindividuelle Risikofaktoren zu identifizieren und Optimierungsmaßnahmen prioritär in den Hauptrisikobereichen eines Betriebes umzusetzen. Es ist vorgesehen, dass die Darlegung ab dem 1. Juli 2019 mittels einer Tierhalter-Erklärung erfolgen kann. Für Tierbestände, in denen das Kürzen von Ferkelschwänzen als notwendig angesehen wird, hat die Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) als Vollzugsempfehlung für ein einheitliches behördliches Vorgehen in Deutschland das Handbuch "Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen" heraus gebracht. In Bezug auf das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4754 3 Schwänzekürzen bei Ferkeln ist darin der konkretisierende Hinweis enthalten, im Einzelfall das Kürzen auf ein Drittel des Schwanzes zu beschränken. 1. Inwiefern verstoßen Importe von maximal kupierten Schweinen nach Deutschland den hier geltenden Tierschutzbestimmungen? Das routinemäßige Kürzen des Ferkelschwanzes ist nach den Vorgaben der Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen europarechtlich einheitlich verboten. Ausnahmen vom grundsätzlichen Amputationsverbot sind nur zulässig, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist. Nach europäischem Recht darf in diesem Einzelfall bei Vorliegen und Nachweis der Voraussetzungen ein Teil des Schwanzes beim Ferkel kupiert werden. Die Vorschriften zum Kupierverzicht bei Ferkelschwänzen stellen damit zentral auf den Eingriff des Kürzens als solchen ab; eine Unterscheidung hinsichtlich des Umfangs des Einkürzens sieht das europäische Tierschutzrecht nicht vor, solange der Ferkelschwanz nicht gänzlich entfernt wird, was jedoch in der Praxis nicht relevant ist. Denn bei einer vollständigen Amputation des Ferkelschwanzes würde dieser an dessen Ansatzstelle am Ende der Wirbelsäule abzusetzen sein; dies wäre ein schwerer invasiver Eingriff, der nur von einem Tierarzt im besonders begründeten Einzelfall bei tierärztlicher Indikation und unter Vollnarkose vorgenommen werden dürfte. Inwieweit bei Schweinen aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten, die mit bereits gekürztem Schwanz nach Deutschland verbracht werden, dieser Eingriff im Einklang mit dem europäischen Recht erfolgt ist, kann nur im Einzelfall auf Ebene des jeweiligen Erzeugerbetriebs und damit nur im Herkunftsland beurteilt werden. 2. Wird die Anzahl der Schweine mit extrem kupierten Schwänzen (mehr als 1/3) in NRW dokumentiert? Bitte Anzahl der betroffenen Tiere in 2017 benennen. 3. Sind Amtsveterinäre verpflichtet, Befunde von extrem kupierten Schwänzen bei Schweinen zu melden? 4. Sind Schlachthöfe verpflichtet, Befunde von extrem kupierten Schwänzen bei Schweinen zu melden? Auf die Beantwortung der Frage 1 wird verwiesen; auf das Ausmaß der Einkürzungen von Schwanzteilen kommt es nach europäischem Tierschutzrecht nicht an. Insofern gibt es hierzu keine speziellen Dokumentations- und Meldepflichten. Daher liegen der Landesregierung hierzu keine Informationen vor. 5. Welche Kriterien bezüglich des routinemäßigen Kupierens von Schwänzen sind im QS-System vorgesehen? Im Prüfsystem für Lebensmittel der QS Qualität und Sicherheit GmbH (QS-System) sind die Anforderungen zur Haltung von Schweinen im Leitfaden Landwirtschaft Schweinehaltung festgelegt. Kriterien bezüglich des routinemäßigen Kupierens von Schwänzen sind darin nicht vorgesehen.