LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5235 22.02.2019 Datum des Originals: 22.02.2019/Ausgegeben: 27.02.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1973 vom 28. Januar 2019 der Abgeordneten Angela Lück SPD Drucksache 17/4964 Abwesenheitsregelungen und Novellierung der Rahmenverträge in der Tages- und Nachtpflege Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bedarf an Plätzen in der Tagespflege ist nach wie vor sehr hoch. Regelmäßig müssen Anfragen von hilfesuchenden Angehörigen und Pflegebedürftigen abgelehnt werden, da ansonsten die Einrichtungen gegen die gesetzliche Vorgabe der Maximalbelegung verstoßen. Gäste der Tagespflege sind häufig krank oder sind in der Kurzzeitpflege zur Entlastung der Angehörigen. Diese Abwesenheit wird nicht vergütet und belastet die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen. (Rahmenvertrag für die Tagespflege nach § 75 Abs. 1, Abschnitt II, § 22) Zu der hohen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals sollen nun zukünftig noch jährliche unangemeldete Prüfungen stattfinden anstatt wie bisher alle drei Jahre. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 1973 mit Schreiben vom 22. Februar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wann werden die Rahmenverträge überarbeitet und in Bezug auf die Pflegestärkungsgesetze II und III angepasst? Die Rahmenverträge werden zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie des Verbands der privaten Kranken-versicherung e.V. im Land mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen geschlossen. Darüber hinaus werden die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie die Arbeitsgemeinschaften der örtlichen Träger der Sozialhilfe als Vertragspartei beteiligt. Die Landesregierung ist kein Vereinbarungspartner und hat auf die Inhalte der Rahmenverträge keinen unmittelbaren Einfluss. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5235 2 Die Rahmenvertragspartner befinden sich seit dem Jahr 2014 in Verhandlungen hinsichtlich der Überarbeitung der zum Teil seit Ende der 1990er Jahre geltenden Rahmenvertragsinhalte. Mit den Pflegestärkungsgesetzen und insbesondere der Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs waren - in Ergänzung der gültigen Rahmen-verträge - zunächst Verhandlungen zur Überleitung und Regelungen zur praktischen Umsetzung im Sinne der pflegebedürftigen Menschen erforderlich. Nach Abschluss dieses Übergangsverfahrens wurden die o.g. allgemeinen Rahmenvertragsverhandlungen im Jahr 2017 wieder aufgenommen. Eine große Herausforderung sind in diesem Zusammen-hang, gerade vor dem Hintergrund der bereits erheblichen Zuzahlungsbeträge im stationären Bereich, kostenwirksame Anpassungen, da diese in der Regel zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen gehen bzw. der Träger der Sozialhilfe. Da zwischen den Vertragsparteien offensichtlich keine Einigung hinsichtlich der Überarbeitung der Altverträge zu erzielen war, wurden Ende 2018 diese Verträge durch die Pflegekassen mit Wirkung zum 31. Dezember 2019 gekündigt. Ziel ist es, die Verhandlungen zu den neuen Rahmenverträgen in 2019 zu beenden. Falls dieses nicht gelingt, beabsichtigen die Landesverbände der Pflegekassen die Schiedsstelle anzurufen. Die Rahmenverträge enthalten auch Maßstäbe und Grundsätze für eine wirtschaftliche und leistungsbezogene, am Versorgungsauftrag orientierte personelle und sächliche Ausstattung der Pflegeeinrichtungen. Spätestens mit Vorliegen der Ergebnisse der Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonals in Pflegeeinrichtungen bis zum 30. Juni 2020 auf Bundesebene werden – je nach Verbindlichkeit der aus der Erprobung resultierenden Maßnahmen der Bundesregierung – ggf. die Regelungen zur Personalausstattung rahmenvertraglich anzupassen sein. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales verfolgt diesen Prozess kontinuierlich. 2. Wie können die Einrichtungen mit der Maximalbelegung in der Tagespflege umgehen? Nach § 38 Abs. 2 der Wohn- und Teilhabegesetz-Durchführungs-verordnung (WTG-DVO) ist bei Tagespflegeeinrichtungen eine Nettogrundfläche von 18 qm je vorgesehenem Betreuungsplatz bei der baulich-räumlichen Gestaltung vorzusehen. Die maximale Zahl der tatsächlich anzubietenden Betreuungsplätze ergibt sich rechnerisch somit aus der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gesamtnetto-grundfläche. Da der ordnungsrechtliche Schutzzweck einer Mindestflächenvorgabe nur dann erreicht werden kann, wenn jeder anwesenden betreuten Person diese Fläche auch wirklich zur Verfügung steht, ergibt sich aus der Regelung, dass eine über die sich aus der qm-Zahl/Person ergebende Maximalbelegung hinausgehende Belegung ordnungs-rechtlich grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Einrichtungen haben jedoch die Möglichkeit, eine Ausnahme gemäß § 13 WTG zu beantragen. Soweit es mit den örtlichen Gegebenheiten vereinbar erscheint und insbesondere auch zur Schaffung benötigter Kapazitäten zur ortsnahen bedarfsgerechten Versorgung geboten ist, können die WTG-Behörden im Rahmen ihres Ermessens Abweichungen zugunsten einer tage-weisen Überschreitung der maximalen Belegung zulassen, die durch entsprechende Unterschreitungen an anderen Tagen im Durchschnitt ausgeglichen wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5235 3 Die in der Arbeitsgemeinschaft nach § 17 WTG vertretenen Verbände sowie die WTG- Behörden wurden mit Erlass vom 3. Februar 2017 darüber informiert, dass vorbehaltlich der Prüfung vor Ort, keine Bedenken bestehen, wenn gestaffelt in Tagespflegeeinrichtungen mit bis zu 12 Plätzen eine Überschreitung von bis zu 2 Plätzen, bei 13 bis 18 Plätzen eine Überschreitung um 3 Plätze, bei 19 bis 24 Plätzen um 4 Plätze und bei über 25 Plätzen um bis zu 5 Plätze zugelassen wird. Eine Überschreitung darüber hinaus wird indes für unzulässig gehalten. Mit diesem Erlass wurde unter Abwägung mit dem Schutzbedürfnis der Nutzerinnen und Nutzer der Tatsache Rechnung getragen, dass in den Leistungsvereinbarungen mit den Pflegekassen gemäß § 75 SGB XI im Regelfall eine durchschnittliche Belegung Vereinbarungsgegenstand ist. Diese dürfte in den meisten Fällen der ordnungsrechtlich zulässigen Maximalbelegung entsprechen. Würde man in diesen Fällen eine Überschreitung der ordnungsrechtlich zulässigen Maximalbelegung kategorisch ausschließen, führt dies bei der Abrechnung mit den Pflege-kassen zu einer Unterfinanzierung, weil – ohne die kalkulierte „Überbelegungsmöglichkeit“ - die vereinbarte Durchschnittsbelegung nicht erreicht werden kann. 3. Warum werden die Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen nun jährlich unangekündigt überprüft anstatt wie bisher alle drei Jahre? Der Gesetzentwurf zur Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes sieht vor, dass Gasteinrichtungen jährlich im Rahmen einer unangemeldeten Regelprüfung kontrolliert werden sollen. Werden keine (wesentlichen) Mängel festgestellt, zu deren Beseitigung eine Anordnung erforderlich ist, kann der zeitliche Abstand der Regel-prüfungen auf bis zu drei Jahre ausgeweitet werden. Für mangelfreie Einrichtungen bleibt es somit dabei, dass diese wie bisher in aller Regel nur alle drei Jahre überprüft werden. Auffällige Einrichtungen werden jedoch in kürzeren Abständen als bisher überprüft. Die Änderung ist erforderlich, weil nicht zuletzt die in vielen Tagespflegeeinrichtungen festgestellten Überbelegungen (z.B. bis zu 24 Gäste statt 12) gezeigt haben, dass den qualitativen Anforderungen dieses teilstationären Angebotes nicht immer entsprochen wird. Denn den teils deutlich erhöhten Gastzahlen steht dann keine adäquate fachliche Pflege und Betreuung gegenüber. 4. Warum gibt es in Nordrhein-Westfalen für vorübergehende Abwesenheit der zu pflegenden Gäste keine Abwesenheitsregelung bzw. -vergütung? Das SGB XI sieht nur eine Abwesenheitsregelung bzw. -vergütung für die vollstationäre Dauerpflege vor. In § 43 Absatz 4 i. V. m. § 87a Absatz 1 Sätze 5 ff. SGB XI ist geregelt, dass ein Heimplatz bei Abwesenheit bis zu 42 Tage freizuhalten ist und die Einrichtung hierfür eine entsprechende Abwesenheitsvergütung erhält. Eine entsprechende Regelung für die Tagespflege gibt es weder im Leistungsrecht (vgl. § 41 SGB XI) noch in den Vorschriften zur Vergütung, §§ 84 ff. SGB XI. Die Abwesenheitsregelung des § 87a SGB XI, wonach der Pflegeplatz bei vorübergehender Abwesenheit freizuhalten ist und in den Rahmenverträgen Abschläge von mindestens 25 % der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung bei einer Abwesenheit von mehr als drei Kalendertagen vorzusehen sind, bezieht sich auf Pflegeheime. Entsprechend bestimmt § 43 Absatz 4 SGB XI, dass bei vorüber-gehender Abwesenheit die Leistungen für vollstationäre Pflege erbracht werden. Vergleichbare Regelungen für die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5235 4 teilstationäre Pflege bestehen nicht. Hieraus wird in der Praxis abgeleitet, dass kein Vergütungsanspruch gegenüber den Pflegekassen besteht. Im Gegen-zug besteht keine Pflicht, den Platz für die Zeit der Abwesenheit freizuhalten. Bei rechtzeitiger Absage kann ein Platz durch andere Gäste belegt werden. Eine Kontrolle durch die Kostenträger, inwieweit ein Tagespflegeplatz frei geblieben ist, erfolgt nicht. § 22 des Rahmenvertrags bestimmt, dass nur die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen vergütet werden. Abwesenheitszeiten werden von den Pflegekassen und den Trägern der Sozialhilfe nicht vergütet. Privatrechtliche Zahlungsverpflichtungen der Tagespflegegäste bleiben hiervon unberührt. Bei kurzfristiger Ab-wesenheit aus vom Tagespflegegast zu vertretenden Gründen werden in der Regel die tatsächlich entstandenen Kosten in Rechnung gestellt. Die Pflegekassen weisen in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der den Pflegebedürftigen zustehende Leistungsanspruch (abhängig vom Pflegegrad) nach § 41 SGB XI ansonsten durch Abwesenheitstage verringert werden würde, ohne dass die Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden. Durch eine Abwesenheits-regelung würde also in die Autonomie der Pflegebedürftigen zur Verwendung ihres Budgets eingegriffen werden. Dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sind in diesem Zusammenhang keine konkreten Problemanzeigen bekannt. Eine Abwesenheitsregelung müsste bundesgesetzlich erfolgen.