LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4780 10.01.2019 Datum des Originals: 10.01.2019/Ausgegeben: 15.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1834 vom 13. Dezember 2018 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4608 Sind die Fackeltätigkeiten bei der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen mit den Zielen der Luftreinhalteplanung vereinbar? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Fackeln an Raffineriestandorten sind in erster Linie eine Sicherheitseinrichtung, da es bei der Verarbeitung von Rohöl aus verschiedenen Gründen zu einer hohen Druckbelastung in den Prozessanlagen kommen kann. Auch bei der BP-Raffinerie am Standort Gelsenkirchen- Scholven kam es in den letzten Jahren immer wieder zu verstärkten Fackelaktivitäten. Häufig standen diese im Zusammenhang mit einem Ausfall der externen Stromversorgung oder eines An- und Abfahren von Anlagenteilen. Können die angefallenen Überschussgase nicht weiter verarbeitet werden, ist eine Verbrennung unter der Beigabe von Wasserdampf durchzuführen. Dabei müssen die Fackeln den Anforderungen der gesetzlichen Vorschriften und dem Stand der Technik (TA Luft) entsprechen. In der Vergangenheit wurden die Grenzwerte für die Belastung durch Benzol oder Schwermetalle im Umfeld der Chemieanlagen oft überschritten. Daraufhin hat die Bezirksregierung Münster im Jahr 2014 einen betriebsbezogenen Luftreinhalteplan für die Ruhr Oel GmbH in Scholven aufgestellt. Darin enthalten sind Maßnahmen, die eine Einhaltung der Benzol-Grenzwerte von 5 Mikrogramm im Jahresmittelwert (gemäß BImSchV) und eine Reduzierung von Fackelaktivitäten zum Ziel haben. Denn letztere sind auch immer mit einer starken Beeinträchtigung der benachbarten Anwohnerschaft durch Lichtschein, Geräuschentwicklung und Rauch verbunden. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1834 mit Schreiben vom 10. Januar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4780 2 Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) hat der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage diese so zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen werden, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Bei der Raffinerie in Gelsenkirchen Scholven handelt es sich zudem um einen Betriebsbereich der oberen Klasse gemäß 12. BImSchV (StörfallV). Nach § 3 der 12. BImSchV hat der Betreiber die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern. Dabei sind sowohl betriebliche, als auch umgebungsbedingte Gefahrenquellen, sowie Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen. Weiterhin sind vorbeugend Vorkehrungen zu treffen, um Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten. Die Beschaffenheit und der Betrieb der Anlagen im Betriebsbereich müssen zudem dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Dementsprechend ist der Betreiber gesetzlich verpflichtet, auch im Falle eines Stromausfalles entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um die Anlagen in einem sicheren Zustand zu fahren. Die zuständigen Überwachungs- und Genehmigungsbehörden konkretisieren diese Betreiberpflichten im Rahmen von Änderungs- und Neugenehmigungen und kontrollieren ihre Einhaltung im Rahmen ihrer regulären Überwachungstätigkeit. 1. Die häufigen Fackelaktivitäten der letzten Jahre am Raffineriestandort Scholven, wurden gegenüber der Öffentlichkeit meist durch den Wegfall der externen Stromversorgung begründet. Was tut die Landesregierung um dieses Versorgungsproblem zu lösen? Es wird insoweit auch auf die Vorbemerkung verwiesen. Im Rahmen der Überwachungs- und Genehmigungstätigkeit der Bezirksregierung Münster wird die Einhaltung der rechtlichen Betreiberpflichten regelmäßig überprüft. Die Sicherstellung der Stromversorgung wie auch die Maßnahmen, die bei einem Stromausfall für einen sicheren Betriebszustand notwendig sind, sind dabei als Betreiberpflichten zu sehen. In der Vergangenheit eingetretene Unterbrechungen der Stromversorgung, die zum Not-Aus mehrerer Anlagen führten, hatten verschiedene Ursachen. Es wurden daher seitens des Betreibers innerhalb und außerhalb des Werkes technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen, um die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Stromausfällen auf die Anlagen möglichst gering zu halten. Die Ruhr Oel GmbH arbeitet derzeit an weiteren Maßnahmen, die das Risiko eines flächendeckenden Stromausfalls auf dem Raffinerie-gelände wesentlich reduzieren sollen. Durch ein mittlerweile konkret geplantes Projekt soll zukünftig eine erheblich verbesserte und robustere interne Energieversorgung sichergestellt werden. Technisch bedeutet dies eine Umstellung von den derzeit einzelnen Netz-versorgungsgruppen auf ein redundantes Versorgungsringkonzept für den gesamten Standort Scholven mit jeweils drei unabhängigen Einspeisepunkten. Seitens der Landesregierung wird daher über die gesetzlichen Vorgaben hinaus kein Handlungsbedarf gesehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4780 3 2. Neben der Belastung der Luft sind Fackelaktivitäten auch immer mit Belastungen für Anwohnerinnnen und Anwohner verbunden. Was tut die Landesregierung, damit Fackelaktivitäten am Standort Scholven deutlich reduziert, ggfs. auch komplett vermieden werden? Bitte ggf. auch zeitliche Zielsetzung benennen. Generell handelt es sich bei den Fackeln um wichtige Sicherheitseinrichtungen, um überschüssige Gase gezielt und gefahrlos zu verbrennen. Zum Einsatz kommen solche Fackeln daher hauptsächlich bei Betriebsstörungen, aber auch beim An- oder Abfahren der Anlagen. Komplett vermeiden lassen sich Fackelaktivitäten daher nicht. Aus diesem Grund gibt es auch keine rechtlichen Vorgaben, wie lange und oft Fackeln brennen dürfen. Dies würde dem Konzept einer Sicherheitseinrichtung entgegenstehen. Mit Hilfe von Fackelgasrückgewinnungsanlagen können Fackelaktivitäten deutlich reduziert werden. Im Rahmen des betriebsbezogenen Luftreinhalteplans wurde eine derartige Einrichtung am Standort Scholven genehmigt und errichtet. Darüber hinaus wird seitens der Landesregierung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus kein Handlungsbedarf gesehen. 3. Auf die letzten 10 Jahre gesehen: Wie haben sich die Werte der gemessenen Schwermetall- und Benzolbelastung am Standort in Scholven entwickelt? Immissionsmessungen auf Benzol werden durch das LANUV seit 2011 systematisch vorgenommen. Vor diesem Zeitraum liegen keine Daten des LANUV vor. Die Beantwortung der Anfrage beschränkt sich damit auf dem Zeitraum seit 2011 (s. Abb. 1). Dabei wurden insbesondere am Messstandort Scholven 5 die Grenzwerte für Benzol in den Jahren 2011 und 2012 überschritten. Die anderen Messstandorte zeigten keine Überschreitungen. Seit 2013 werden an dem Standort die Jahresgrenzwerte von 5 µg/m³ unterschritten. Abbildung 1: Messwerte für Benzol am Standort Scholven 5 für die Jahre 2011-2018 Messwerte zu Schwermetallen liegen nicht direkt vor. 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 B e n z o l in µ g /m ³ Mittelwerte für Benzol am Standort Scholven 5 in µg/m³ seit 2011 Benzol LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4780 4 Durch das LANUV werden auch in Gelsenkirchen regelmäßig Immissionsmessungen auch hinsichtlich der Hintergrundbelastung u.a. von Schwermetallen durchgeführt. Die Ergebnisse und Standorte der Messungen sind unter folgenden Link veröffentlicht: https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/luft/immissionen/messorte-und-werte/ 4. Wie beurteilt die Landesregierung den Umsetzungsstand der im betriebsbezogenen Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen am Raffineriestandort Scholven? Bitte ggf. Nachbesserungsbedarf benennen. Die Maßnahmen des betriebsbezogenen Luftreinhalteplans wurden vollständig umgesetzt. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist am Rückgang der gemessenen Immissionen ablesbar. Sie liegen seit 2013 deutlich unter dem gültigen Grenzwert von 5 µg/m³ Benzol im Jahresmittel (s.a. Abb.1). Weiterhin wird durch den Betreiber die Luftqualität an 3 Stellen kontinuierlich auf Benzol überwacht. Sollten hier erhöhte Werte auftreten, werden unverzüglich Maßnahmen zur Ursachensuche und -beseitigung veranlasst.