LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4864 18.01.2019 Datum des Originals: 17.01.2019/Ausgegeben: 23.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1865 vom 19. Dezember 2018 der Abgeordneten Johannes Remmel und Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4662 Welche rechtlichen Änderungen und Handlungsnotwendigkeiten sind auf Landesebene in Folge des „Brexit“ notwendig? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landesregierung hat am 12. Dezember das Brexitübergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Drs. 17/4351) in den Landtag eingebracht. Damit sind die rechtlichen Vorbereitungen des Landes auf den Brexit für eine Übergangsphase geregelt, aber insgesamt nicht abgeschlossen. Da von Seiten der EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission öffentlich geäußert wurde, dass es einen Brexit nur mit dem verhandelten Entwurf für ein Austrittsabkommen gibt oder vollständig ungeregelt, ist es derzeit sinnvoll mit zwei wahrscheinlichen Szenarien zu planen und entsprechende Vorbereitungen zu prüfen und gegebenenfalls bereits einzuleiten. Die EU-Kommission hatte im Juli alle staatlichen Akteure aufgefordert, ihre Vorbereitungen zu intensivieren und im November eigene Vorbereitungs- und Notfallmaßnahmen vorgelegt. Dahingehend muss auch für voraussichtliche rechtliche Änderungen auf Landesebene geplant werden. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 1393 (Drs. 17/3737) betonte Minister Holthoff-Pförtner, dass die Landesregierung sich auf beide Szenarien vorbereite. Es würden auch Handlungsoptionen im Falle eines Brexit ohne Austrittsabkommen geprüft. Seit Juli 2017 bestehe eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, in der Nordrhein-Westfalen nun den Vorsitz übernommen habe. Hier werde das Vorgehen „insbesondere beim Gesetzgebungsund Handlungsbedarf“ abgestimmt. Im Bericht des Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales an den Ausschuss für Europa und Internationales zum Thema „Beauftragter für die Folgen des Brexit und die transatlantischen Beziehungen“, der dem Ausschuss als Vorlage 17/318 am 22. November 2018 übersendet wurde, teilte Minister Holthoff-Pförtner mit: „Bereits unmittelbar nach dem britischen Referendum hat die Staatskanzlei gemeinsam mit den Ressorts begonnen, mögliche Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs für Nordrhein-Westfalen zu identifizieren.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4864 2 Für den Gesetzgeber, den Landtag von Nordrhein-Westfalen, ist es nicht unerheblich ausreichend früh über voraussichtliche rechtliche Änderungsnotwendigkeiten informiert zu sein und sich selbst ein Bild machen zu können. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales hat die Kleine Anfrage 1865 mit Schreiben vom 17. Januar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Gesetze und Verordnungen sind der Landesregierung aufgrund einer Ressortabfrage bekannt, die gegebenenfalls angesichts des Brexit angepasst oder geändert werden müssen? 4. Welche Gesetze oder Verordnungen müssen voraussichtlich auf Landesebene im Falle eines Brexit ohne Austrittsabkommen geändert werden? Die Fragen 1 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Landesregierung hat in Vorbereitung auf einen Brexit mit und ohne Austrittsabkommen den landesrechtlichen Anpassungsbedarf in Form eines Normenscreenings, d.h. Identifikation der Vorschriften im Landesrecht, die vom Brexit betroffen sein können, geprüft. Diese Betroffenheit kann sich unmittelbar oder mittelbar ergeben. Die Landesressorts haben bewertet, inwiefern 1. eine Anpassung in die Zuständigkeit der Landesressorts fällt, 2. eine zwingende Rechtsanpassung vor dem Brexit notwendig ist, um unzumutbare Härten für britische Staatsbürger in Nordrhein-Westfalen bei Eintritt des Brexits zu vermeiden („Notfallmaßnahmen“) und 3. eine grundsätzliche Rechtsanpassung notwendig werden kann, die jedoch auch nach dem Brexit erfolgen könnte. Im Fall eines Brexits mit Austrittsabkommen gemäß der vom Europäischen Rat im EU27- Format am 25. November 2018 gebilligten Fassung wird das Vereinigte Königreich in dem geplanten Übergangszeitraum im Anschluss an den Austritt grundsätzlich weiter als „Mitgliedsstaat“ der Europäischen Union behandelt. In dem geplanten Übergangszeitraum wird, vorbehaltlich weniger Ausnahmen, weiterhin das Unionsrecht angewendet. Zur landesrechtlichen Vorbereitung eines Austrittsszenarios mit Austrittsabkommen wird mit dem Brexitübergangsgesetz Nordrhein-Westfalen (BrexitÜG NRW) die Generalklausel des geplanten Austrittsabkommens, wonach das Vereinigte Königreich in der geplanten Übergangsphase im Anschluss an den Austritt grundsätzlich weiterhin als „Mitgliedsstaat“ der Europäischen Union behandelt wird, in das Landesrecht aufgenommen. Zu den Ausnahmen der Generalklausel gehört das Kommunalwahlrecht Nordrhein-Westfalen, das für die hier lebenden britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger entfällt. Im Fall eines Brexits ohne Austrittsabkommen wird das Vereinigte Königreich mit dem Austritt aus der Europäischen Union am 30. März 2019 als Drittstaat behandelt. In Folge der weggefallenen Mitgliedschaften in der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone werden in Nordrhein-Westfalen lebende britische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger grundsätzlich die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern aus sogenannten Drittstaaten genießen, die im Vergleich zu Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union, eingeschränkte Aufenthalts- und Arbeitsmarktzugangsrechte besitzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4864 3 Angesichts der absehbaren eingeschränkten Freizügigkeitsrechte von britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger können die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz Notfallmaßnahmen im oben beschrieben Sinne prüfen und einführen. In Abstimmung mit der Bundesregierung und den Landesregierungen der anderen Länder hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen eine fachliche Prüfung durchgeführt. Diese Prüfung ist dabei auf die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder beschränkt. Da die Freizügigkeit nicht im Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegt, hat die fachliche Prüfung der Ressorts zu Notfallmaßnahmen im oben beschriebenen Sinne für das Austrittsszenario ohne Austrittsabkommen keinen landesrechtlichen Anpassungsbedarf identifiziert. 2. Welche Gesetze oder Verordnungen müssen ergänzend zum Brexitübergangsgesetz auf Landesebene für die Übergangsphase angepasst werden? 3. Welche Gesetze oder Verordnungen müssen voraussichtlich auf Landesebene im Falle eines Brexit unter den Parametern des vorliegenden Entwurfs für ein Austrittsabkommen geändert werden? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Bezugnehmend auf die Antwort zu den Fragen 1 und 4 wird darauf hingewiesen, dass in Ergänzung zum BrexitÜG NRW und der weitestgehend fortgesetzten Anwendung von Unionsrecht in der geplanten Übergangsphase derzeit kein weiterer Anpassungsbedarf von gültigen Rechtsnormen sowie Bedarf für die Einbringung weiterer Gesetze ins Landesrecht besteht. 5. Bei welchen Gesetzen oder Verordnungen ist noch nicht klar, ob sie im Falle eines der beiden Szenarien geändert werden müssen? Für den Fall eines Brexits mit Austrittsabkommen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. Für den Fall eines Brexits ohne Austrittsabkommen wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 4 verwiesen.