LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5262 25.02.2019 Datum des Originals: 25.02.2019/Ausgegeben: 28.02.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1942 vom 23. Januar 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4930 Neuausrichtung der Inklusion lediglich Haushaltsrechnungsformel und die Bezirksregierungen weisen munter an! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Juli 2018 veröffentlichte die Landesregierung Eckpunkte zur Neuausrichtung der Inklusion. Zentraler Bestandteil war die neue Formel 25/3/1,5. In der Pressemittelung des Schulministeriums heißt es hierzu: „An den Schulen des Gemeinsamen Lernens der Sekundarstufe I gilt künftig die neue Inklusionsformel: 25 – 3 – 1,5. Das heißt: Die Schulen nehmen so viele Schülerinnen und Schüler auf, dass sie Eingangsklassen bilden können, in denen durchschnittlich 25 Schülerinnen und Schüler lernen, davon durchschnittlich drei mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Für jede dieser Klassen erhält die Schule eine halbe zusätzliche Stelle. Die tatsächliche Klassenbildung soll im Rahmen dieser Aufnahmekapazitäten dann aber den Schulen mit Blick auf ihr schulisches Konzept selbst überlassen werden.“ Am 15. Oktober 2018 folgte der Erlass zur Neuausrichtung der Inklusion an weiterführenden Schulen. Demnach weist die Schulaufsicht die Orte des Gemeinsamen Lernens zu. Die Weisung muss den Namen der Schule, die Förderschwerpunkte und die Gesamtzahl der aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler beinhalten. Schulen können nach dem Erlass nur dann Orte des Gemeinsamen Lernens werden, wenn ein schuleigenes Inklusionskonzept vorliegt, die Ausstattung mit Lehrkräften für Sonderpädagogik und die pädagogische Kontinuität gewährleistet sind und das Kollegium systematisch fortgebildet wurde bzw. wird. Landesweit erhalten die Schulträger Schreiben der Schulaufsicht mit der beabsichtigten Weisung zu den Orten des Gemeinsamen Lernens mit der Aufforderung zur schriftlichen Zustimmung. Die nach dem Erlass geforderten Voraussetzungen werden nicht geprüft bzw. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5262 2 nicht ausgeführt. Die geforderte Angabe der Gesamtzahl der aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler fehlt. Hinsichtlich der zentralen Formel wird explizit ausgeführt, dass es sich nur um eine “Haushaltsrechnungsformel“ handelt und der Klassenfrequenzrichtwert von 27 an Gesamtschulen weiter gilt. Demnach ist auch eine Beschränkung der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern wie versprochen – mit Blick auf das schulische Konzept – so nicht möglich. Eine Begrenzung darf erst erfolgen, wenn „im Durchschnitt aller Parallelklassen der jeweilige Klassenfrequenzrichtwert nicht unterschritten wird“. Eine vierzügige Gesamtschule, die in zwei Klassen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf aufnimmt, kann diese Klassen nur dann auf 25 begrenzen, wenn die anderen beiden Klassen eine Größe von jeweils 29 Schülerinnen und Schüler haben. Dies war auch schon vor dem Erlass die Sachlage. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1942 mit Schreiben vom 25. Februar 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Was hat sich durch die Neuausrichtung der Inklusion an den Klassenbildungsmöglichkeiten geändert? Weiterführenden Schulen, an denen Gemeinsames Lernen zum Schuljahr 2019/20 eingerichtet wird, wird ein Stellenbedarf anerkannt, der es ihnen ermöglicht, Eingangsklassen mit durchschnittlich 25 Schülerinnen und Schülern zu bilden. Sollten z.B. aufgrund des Mangels an Schulplätzen tatsächlich größere Eingangsklassen gebildet werden müssen, so führt das an diesen Schulen im Vergleich zu Schulen ohne Gemeinsames Lernen zu einer besseren Ressourcenausstattung. 2. Wie wird verfahren, wenn sich Schulkonferenzen gegen die Zuweisung als Schule des Gemeinsamen Lernens aussprechen? Das Handeln der Schulaufsicht ist darauf gerichtet, Gemeinsames Lernen möglichst im Einvernehmen mit den Beteiligten (Schulträger, Schule) einzurichten. Nach den seit dem Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes unveränderten Vorschriften des Schulgesetzes kann eine Schulkonferenz beschließen, der Schulaufsichtsbehörde die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens vorzuschlagen (§ 65 Satz 2 Nr. 8). Auch die Mitwirkung der Schulkonferenz beim Schulträger erstreckt sich auf den Vorschlag zur Einrichtung des Gemeinsamen Lernens (§ 76 Satz 3 Nr. 8). Die Schulaufsichtsbehörde richtet gemäß § 20 Absatz 5 Schulgesetz das Gemeinsame Lernen an einer Schule ein, auch diese schulgesetzliche Regelung besteht seit Jahren unverändert fort. 3. Warum beinhalten die Weisungen der Bezirksregierungen keine Aussagen zur Gesamtzahl der aufzunehmenden Schülerinnen und Schülern? Unter 1.7 des Runderlasses zur Neuausrichtung der Inklusion in den öffentlichen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen vom 15.10.2018 heißt es dazu: „In der Verfügung bestimmt die Schulaufsichtsbehörde, auf welchen Förderschwerpunkt oder welche Förderschwerpunkte sich das Gemeinsame Lernen an einer Schule erstreckt, sowie die mögliche Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler im Gemeinsamen Lernen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Änderungen bedürfen einer neuen Zustimmung des Schulträgers.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5262 3 Die Schulaufsicht ist verpflichtet, in ihrer Verfügung alle in Nummer 1.7 genannten Festlegungen zu treffen. Die Abstimmungsprozesse mit den Schulträgern zu den in der Verfügung zu bestimmenden Aspekten finden derzeit landesweit statt. 4. Inwieweit prüfen die Bezirksregierungen vor einer Weisung das Vorliegen eines schulischen Inklusionskonzepts sowie der systematischen Fortbildung des Kollegiums? Im Erlass vom 15.10.2018 werden zum schulischen Inklusionskonzept und zur systematischen Fortbildung folgende Vorgaben gemacht: „2.2 Für ein Angebot des Gemeinsamen Lernens ab dem Schuljahr 2019/2020 gelten im Einzelnen folgende Qualitätskriterien: 2.2.1 Ein Inklusionskonzept der Schule liegt vor oder wird mit Unterstützung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde erarbeitet.“ „2.2.3 Das Kollegium wurde oder wird systematisch im Themenfeld Inklusion fortgebildet (siehe u.a. BASS 20-22 Nr.8, Anlage 4, Kapitel V).“ Bisher bestanden durch die Vorgängerregierung keine Vorgaben zu qualitativen Standards des Gemeinsamen Lernens und somit fehlte auch die Verbindlichkeit eines Inklusionskonzepts sowie einer systematischen Fortbildung. Nach nun erfolgter Festlegung von Qualitätsstandards nehmen die zuständigen Schulaufsichtsbehörden in diesem Prozess die Aufgabe der Qualitätssicherung durch Prüfung, Beratung und Unterstützung der Schulen wahr. Ein Orientierungsrahmen für die Erstellung eines pädagogischen Konzepts zur inklusiven Bildung an Schulen des Gemeinsamen Lernens ist in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der Bezirksregierungen im Ministerium für Schule und Bildung entwickelt worden und wurde den Hauptpersonalräten vorgestellt. Er steht den Hauptansprechpartnerinnen und - ansprechpartnern für Inklusion der Bezirksregierungen zur Verfügung und ermöglicht damit auf dieser Basis eine inhaltlich-qualitative Beratung der Schulen. 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass mit der Zuweisung als Ort des Gemeinsamen Lernens die sofortigen Stellenausschreibungen für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie multiprofessionelle Fachkräfte stattfinden, damit gezielte Fortbildungen im Hinblick auf den Beginn des Schuljahrs und die notwendige Teamarbeit stattfinden können? Nach der Bestimmung der Orte des Gemeinsamen Lernens weisen die Bezirksregierungen im Bedarfsfall den Schulen Einstellungsmöglichkeiten zu. Die Schulen führen dann das Einstellungsverfahren mit Unterstützung der Einstellungsbüros der Bezirksregierungen durch. Dabei können die Schulen sich entscheiden, ob sie eine Besetzung über das Listenverfahren vornehmen oder eine entsprechende Stellenausschreibung erstellen und veröffentlichen lassen. Bereits mit dem Haushalt 2018 wurden neben 196 beibehaltenen Stellen für Lehrkräfte der Sonderpädagogik, die nach den Plänen der alten Landesregierung wegfallen sollten, auch 330 Stellen für Multiprofessionelle Teams und 400 weitere Lehrerstellen außerhalb der Sonderpädagogik zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des Gemeinsamen Lernens zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5262 4 Verfügung gestellt. Sie dienen der Unterstützung des angestrebten Bündelungsprozesses. Hierbei wurde dafür Sorge getragen, dass bereits diese Stellen insbesondere den weiterführenden Schulen zu Gute gekommen sind, die – ohne jedwede Vorfestlegung, aber aufgrund der bisherigen Erfahrungswerte – erwarten ließen, dass sie ab dem Schuljahr 2019/20 Schulen des Gemeinsamen Lernens sein könnten.