LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/4951 25.01.2019 Datum des Originals: 25.01.2019/Ausgegeben: 30.01.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1841 vom 17. Dezember 2018 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4620 Wie beeinflusst die durch den Klimawandel zunehmende Dürre die geplante Befüllung der Tagebaurestseen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach aktuellen Planungen des Tagebautreibenden RWE sollen die Tagebaurestseen maßgeblich durch Wasser aus dem Rhein (Tagebaue Garzweiler und Hambach) und der Rur (Tagebau Inden) befüllt werden. Im Braunkohlenplan Garzweiler II wird davon ausgegangen, dass ab dem Jahr 2030 110 Millionen Kubikmeter pro Jahr aus dem Rhein allein für diesen Tagebau entnommen werden müssen. Für die Befüllung des Restsees Hambach wird gar von einem durchschnittlichen Seezulauf während der Befüllung von 270 Millionen Kubikmeter pro Jahr ausgegangen. Und auch für den kleineren Restsee des Tagebaus Inden werden 60 – 80 Millionen Kubikmeter pro Jahr benötigt.1 Die dramatische Trockenheit des Jahres 2018 hatte erhebliche Auswirkungen auf die Flüsse in NRW. So wurde am Rhein über Monate ein Pegel von nur 80 Zentimetern gemessen. Zwischen 1974 und 2016 ist die durchschnittliche Gewässertemperatur um 1,4 Grad Celsius gestiegen. Schon ohne eine zusätzliche Entnahme bedrohten der niedrige Wasserstand und die im Sommer hohen Wassertemperaturen Tiere und Pflanzen in den Gewässern. Industrieunternehmen konnten den Rhein nicht mehr wie gewohnt zur Kühlung verwenden und die niedrigen Pegelstände beeinträchtigten die Binnenschifffahrt bis spät in den Herbst. Die Versorgung von Tankstellen war über Wochen im Raum Köln nur eingeschränkt möglich, weil Tankschiffe nur noch mit einem Bruchteil der Kapazitäten beladen werden konnten. Die ökonomischen Auswirkungen auf Industrie- und Hafenbetriebe waren enorm. Das Voranschreiten des Klimawandels lässt weiter steigende Gewässertemperaturen und längere Trockenperioden erwarten. Ein schnelles Umsteuern hin zu effektivem Klimaschutz ist weder auf Landes-, Bundes- oder internationaler Ebene erkennbar. 1 https://www.bra.nrw.de/container/anlagen_pm/17_09_gutachten_rwth_aachen_zu_rwe_rueckstellungen.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4951 2 Die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels könnten sich durch die Entnahme von Wasser für die Befüllung der Tagebaurestseen weiter verschärfen. Der Minister für Wirtschaf, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 1841 mit Schreiben vom 25. Januar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Über welche gutachterlichen Grundlagen verfügt die Landesregierung, welche die Einschätzung der Tagebautreibenden bestätigen, dass der Rhein und die Rur auch über den gesamten geplanten Befüllungszeitraum jederzeit ausreichend Wasser führen werden, um die Befüllung der Tagebaurestseen sicherstellen zu können? 2. Auf welche Mengengerüste stützen sich die Planungen für die Wasserentnahmen genau? (Bitte für die betroffenen Flüsse angenommene Entwicklung des mittleren Wasserabflusses, geplante Entnahmemengen und zeitliche Entwicklung der Entnahmen, u.a. in Abhängigkeit von Wasserstand und Wassertemperatur, angeben.) Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß den bestehenden Braunkohlenplänen ist für die Befüllung der Tagebauseen Garzweiler und Hambach eine Flusswasserentnahme aus dem Rhein und für den Tagebau Inden eine Entnahme aus der Rur vorgesehen. Die geplanten Entnahmemengen und ihre zeitliche Entwicklung für die Befüllung der Tagebauseen stützen sich auf Prognoserechnungen des Grundwassermodells der RWE Power AG, die über Vergleichsrechnungen mit dem Grundwassermodell des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) validiert werden. Die Ergebnisse der Rechnungen liegen in vergleichbarer Größenordnung. Grundsätzlich ist eine wassertemperaturabhängige Entnahme nicht vorgesehen, weil sowohl das Verhältnis der Entnahmemenge zum Abfluss im Gewässer, als auch der wegen des vergleichbaren Witterungseinflusses voraussichtlichen ähnlichen Wassertemperaturen in Entnahme- und Zielgewässer hierzu keine Notwendigkeit ersichtlich ist. Rhein Das LANUV hat als Koordinator der Arbeitsgruppe Restsee des Monitorings Garzweiler zusammen mit dem Erftverband die zum Klimawandel und den zu erwartenden Veränderungen am Rhein bereits vorliegenden Untersuchungen im Jahre 2007 (https://www.bscw.nrw.de/pub/bscw.cgi/4820930?op=preview&back_url=4820497%3fclient_ size%3d1280x420) ausgewertet und 2016 im Rahmen des Braunkohlenteilplanverfahrens für die Rheinwassertransportleitung Garzweiler aktualisiert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung der aktuellen Klimaprognosen die Wasserentnahme aus dem Rhein zur Befüllung der Tagebauseen Garzweiler und Hambach sowie zur Versorgung der Feuchtgebiete an Niers und Schwalm aus heutiger Sicht sichergestellt ist. Im Braunkohlenplan Garzweiler II ist für den Tagebausee Garzweiler eine Befülldauer von maximal 40 Jahren vorgegeben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist für die Befüllung des Tagebausees Garzweiler eine durchschnittliche Entnahme von ca. 60 Mio. m³/a bzw. zusammen mit der Wasserversorgung für die Feuchtgebiete eine Entnahme von ca. 105 Mio. m³/a geplant. Im Zusammenhang mit dem Braunkohlenteilplanverfahren für die Sicherung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4951 3 einer Trasse für die Rheinwassertransportleitung für den Tagebau Garzweiler ist ein nach Wasserständen gestaffeltes Entnahmekonzept für die Entnahme aus dem Rhein aufgestellt worden (vgl. TOP 3 der 157. Sitzung des Braunkohlenausschusses (https://www.bezregkoeln .nrw.de/brk_internet/gremien/braunkohlenausschuss/sitzungen/sitzung_157/index.html) . Für den Tagebau Hambach ist im Braunkohlenplan Hambach festgelegt, dass die Befülldauer über einen möglichst kurzen Zeitraum zu erfolgen hat. Detailregelungen erfolgen in künftigen Genehmigungsverfahren. Rur Im Braunkohlenplanänderungsverfahren Inden, Räumlicher Teilabschnitt II, Änderungen der Grundzüge der Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung (Restsee) wurde im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung die Machbarkeit der Befüllung des Tagebausees Inden mit verschiedenen Entnahmevarianten untersucht. In der Machbarkeitsstudie „Restsee Inden – Quantifizierung der nutzbaren Entnahmemengen aus der Rur und Bewertung ihrer Auswirkungen auf das Gewässersystem der Rur“ wurde festgestellt, dass die Entnahme von Füllwasser aus der Rur in der erforderlichen Größenordnung aus hydrologischer und ökologischer Sicht für den gesamten Befüllungszeitraum von rund 30 – 40 Jahren möglich ist (https://www.bezregkoeln .nrw.de/brk_internet/leistungen/abteilung03/32/braunkohlenplanung/braunkohlenplaene /plan_inden_teilabschnitt_zwei/textliche_darstellung.pdf). Wasser aus der Rur zum Zwecke der Restseebefüllung darf nur in Zeiten entnommen werden, in denen am Pegel Jülich-Stadion ein Mindestabfluss von 5 m³/s gewährleistet ist. Im Braunkohlenplan wurde festgelegt, dass die Zeitdauer bis zur endgültigen Seeherstellung möglichst kurz gehalten werden soll. Eine auf die vorgenannte Machbarkeitsstudie aufbauende vertiefende Studie der Ingenieurgemeinschaft Sydro/Planungsbüro Koenzen (2011), die von der Geschäftsstelle des Braunkohlenausschusses beauftragt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass eine Beschleunigung der Befülldauer auf 20 bis 25 Jahre realistisch umzusetzen wäre ohne dass es in hydrologischer, gewässermorphologischer und limnologischer Hinsicht zu Nachteilen kommt. Dazu ist eine durchschnittliche Entnahme aus der Rur von ca. 60 Mio. m³/a erforderlich. Dabei wurde eine zusätzliche Seebefüllung durch die Bereitstellung von Sümpfungswasser aus dem Tagebau Hambach in einer Größenordnung von ca. 20 Mio. m³/a über zehn Jahre zu Grunde gelegt. Die Entnahme aus der Rur würde dabei nur bei Abflüssen im Mittel- und Hochwasserbereich in einer gestaffelten Größenordnung von bis zu maximal etwa 4,6 m3/s erfolgen. Die endgültigen Festlegungen werden im Rahmen der Antragstellung zur wasserrechtlichen Erlaubnis der Wasserentnahme zu prüfen sein. 3. Inwiefern wurde bisher die Häufung von extremem Niedrigwasser aufgrund des Voranschreitens des Klimawandels als Sensitivitäten in den Planungen berücksichtigt? Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entnahmen aus dem Rhein wurden 2007 und 2016 vom LANUV untersucht (siehe dazu auch Antwort zu den Fragen 1 und 2). Die dabei in den Blick genommenen Klimamodelle prognostizieren in Zukunft eine deutliche Zunahme (bis zu 35 %) der Winterniederschläge. Die sommerlichen Niederschläge nehmen ab. Durch die niederschlagsreichen Winterhalbjahre füllt sich der Grundwasserspeicher stärker auf. Der winterliche Abfluss im Rhein wird eher zunehmen. In niederschlagsarmen Sommer speist sich der Rhein hauptsächlich durch das Grundwasser. Aufgrund der zunehmenden Grundwasserneubildung sind daher im Sommer – trotz geringerer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4951 4 Niederschläge - im Bereich der Entnahme in der Regel nahezu unveränderte Abflussverhältnisse zu erwarten. Die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR) hat im Sommer 2018 auf Basis einer statistischen Auswertung historischer Abflusszeitreihen zudem festgestellt, dass eine Häufung von extremem Niedrigwasser am Rhein nicht gegeben ist (https://www.iksr.org/de/dokumentearchiv/pressemitteilungen/pressemitteilungeneinzeldarstellung /news/detail/News/neue-erkenntnisse-zu-rhein-niedrigwasser/). Im Braunkohlenplanverfahren Inden II wurde gutachterlich bestätigt festgestellt, dass - auch in Anbetracht möglicher zukünftiger klimatischer Entwicklungen - die Entnahme aus der Rur zur Befüllung des Tagebausees Inden ohne Beeinträchtigung des Ökosystems sicher möglich sein wird (siehe Antwort zu den Fragen 1 und 2). 4. Inwiefern wurde bereits geprüft, ob die Gewässerqualität des Rheins und der Rur für die Befüllung der Tagebaurestseen ausreichend ist? Rhein Die Überprüfung der Eignung der Wasserbeschaffenheit aus dem Rhein zur Befüllung des Tagebausees als auch zur Stützung der Feuchtgebiete wurde bereits im Braunkohlenplanverfahren für den Tagebau Garzweiler II durchgeführt. Auf Basis des Gutachtens wird davon ausgegangen, dass die Wasserqualität des Rheins sowohl für die Füllzeit als auch für die spätere Entwicklung des Sees geeignet ist. Die Überprüfung der Eignung des Rheinwassers für verschiedene Einsatzzwecke wird im Rahmen des Monitorings Garzweiler II fortlaufend nachvollzogen (https://www.bezregkoeln .nrw.de/brk_internet/gremien/braunkohlenausschuss/monitoring/2017.pdf). Auch im Rahmen der tatsächlichen Antragsstellung zur Wasserentnahme aus dem Rhein wird dies nochmal zu überprüfen sein. Rur In der der Genehmigung des Braunkohlenplanes Inden II, Änderungen der Grundzüge der Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung (Restsee) vom 19. Juni 2009 u.a. zu Grunde liegenden „Machbarkeitsstudie Restsee Inden – Quantifizierung der nutzbaren Entnahmemengen aus der Rur und Bewertung ihrer Auswirkungen auf das Gewässersystem der Rur“ wurde festgestellt, dass die Wasserentnahme aus der Rur zur Befüllung des Restsees Inden aus hydrologischer, gewässermorphologischer und limnologischer Sicht unter den Rahmenbedingungen von geprüften Varianten geeignet ist. Darüber hinaus ergab die Prüfung der Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf die Umwelt und die FFH-Gebiete, dass infolge der Wasserentnahme aus der Rur zur Befüllung des Restsees keine erheblichen Beeinträchtigungen der Umwelt und der FFH-Gebiete zu erwarten sind. Im Rahmen der tatsächlichen Antragsstellung zur Entnahme von Wasser aus der Rur wird dies nochmal zu überprüfen sein. 5. Wäre im Sommer 2018 die Entnahme von Wasser aus dem Rhein oder der Rur in der zur Befüllung der Tagebaurestseen notwendigen Größenordnung auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Auswirkungen auf Flora und Fauna und den Schiffsverkehr möglich bzw. zulässig gewesen? Wie in der Antwort zur den Fragen 1 und 2 bereits ausgeführt, sind die konkreten Anforderungen an die Wasserentnahme und die Auswirkungsbetrachtung im Rahmen der Antragsstellung und Bescheidung noch festzulegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/4951 5 Rhein Unter der Prämisse des in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 beschriebenen Entnahmekonzeptes hätte auch 2018 dessen Umsetzung keine relevanten Auswirkungen auf Flora und Fauna sowie den Schiffsverkehr gehabt. Die Rheinwasserstandabsenkung hätte dabei lediglich etwa 0,2 bis 0,4 cm betragen. Die reduzierte Entnahme im Niedrigwasserfall wäre anschließend durch eine erhöhte Entnahme bei stärkerer Wasserführung des Rheins wieder ausgeglichen worden. Rur Die Wasserführung der Rur ist durch die Eifel-Talsperren geprägt. Über ihren Betrieb wird eine Mindestwasserabgabe in die Rur gewährleistet, so dass sie auch in niederschlagsarmen Zeiten keine ausgeprägte Niedrigwasserführung aufweist. Der im Braunkohlenplan Inden II festgelegte Mindestabfluss von 5 m3/s am Pegel Jülich-Stadion wurde im Sommer 2018 nicht erreicht oder unterschritten, sodass eine Entnahme aus der Rur grundsätzlich möglich gewesen wäre.