LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4755 08.01.2019 Datum des Originals: 07.01.2019/Ausgegeben: 11.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1833 vom 13. Dezember 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4607 Was tut die Landesregierung um einen EU-weiten Verzicht auf das routinemäßige Kupieren von Schwänzen bei Ferkeln durchzusetzen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der konventionellen Schweinehaltung wird den Ferkeln wenige Tage nach der Geburt der Ringelschwanz routinemäßig und meist ohne den Einsatz von Betäubungsmitteln kupiert. Begründet wird dies mit einem erhöhten Risiko des sekundären Schwanzbeißens bei langen Ringelschwänzen, infolgedessen Schwanznekrosen entstehen können. Dabei regelt die Richtlinie 91/630/ EWG der Europäischen Union seit 1994 eindeutig, dass derartige Eingriffe nicht routinemäßig erfolgen dürfen, sondern nur, wenn Verletzungen festgestellt wurden und das Schwanzbeißen nicht auf andere Weise zu verhindern ist. Die Niederlande sind mit mehr als 12 Millionen Schweinen der viertgrößte Schweineproduzent in Europa. Etwa 99,5 Prozent aller Ferkel aus niederländischen Ställen wird routinemäßig mindestens ein Teil des Schwanzes abgeschnitten. Im Januar 2018 legte ein Inspektionsbericht der Europäischen Kommission dar, dass niederländische Tierärzte oft grundlos Standarderklärungen abgeben, die Schweinezüchtern ermöglichen, alle Schwänze zu kupieren. Der EU-Bericht äußert sich insgesamt sehr kritisch gegenüber der niederländischen Vorgehensweise. Oftmals kommt es dabei zu einer nahezu vollständigen Amputation der Schwänze, während hingegen in Deutschland Ausführungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung meist eine Kürzung von maximal 1/3 vorschreiben. In den letzten Jahren ist der Anteil der aus den Niederlanden importierten Ferkel angestiegen, zuletzt auf 4,5 Millionen im Jahr 2017. Gerade weil die Schweinemastbetriebe das extreme Kupieren des Schwanzes überwiegend bevorzugen, sind sauenhaltende Betriebe in Nordrhein-Westfalen einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den niederländischen Ferkelerzeugern ausgesetzt. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1833 mit Schreiben vom 7. Januar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4755 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage 1833 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt in ihrer Einleitung in Bezug auf die europarechtlichen Vorschriften zum Kürzen von Ferkelschwänzen auf die Richtlinie 91/630/ EWG ab. Diese Richtlinie ist jedoch zwischenzeitlich überholt; es gilt stattdessen die Richtlinie 2008/120/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich insofern nur auf den aktuell geltenden Richtlinientext. 1. Gibt es in Deutschland flächendeckende Regelungen dazu, um welchen Anteil der Schwanz eines Ferkels gekürzt werden darf? Bitte benennen, wo diese Regelung festgelegt ist. Die tierschutzrechtlichen Vorschriften zum Kupierverzicht bei Ferkelschwänzen stellen zentral auf die Frage der Notwendigkeit dieses Eingriffs ab; eine Unterscheidung hinsichtlich des Umfangs des Einkürzens sieht das europäische Tierschutzrecht nicht vor, solange der Ferkelschwanz nicht gänzlich entfernt wird. Ergänzend dazu hat die Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) für Tierbestände, in denen das Kürzen von Ferkelschwänzen als notwendig angesehen wird, eine Vollzugsempfehlung für ein einheitliches behördliches Vorgehen in Deutschland das Handbuch "Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen" heraus gebracht. In Bezug auf das Schwänzekürzen bei Ferkeln ist darin der Hinweis enthalten, im Einzelfall das Kürzen auf ein Drittel des Schwanzes zu beschränken. 2. In Deutschland werden Schwänze von Ferkeln i.d.R. um maximal 1/3 gekürzt. Wie viele der jährlich aus den Niederlanden nach Deutschland importierten Ferkel weisen vollständig amputierte Schwänze auf? Bei einer vollständigen Amputation des Ferkelschwanzes würde dieser an dessen Ansatzstelle am Ende der Wirbelsäule abzusetzen sein; dies wäre ein schwerer invasiver Eingriff, der nur von einem Tierarzt im besonders begründeten Einzelfall bei tierärztlicher Indikation und unter Vollnarkose vorgenommen werden dürfte. Die Frage stellt jedoch offensichtlich auf das bisweilen in anderen europäischen Mitgliedsstaaten vorgenommen besonders starke Einkürzen von Ferkelschwänzen ab. Hierbei handelt es sich tierschutzfachlich um eine Teilamputation. Dazu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Was tut die Landesregierung, um auf eine EU-weite Umsetzung des Kupierverzichts von Schwänzen bei Ferkeln hinzuwirken? 4. Zur Umsetzung des Kupierverzichts hat die Agrarministerkonferenz kürzlich den „Nationalen Aktionsplan Kupierverzicht“ verabschiedet. Welche Maßnahmen regelt der Aktionsplan, um die beschriebene Wettbewerbssituation von sauenhaltenden Betrieben in Deutschland gegenüber denen in Nachbarländern zu entschärfen? 5. Bewertet die Landesregierung die von den Niederlanden initiierten Maßnahmen zur Reduzierung des routinemäßigen Schwanzkupierens als ausreichend, um zeitnah eine Reduzierung umzusetzen? Die Fragen 3, 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4755 3 Insbesondere im Hinblick auf den internationalen Ferkelhandel finden auf Landes- wie auch auf Bundesebene Abstimmungsgespräche mit den für die Ferkelverbringung nach Deutschland wichtigen Nachbarstaaten statt. In enger Zusammenarbeit findet ein regelmäßiger Austausch zum aktuellen Stand der Umsetzung der rechtlichen Anforderungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten (u.a. Dänemark und Niederlande) statt, mit dem Ziel, insbesondere im Hinblick auf den internationalen Ferkelhandel eine größtmögliche Harmonisierung der Umsetzungsschritte zu erzielen. An diesen internationalen Abstimmungsgesprächen nimmt das MULNV sachverständig teil. Im Übrigen hat auf Initiative von Nordrhein-Westfalen die Agrarministerkonferenz auf ihrer Herbstkonferenz im September 2018 einen umfassenden Beschluss zum „Aktionsplan Kupierverzicht beim Schwein“ gefasst. Dieser Beschluss enthält auch die Bitte an den Bund, im Interesse von möglichst gleichen Wettbewerbsbedingungen sich im Rahmen einer gemeinsamen Erklärung mit den zuständigen Ministerinnen und Ministern (insbesondere Belgien, Dänemark und Niederlande) hinsichtlich der Umsetzung der jeweiligen nationalen Aktionspläne abzustimmen (u. a. intensiver Austausch und Zusammenarbeit, gleichzeitige Implementierung, Abstimmung zur Kontrolle der Umsetzung z. B. über Schwerpunktkontrollen).