LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 15.01.2019 Datum des Originals: 14.01.2019/Ausgegeben: 18.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1852 vom 19. Dezember 2018 der Abgeordneten Christina Weng SPD Drucksache 17/4640 Was unternimmt die Landesregierung gegen das eklatante Kostengefälle im Eigenanteil zur stationären Altenpflege zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Beim Eigenanteil zur stationären Altenpflege gehört Nordrhein-Westfalen zu den teuersten Bundesländern und liegt weit oberhalb des bundesweiten Durchschnitts. Dies gilt nicht nur für den einrichtungseinheitlichen pflegebedingten Eigenanteil. Auch bei den weiteren Kosten, die direkt an die Pflegepersonen oder deren Angehörige weitergegeben werden, wie den sogenannten „Hotelkosten“ für Unterkunft und Verpflegung, den Investitionskosten, der Ausbildungsumlage und den Kosten für Zusatzleistungen, gibt es sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen den einzelnen Kreisen teils erhebliche Unterschiede. Laut einer Erhebung von 2017 liegt Nordrhein-Westfalen beispielsweise mit über 700 Euro Eigenanteil im teuren Spitzenfeld der Bundesrepublik, das benachbarte Niedersachsen dagegen gehört mit durchschnittlich nicht einmal halb so hohen Beiträgen zu den Bundesländern mit den preisgünstigsten Bedingungen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1852 mit Schreiben vom 14. Januar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Worin sieht die Landesregierung die drastischen Unterschiede im Eigenanteil zur stationären Alterspflege zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen begründet? Die pflegebedingten Kosten in einer Einrichtung werden im Wesentlichen durch die Menge des eingesetzten Personals und dessen Bezahlung bestimmt. Sie werden in Verhandlungen zwischen den Kostenträgern in der Pflege (Pflegekassen, Träger der Sozialhilfe) und den einzelnen Leistungserbringern festgelegt. Eine Beteiligung des Landes erfolgt nicht, da es sich hierbei um eine Selbstverwaltungsaufgabe handelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 2 Aus Sicht der Landesregierung beruhen die Unterschiede beim Eigenanteil zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vermutlich auf folgenden Faktoren: Gemäß Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit liegen die monatlichen Bruttoarbeitsentgelte 2017 für Fachkräfte und Helferinnen und Helfer in der Altenpflege in Nordrhein-Westfalen mit 2.917 € für Fachkräfte und 2.215 € für Helfer deutlich höher als in Niedersachsen (2.543 € für Fachkräfte und 1.842 € für Helfer). Bei den stationär versorgten Pflegebedürftigen kamen im Jahr 2017 auf eine/einen Pflegebedürftigen in Niedersachsen 0,81 Beschäftigte und in Nordrhein-Westfalen 0,92 Beschäftigte (Berechnung auf der Basis von Vollzeitäquivalenten). 2. Wie groß sind die Differenzen zwischen dem Kreis Minden-Lübbecke und den benachbarten niedersächsischen Kreisen Osnabrück, Diepholz, Nienburg/Weser und Schaum-burg? Bitte nach kommunalscharfen Zahlen für den einrichtungseinheitlichen pflegebedingten Eigenanteil, die so genannten „Hotelkosten“, die Investitionskosten, die Ausbildungsumlage und die Kosten für Zusatzleistungen aufschlüsseln. Die Landesregierung verfügt über keine eigenen Daten zur aktuellen Höhe der Heimentgelte in dem nordrhein-westfälischen Kreis Minden-Lübbecke sowie den niedersächsischen Kreisen Osnabrück, Diepholz, Nienburg/Weser und Schaumburg. Es wurden daher bei den genannten Kreisen Daten eingeholt: Nr. Landkreis Ø EEE Pflegegrad 1 Ø EEE Pflegegrad 2-5 Ø Kosten für Unterbringung & Versorgung Ø Investitionskosten (EZ) Ø Ausbildungsumlage 1 Minden- Lübbecke keine Angabe 447,55 € 886,33 € 592,75 € 112,01 € 2 Osnabrück 990,44 € 663,52 € 595,07 € 370,55 € 54,37 € 3 Diepholz keine Angabe 395,76 € 565,20 € 370,21 € 35,59 € 4 Nienburg/ Weser 680,59 € 309,77 € 534,90 € 456,11 € keine Angabe 5 Schaumburg 658,16 € 234,38 € 532,61 € 476,76 € 24,62 € Alle Angaben beziehen sich auf monatliche Kosten. 3. Aus welchen Gründen existieren bei den Investitions-kosten deutliche Unterschiede zwischen dem Kreis Minden-Lübbecke und den genannten angrenzenden niedersächsischen Kreisen? Ein möglicher Grund für die Unterschiede bei der Höhe der Investitionskosten zwischen dem Kreis Minden-Lübbecke und den genannten angrenzenden niedersächsischen Kreisen ist aus Sicht der Landesregierung, dass in Nordrhein-Westfalen die Investitionskosten gefördert werden. Daher müssen gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI die geförderten Einrichtungen im Kreis Minden-Lübbecke die Investitionsaufwendungen, die sie den Pflegebedürftigen berechnen wollen, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe zur Genehmigung vorlegen. Rechtsgrundlagen für die Prüfung sind dabei das im Jahr 2014 in Kraft getretene Alten- und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 3 Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG) sowie die zu seiner Ausführung erlassene Verordnung (APG DVO). Diese Regelungen setzen den im Jahr 2011 vom Bundessozialgericht definierten Tatsächlichkeitsgrundsatz konsequent um. Dieser besagt nicht nur, dass dem Pflegebedürftigen lediglich die Aufwendungen berechnet werden dürfen, die dem Träger der Einrichtung tatsächlich entstanden sind, sondern auch, dass der Einrichtungsträger einen Anspruch darauf hat, alle Aufwendungen erstattet zu bekommen, die ihm entstanden sind. Dadurch, dass in Niedersachsen die Investitionskosten nicht gefördert werden, müssen die Einrichtungen der dort zuständigen Landesbehörde lediglich mitteilen, dass Investitionskosten den Pflegebedürftigen gesondert berechnet werden. Bei Pflegebedürftigen, die Anspruch auf Hilfe zur Pflege haben, ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI nur verpflichtet, wenn hierüber eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde. Was die Höhe der dabei anerkannten Investitionsaufwendungen angeht, sind die Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Verhandlungen frei, soweit die Grundsätze pflichtgemäßen Ermessens eingehalten werden. Denn diese sind Grundlage der gegebenenfalls folgenden Entscheidung der Schiedsstelle. 4. Wie plant die Landesregierung eine angehörigennahe Betreuung in der stationären Altenpflege im nordrhein-west-fälischen Grenzgebiet gewährleisten zu können, insbesondere vor dem Hintergrund der signifikanten Kostendifferenz zur niedersächsischen Peripherie? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass eine angehörigennahe Betreuung in der stationären Altenpflege im nordrhein-westfälischen Grenzgebiet derzeit nicht gewährleistet ist. Ziel der Landesregierung ist, sicherzustellen, dass jeder Mensch selbst entscheiden kann, wo er – auch bei eintretender Pflegebedürftigkeit – leben möchte. Wesentliches Problem bei der Gewährleistung einer leistungsfähigen Infrastruktur ist dabei der Fachkräftemangel in der Pflege. Hier unter-nimmt die Landesregierung derzeit erhebliche Anstrengungen, um gemeinsam mit den anderen Akteuren sicherzustellen, dass auch im nordrhein-westfälischen Grenzgebiet ausreichendes Pflegepersonal zur Verfügung steht. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass beim Wettbewerb um das benötigte Personal die bessere Bezahlung in Nordrhein-Westfalen ein Grund ist, der Pflegekräfte aus Niedersachsen dazu motiviert, in Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen zu arbeiten. Dabei hat die Landesregierung auf die personalbedingten Kosten der Pflege, wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, keinen unmittelbaren Einfluss. Ich bin der Ansicht, dass personalbedingte Pflegekostensteige-rungen nicht unbegrenzt an die Betroffenen durchgereicht werden sollen. Es unterstützt daher die durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz eingeleitete Maßnahme, 13.000 neue Stellen zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen zu schaffen und aus Mitteln der Krankenversicherung zu finanzieren. Diese Regelung ist zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Ferner haben die Länder im Rahmen der diesjährigen Arbeits- und Sozialministerkonferenz u.a. auch auf Initiative Nordrhein-Westfalens hin eine Aufforderung an die Bundesregierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 4 gerichtet, auch die restliche Finanzierung der Kosten der Behandlungspflege in Pflege-heimen systemgerecht vom SGB XI in das SGB V zu übertragen. Über diesen Weg können die auf Grund des Teilkaskosystems der Pflege-versicherung anfallenden Eigenanteile der Betroffenen begrenzt werden. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene enthält darüber hinaus die Aussage, dass die Sachleistungen der Pflegeversicherung zukünftig kontinuierlich an die Personalentwicklung angepasst werden sollen. Ich begrüße dies. Darüber hinaus existiert in Nordrhein-Westfalen mit dem Pflegewohn-geld eine Sozialleistung, die die Pflegebedürftigen, sofern die Ein-kommens- und Vermögensgrenzen nicht überschritten werden, von den Investitionsaufwendungen der Pflegeeinrichtung entlastet.