LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 12.02.2019 Datum des Originals: 12.02.2019/Ausgegeben: 15.02.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1885 vom 15. Januar 2019 des Abgeordneten Michael Hübner SPD Drucksache 17/4811 Entsorgung giftiger Ölpellets: Wie viel ist der Landesregierung die Gesundheit der Anwohner wert? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Raffinerie der Ruhr Oel GmbH in Gelsenkirchen werden Rückstände der Schwerölvergasung und Rußaufbereitung in Form von Ölpellets verwertet und teilweise als Ersatzbrennstoff im benachbarten Kraftwerk Scholven verwendet. Ölpellets weisen einen hohen Anteil an Nickel und Vanadium auf und stehen deshalb im Verdacht, krebserregend zu sein. Auch die BP stuft Ölpellets als karzinogen ein. Bis 2007 wurden nahezu alle in der Raffinerie anfallenden Ölpellets im Kraftwerk Scholven verbrannt. Danach wurden die Pellets u.a. auch in anderen Kraftwerken verbrannt und auf anderen Wegen entsorgt. Von 2010 bis 2013 konnten nur 55 bis 65 Prozent der Ölpellets im Kraftwerk Scholven eingesetzt werden, ab 2014 wieder 70 bis 90 Prozent. Die restlichen Pellets wurden in der Vergangenheit u.a. illegal in einer ehemaligen Tongrube der Fa. Nottenkämper OHG in Hünxe entsorgt. Eine gezielte Entnahme dieses giftigen Abfalls ist Medienberichten zufolge nun nicht mehr möglich, eine Auskofferung mit 540 Millionen Euro wird von der Ministerin Ursula Heinen-Esser Medienberichten zufolge als zu teuer und nicht verhältnismäßig eingestuft. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1885 mit Schreiben vom 12. Februar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Wie werden Rückstände aus der Schwerölvergasung und Rußaufbereitung in anderen Raffinerien in NRW entsorgt oder weiterverwendet? 2. Werden auch Rückstände aus anderen Raffinerien in NRW als Ölpellets in Kraftwerken verbrannt? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 2 Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Neben der Ruhr Oel GmbH betreibt nur die Shell Deutschland Oil GmbH Raffinerieanlagen in NRW. Die Firma Shell Deutschland Oil GmbH betreibt nur im Werk Süd der Rheinland Raffinerie in Wesseling eine Ölvergasungsanlage. In der Anlage wird aus den dort anfallenden Rückständen Petrolkoks in einer Rußfiltration hergestellt. Dabei wird das Wasser abgefiltert und der Ruß in einer Filterpresse zusammgepresst, um ihn als Nebenprodukt weiter zu verwenden. Eine Vermischung mit Pelletisierungsöl wie bei der Herstellung der Ölpellets bei BP findet dort nicht statt. Es werden somit keine Pellets hergestellt. Der anfallende Petrolkoks aus der Ölvergasung ist als Nebenprodukt und nicht als Abfall nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz eingestuft. Das entspricht der Genehmigung für die Anlage. Der Petrolkoks wird nach Angaben der Firma Shell von der Firma Mineralplus GmbH übernommen und von dieser weiter vermarktet. Nach Aussage der Bezirksregierung kann Petrolkoks als Einsatzstoff für die thermische und /oder für die stoffliche Verwertung, z.B. als Brennstoff, Rohstoff oder Porosierungshilfsmittel eingesetzt werden. Eine zusätzliche Weiterverwendung sei die Konditionierung von Verbrennungsrückständen zur Herstellung von Deponiebaustoffen. Den Angaben der Firma Shell zufolge beschränkt sich der Einsatz von Petrolkoks aktuell auf die Verwendung als Zuschlagstoff in Ziegelwerken und für Deponiebaustoffe. 3. Ist bei einer Verbrennung von Ölpellets im Kraftwerk Scholven sichergestellt, dass diese unter den gleichen Kriterien und mit den gleichen Schutzmaßnahmen wie in einer Sondermüllverbrennungsanlage behandelt werden? Die Verbrennung im Kraftwerk Scholven erfolgt unter vergleichbaren Bedingungen wie in einer Sonderabfallverbrennungsanlage. Nach geltendem Recht (Abfall- wie Immissionsschutzrecht) ist auch die Verbrennung oder Mitverbrennung von Abfällen und anderen ähnlichen brennbaren Stoffe, die nicht Abfall oder (Regel-) Brennstoff sind, in Kraftwerken oder anderen Feuerungsanlagen zulässig. Die diesbezüglich einzuhaltenden Umweltanforderungen insbesondere hinsichtlich der Emission von Schadstoffen sind in der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen (17. BImSchV) festgelegt, die auch für die (Sonder-) Abfallverbrennung gilt. Insbesondere gelten danach für die besonders kritischen Schadstoffe, wie toxische oder krebserzeugende Schwermetalle oder organische Verbindungen gleiche Emissionsbegrenzungen für die Verbrennung in einer (Sonder-) Abfallverbrennungsanlagen wie für die Mitverbrennung in einem Kraftwerk. Die 17. BImSchV unterscheidet bei den Anforderungen auch nicht danach, ob es sich um Abfälle (einschließlich gefährlicher Abfälle) oder um ähnliche brennbare Stoffe handelt. Bei der Genehmigung für die Verbrennung der Ölpellets im Kraftwerk Scholven wurden die Anforderungen der 17. BImSchV zur Begrenzung der Emissionen zu Grunde gelegt. Insbesondere wurden für die Emissionsbegrenzung von Schwermetallen (einschließlich Nickel und Vanadium sowie für Quecksilber), für Staub, anorganische Fluorverbindungen, anorganische Chlorverbindungen und organische Stoffe sowie für Dioxine und Furane dieselben Emissionsgrenzwerte, wie sie auch für Abfallverbrennungsanlagen vorgeschrieben sind, festgelegt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 3 Für die Emissionsbegrenzung von Schadstoffen, die auch bei der Verbrennung von Regelbrennstoffen emittiert werden, wie Kohlenmonoxid, Schwefeloxide und Stickstoffoxide wurden Mischgrenzwerte unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Vorgaben der 17. BImSchV für die Mitverbrennung im Genehmigungsbescheid festgelegt. Diese Mischwerte sind höher als die Grenzwerte für reine Abfallverbrennungsanlagen, aber niedriger als die Werte nach der 13. BImSchV, die für Großfeuerungsanlagen ohne Mitverbrennung gelten. 4. Worauf ist zurückzuführen, dass der Anteil der im Kraftwerk eingesetzten Ölpellets von 2013 auf 2014 sprunghaft anstieg? Der Landesregierung ist nicht bekannt, worauf der Anstieg zurückzuführen ist. Der Anteil der Ölpellets am eingesetzten Kohlemassenstrom stieg von 0,38% auf 0,59% an und befand sich damit innerhalb des zu diesem Zeitpunkt genehmigten Rahmens von bis zu 2%. 5. Ab welchem finanziellen Aufwand erachtet die Landesregierung eine Entnahme des illegal in der ehemaligen Tongrube in Hünxe entsorgten Giftmülls aus Gründen der Gefahrenabwehr als verhältnismäßig? Der finanzielle Aufwand (Kosten) ist nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit. Eine Maßnahme ist dann verhältnismäßig, wenn sie geeignet und erforderlich und angemessen ist. Solange mehrere geeignete Maßnahmen zur Zielerfüllung zur Verfügung stehen, kann nur das mildeste Mittel erforderlich sein. Verhältnismäßig ist das mildeste Mittel dann, wenn es zusätzlich angemessen ist, also Aufwand und Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Es ist vorgesehen, die derzeit vorgesehenen Maßnahmen durch ein zusätzliches Gutachten eines unabhängigen Gutachters im Auftrag des MULNV zu überprüfen. In die Prüfung sollen alle bislang vorliegenden Daten, Ergebnisse und Entscheidungen einbezogen werden. Die Überprüfung der bisherigen gutachtlichen Schlussfolgerungen und Empfehlungen soll auch die Frage nach ggf. weitergehendem Untersuchungsbedarf einschließen. Die Ausschreibung zu diesem Gutachten soll mit allen beteiligten Behörden und Vertretern der Bürgerinitiative abgestimmt werden.