LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5106 13.02.2019 Datum des Originals: 13.02.2019/Ausgegeben: 18.02.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1949 vom 17. Januar 2019 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky AfD Drucksache 17/4937 „Hass in der Moschee – Wie radikale Imame Stimmung machen“ – das ZDF deckt auf. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Mittwoch, 14. November 2018, 22.45 Uhr, sendete das ZDF "ZDF.zoom: Hass aus der Moschee - Wie radikale Imame Stimmung machen". Der Verfassungsschutz beobachtet mittlerweile viele radikale Moscheen in Deutschland. "ZDF zoom" konnte belegen, dass Imame in ihren Predigten zu Hass aufrufen und gegen Juden und Christen hetzen. Die ZDF-Reporter Susana S. und Shams U. konfrontierten Imame mit ihren Recherchen aus „Undercover-Einsätzen“. Nach Informationen des ZDF gelten min. 100 Moscheen in Deutschland als extremistisch und werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine genaue Zahl der Moscheen will der Verfassungsschutz dabei nicht nennen. Beklagt wurde im Bericht des ZDF, dass viel beobachtet, aber wenig gehandelt wird. Selbst als islamistisch eingeschätzte Moscheen würden selten geschlossen. Genutzt werden dabei Hinterhofmoscheen, die teilweise nicht registriert sind bzw. als Verein getarnt werden. Das Team des ZDF hat im Rahmen von Undercover-Einsätzen in Berlin, Essen und Bad Kreuznach dabei neue Erkenntnisse gewonnen, Hasspredigten wurden dabei aufgedeckt. Der vom Verfassungsschutz beobachtete Hassprediger Abul B. sagte u.a., dass „jeder, der nicht ein Muslim ist, ein Kuffar sei. Diejenigen, die Kuffar sind, würden ins Höllenfeuer geworfen, weil Allah das befohlen habe. Möge Allah sie vernichten allesamt.“ Im bayerischen VS-Bericht heißt es zu Abul B.: „Abul B. ist Imam der salafistischen As-Sahaba-Moschee in Berlin-Wedding und bundesweit als Gastprediger aktiv. Zwar distanziert er sich dabei vom »Islamischen Staat«. Seine Predigten enthalten jedoch klassische Elemente des Salafismus wie die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5106 2 Erhöhung salafistischer Muslime über alle anderen Menschen, die Forderung nach einer scharfen Abgrenzung von Andersgläubigen sowie antisemitische Äußerungen. Mit Verweis auf eine vermeintliche Verschwörung des Westens gegen den Islam rechtfertigt Abul B. Gewalt als Mittel der Selbstverteidigung muslimischer Völker, deren Heimatstaaten angegriffen werden.“1 Weiterhin wurde in der Reportage von organisierten Reisen nach Saudi-Arabien berichtet, verbunden mit der Befürchtung, dass potenzielle Gefährder anschließend zurückkommen. Berichtet wurde auch darüber, dass Kinder aufgehetzt werden gegen Juden, Christen und Kuffar im Allgemeinen, was einer Indoktrinierung oftmals gleichkäme. Laut Ismail Tibi (MdL der CDU in Hessen), geht die Politik zu tolerant mit islamistischen Hasspredigern um. Bei Indoktrinierungen und Radikalisierungen in Hinterhof-Moscheen müsse man eingreifen und diese verbieten“. Christoph de Vries (MdB, CDU) beklagte einen „fehlenden Einblick deutscher Sicherheitsbehörden in das, was in den Moscheen gepredigt wird.“ Bei Hass und Hetze gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung müsste es zu Anklagen kommen – auch als Zeichen an die Szene.“ Von einer Predigt in Bad Kreuznach wurde durch Flüchtlinge berichtet, dass gesagt worden sei, dass „es nicht schlimm ist, wenn man Ungläubige tötet“. Von der Assalam Moschee in Essen wurde berichtet, dass die Täter des Anschlags auf den Sikh-Tempel in Essen2 seinerzeit Besucher der Moschee waren. In einer Predigt wurde gesagt, dass „es zum Islam und zur Scharia gehöre, wenn man gegen Ungläubige kämpft.“ Teil des Jihads sei es, wenn man „den Islam richtig schützen will, gegen die Kuffar zu kämpfen.“ Burkhard Freier, Präsident des Verfassungsschutzes NRW, sagte, dass es in den vergangenen Jahren 5 Verbote von Moscheevereinen in NRW gegeben habe. Verbote seien problematisch, weil nicht immer nachweisbar sei, dass der Moscheeverein dahintersteckt und nicht evtl. nur einzelne Prediger. Die rechtlichen Hürden zur Einleitung eines Strafverfahrens seien sehr hoch. Radikalität finde in erster Linie im Hinterhof oder privaten Räumen statt. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1949 mit Schreiben vom 13. Februar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1. Wie viele und welche Moscheen stehen aktuell im Blickfeld der Sicherheitsbehörden und des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen? Der Verfassungsschutz beobachtet zurzeit 109 Moscheen in Nordrhein-Westfalen, die islamistisch bzw. salafistisch beeinflusst sind. Diese werden wie folgt aufgeschlüsselt: 1 http://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/islamismus_erkennen_barrierefrei_neu.pdf 2 https://www.focus.de/panorama/welt/anschlag-auf-sikh-tempel-in-essen-drei-taeter-zu-jahrelangen-haftstrafenverurteilt _id_6813664.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5106 3 Salafismus: 70; Kalifatsstaat: 6; Muslimbruderschaft: 11, wobei 3 davon zugleich salafistisch sind; schiitisch extremistisch: 18; Türkische Hizbullah: 3; Ismael Aga Cemaati: 1. 2. Welche Gefahren für die Bevölkerung gehen nach Meinung der Landesregierung von Moscheen nach oben geschildertem Zuschnitt aus? Grundsätzlich bergen Moscheen bzw. Moscheevereine, in denen sich extremistische Akteure treffen oder ein Wirkungsfeld haben, das Risiko, dass Besucher mit extremistischen Ideologien indoktriniert werden und sich der Szene anschließen. Insbesondere salafistisch ausgerichtete Moscheevereine, die den mit Abstand größten Teil der beobachteten Moscheen in Nordrhein- Westfalen stellen, konnten seit dem Jahr 2017 in ihrer Bedeutung als zentrale Anlaufstelle für die Szene deutlich zurückgedrängt werden. Ich verweise hierzu auf das am 26.11.2018 dem Innenausschuss des Landtags überreichte Lagebild Salafismus, Ziffern 1.2 und 3.6 bis 3.9. 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, weitere derartige Moscheen vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, bzw. mit welchen rechtsstaatlichen Mitteln sollen diese bekämpft werden? Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet in Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags aus § 3 Absatz 1 des Verfassungsschutzgesetzes NRW (VSG NRW) alle Moscheen bzw. Moscheevereine, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen und Tätigkeiten begründen. Eine Erweiterung des derzeit beobachteten Kreises von Moscheen erfolgt jeweils, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Zwecks näherer Einzelheiten verweise ich auch insoweit auf das Lagebild Salafismus, Ziffer 3.6. Neben einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt es auch die Möglichkeit vereinsund strafrechtlicher Maßnahmen. Ob ein Moscheeverein einen der Verbotstatbestände des Vereinsgesetzes verwirklicht, ist in jedem Einzelfall in einem rechtsstaatlichen Verfahren unter Beachtung grundrechtlich geschützter Positionen zu prüfen. 4. Welche Auswirkungen haben derartige Moscheen und Hassprediger auf die Integrationsarbeit der Landesregierung, auch in Bezug auf viele Personen, die im Rahmen der Flüchtlingsbewegung seit 2015 nach NRW gekommen sind? Zu den Instrumentarien der Landesregierung im Kampf gegen Radikalisierung und Extremismus gehören neben Repression und Strafverfolgung auch Maßnahmen zur Prävention, Deradikalisierung, Aufklärung und Wertevermittlung. In diesen Arbeitsfeldern hat die Landesregierung ihre Aktivitäten spürbar ausgebaut. Zahlreiche Programme, Projekte und Ansätze sind auf die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Zugewanderten und Geflüchteten, auf die Vermittlung der Rechtsordnung und der Grundwerte sowie auf die Bekämpfung von Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit gerichtet. Dieser ganzheitliche Ansatz ist geeignet, Akteuren den Boden zu entziehen, die durch das Schüren von Feindschaft und Hass eine gesellschaftliche Spaltung herbeiführen wollen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5106 4 5. An welchen Punkten macht die Landesregierung eine Grenzüberschreitung der genutzten Religionsfreiheit fest – bezogen auf eine potentielle Relevanz für den Verfassungsschutz? Nach dem weiten Verständnis des Bundesverfassungsgerichts schützt die Religionsfreiheit aus Artikel 4 Absatz 1 GG grundsätzlich auch die Bildung, Bekundung und Betätigung extremistisch-religiöser Überzeugungen, solange sie tatsächlich glaubensgeleitet sind und nicht gegen die Menschenwürde aus Artikel 1 Absatz 1 GG verstoßen. Die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit ändert jedoch nichts an der Befugnis des Verfassungsschutzes, im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags auch solche extremistischreligiösen Bestrebungen und Tätigkeiten zu beobachten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich gegen die in § 3 Absatz 1 VSG NRW genannten Schutzgüter richten. Eine „Grenzüberschreitung“ der Religionsfreiheit ist für ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes mithin keine Voraussetzung.