LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5238 22.02.2019 Datum des Originals: 22.02.2019/Ausgegeben: 27.02.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1917 vom 22. Januar 2019 des Abgeordneten Arndt Klocke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4895 Stellplätze für Mikrowohnungen und andere Sonderwohnanlagen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In vielen Großstädten in NRW werden sogenannte Mikrowohnanlagen geplant und gebaut. Diese sind für bestimmte Bevölkerungsgruppen konzipiert, zum Beispiel Studierende, Pendlerinnen und Pendler oder Arbeiterinnen und Arbeiter auf Montage, d.h. Personen, die nur für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel nur wenige Monate, Wohnraum in der betreffenden Stadt benötigen. Die neu gebauten Wohnanlagen sind häufig sehr groß und umfassen mehrere hundert Wohneinheiten in urbaner Lage. Laut den im Januar in Kraft getretenen Änderungen der Landesbauordnung NRW können Kommunen zwar Stellplatzsatzungen erlassen, aber nicht gänzlich auf Stellplätze verzichten. In Düsseldorf bspw. gilt für Studentenwohnheime die Regelung, dass pro 3 Wohneinheiten unter 40qm je ein Stellplatz verfügbar sein muss. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 1917 mit Schreiben vom 22. Februar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung den Trend zum Bau von Mikrowohnanlagen? Mikrowohnen bzw. Mikrowohnanlagen stellen vor dem Hintergrund einer fehlenden allgemeingültigen Definition einen Sammelbegriff für in der jeweiligen Fläche optimierte, kleine Apartments dar: Diese werden von teilmöbliert bis zur Vollausstattung angeboten und sind kurz oder dauerhaft zu mieten. Hinzu können diverse hinzubuchbare Serviceleistungen treten (serviced oder business apartments). Mikrowohnen bzw. Mikrowohnanlagen als wohnungswirtschaftliches Konzept nehmen eine Zwischenrolle zwischen dem Wohnungsmarkt und einem klassischen Beherbergungsbetrieb LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5238 2 ein. Je nach Ausprägung unterfallen dem Begriff damit auch sogenannte Apartmenthäuser (Boardinghäuser) bzw. Apartmenthotels. Mikrowohnanlagen können im Rahmen von wohnwirtschaftlichen Konzepten verschiedene Schwerpunkte haben (Business Wohnen, studentisches Wohnen etc.). Diese finden sich je nach Ausprägung in unmittelbarer bzw. mittelbarer Nähe zu Industrie- und Gewerbebetrieben bzw. zu Hochschulen, um veränderten Bedürfnissen beispielsweise im Rahmen von berufsbedingter Mobilität Rechnung zu tragen. 2. Welche Notwendigkeiten zur Änderung von Richtlinien und Verordnungen ergeben sich durch den verstärkten Bau von Mikrowohnanlagen? Die bestehenden Vorschriften über Wohngebäude bzw. Wohnungen gelten auch für Mikrowohnanlagen. Je nach Ausprägung einer Mikrowohnanlage ist ggf. auch die Sonderbaunutzungsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (Bereich: Beherbergungsstättenrecht) zu beachten. Für den Bereich der öffentlichen Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit zur Änderung der Richtlinien: Über die Wohnraumförderung wird im Wesentlichen dauerhaftes Wohnen gefördert, die Wohnflächenuntergrenze beträgt hier 35 qm. Für das Segment „Studierendenwohnen“ gibt es gemäß der Wohnraumförderbestimmungen (WFB) eine Untergrenze von 24 qm, sodass für diese Zielgruppe auch geförderte „Mikrowohnungen“ entstehen können, die auch für die Zielgruppe der Auszubildenden genutzt werden können. 3. In Köln steht zurzeit die Planung einer Anlage mit 700 Mikro-Wohneinheiten im inneren Grüngürtel zur Debatte. Welche Zahl an herzustellenden Stellplätzen für diese Wohnungen hält die Landesregierung für angemessen? Es bleibt abzuwarten, ob die Stadt Köln von der mit der neuen Landesbauordnung neugeschaffenen Möglichkeit Gebrauch macht, den Umfang der erforderlichen Stellplätze selbst durch Satzung zu regeln. Möglicherweise ist oder wird die Zahl der erforderlichen Stellplätze für das Vorhaben aber auch durch einen Bebauungsplan der Stadt Köln geregelt. Im Zusammenhang mit der Realisierung von Mikrowohnanlagen sei darauf hingewiesen, dass die spezifischen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer eine Anpassungsfähigkeit der Bauverwaltung bei der Anwendung von Bauvorschriften auf das jeweilige konkrete Projekt (je nach Ausprägung) – im Vergleich zu herkömmlichen Wohnanlagen mit einer dauerhaften Mieterstruktur – erfordern: Dies schließt den Stellplatzschlüssel mit ein. 4. Aufgrund der sehr knappen Wohnbauflächen in vielen NRW-Großstädten müssen aufgrund des notwendigen Nachweises von Stellplätzen bei fast allen neuen Gebäuden Tiefgaragen mitgeplant und gebaut werden. Dies führt zu immensen Baukostensteigerungen und wirkt sich damit unmittelbar auf den Mietpreis für die neu hergestellten Wohnungen aus. Wie will die Landesregierung dieses Dilemma zukünftig lösen? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5238 3 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung für die Kommunen, bei bestimmten Bauvorhaben, wie zum Beispiel Studentenwohnheimen oder Pflegeheimen, auf die Herstellung von Stellplätzen zu verzichten, wenn diese über eine gute bis sehr gute ÖPNV-Anbindung verfügen? Die Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1 BauO NRW 2018 entsteht die Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen, oder Garagen und Fahrradabstellplätzen dann, wenn eine Anlage errichtet wird. Unter „Errichtung“ wird in erster Linie die Neuherstellung einer solchen Anlage, aber auch die Wiederherstellung von Anlagen (§ 60 BauO NRW 2018) verstanden. Gemäß § 48 Absatz 1 Satz 4 BauO NRW 2018 entfällt die Schaffung von Stellplätzen und Fahrradabstellplätzen bei der Änderung oder Nutzungsänderung einer Anlage, wenn bei Beachtung dieser Pflicht die Schaffung und Erneuerung von Wohnraum erheblich erschwert oder verhindert würde; dabei ist auch die Möglichkeit der Ablösung zu berücksichtigen. Mit der Norm hat der Gesetzgeber der Schaffung zusätzlichen Wohnraums in bestehenden Gebäuden Vorrang vor der Erfüllung der Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen und Fahrradabstellplätzen eingeräumt (Anmerkung: Es wird auf die Handlungsempfehlungen zur BauO NRW 2018, § 48, verwiesen, die unter www.mhkbg.nrw.de zum Download zur Verfügung stehen). Die Landesregierung hat in der neuen Landesbauordnung für Kommunen die Möglichkeit geschaffen, auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse angepasste Stellplatzregelungen zu erlassen und diese Regelungen auch auf ihre Mobilitätsstrategie auszurichten. Dabei finden sowohl der Individualkraftverkehrsbedarf der Nutzer einer baulichen Anlage sowie ihre Erschließung durch den Öffentlichen Personennahverkehr Berücksichtigung bei der Entscheidung über den Umfang der Stellplätze. Eine günstige Erschließung eines Vorhabens durch den ÖPNV, die Realisation von Mobilitätsstrategien (beispielsweise über Car-Sharing) kann sich in der Regel auch verringernd auf den Individualkraftverkehrsbedarf der Nutzer auswirken und somit bei der Festsetzung eines Stellplatzschlüssels durch eine Kommune mindernd berücksichtigt werden.