LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5287 26.02.2019 Datum des Originals: 26.02.2019/Ausgegeben: 01.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1975 vom 29. Januar 2019 der Abgeordneten Horst Becker und Arndt Klocke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4968 „Die Lüge vom sauberen LKW“ im ZDF – abgeschaltete Harnstoffeinspritzung bei LKW führt zu tausenden Tonnen Stickoxiden zusätzlich auch im Raum Köln, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet! Was unternimmt die Landesregierung um die „Hintergrundbelastung“ zu minimieren? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die von LKW ausgestoßenen Stickoxide auf den Autobahnen in NRW gelten bei der Betrachtung von Stickoxiden an den Messstellen in Städten als sogenannte Hintergrundbelastung, ähnlich wie solche aus dem Luftverkehr rund um Düsseldorf und Köln oder solche aus der Binnenschifffahrt oder den Kohlekraftwerken. Behauptet wird auch immer wieder, dass LKW per se in Bezug auf Stickoxide sauberer seien als PKW. Übersehen wird dabei regelmäßig, dass dies nur dann bei neueren LKW gilt, wenn im Verhältnis zum Verbrauch von Dieselkraftstoff fünf Prozent Harnstoff (AdBlue) eingespritzt werden. Doch AdBlue kostet Geld, und das wollen kriminelle Speditionen und Fahrer offenbar sparen. Im Internet verkaufen Anbieter Geräte, die dem LKW vorgaukeln, mit AdBlue zu fahren. Tatsächlich aber wird die Anlage schlicht lahmgelegt und sogar die Bordelektronik ausgetrickst, so dass bei oberflächlichen Kontrollen nichts Auffälliges zu sehen ist. "ZDFzoom" und "Frontal 21" berichteten mehrfach darüber, dass ihnen exklusiv Messdaten und Unterlagen vorliegen, die das ganze Ausmaß belegen. Folge: Mautbetrug in vielfacher Millionenhöhe und Umweltverschmutzung, verursacht durch kleine Elektronikbauteile, sogenannte Emulatoren oder "AdBlue-Killer". Laut ZDF soll Prof. Denis Pöhler in einer Studie der Universität Heidelberg im Auftrag des ZDF und des Verbandes für die Transportbranche "Camion Pro" herausgefunden haben: „Gut 20 Prozent aller osteuropäischen LKW fahren mit extrem auffälligen Abgaswerten. Durch die Manipulation wird die Umwelt mit bis zu 14 000 Tonnen Stickoxiden jährlich mehr belastet. Das Ausmaß ist gewaltig: Etwa 1,6 Milliarden Kilometer fahren manipulierte LKW jährlich durch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5287 2 Deutschland. Dadurch, dass die manipulierten LKW in einer falschen Maut-Klasse fahren, entgehen dem Staat Einnahmen in Höhe von bis zu 110 Millionen Euro jährlich, so eine Berechnung des Maut-Experten Prof. Kay Mitusch.“ Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 1975 mit Schreiben vom 26. Februar 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Anfrage geschilderten „AdBlue-Manipulationen" führen nach § 19 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs. Das Erlöschen der Betriebserlaubnis kann als Grundlage für die Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren, zur Untersagung der Weiterfahrt sowie zu Maßnahmen von Zulassungsbehörden nach § 5 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) dienen. „AdBlue-Manipulationen" können allerdings nur bei Kontrollen im Verkehr festgestellt werden. Im Rahmen einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO wird zwar auch eine gesonderte Untersuchung der Abgase durchgeführt, wobei sich diese auf die Beurteilung der während der Untersuchung ermittelten Werte beschränkt. Das Erkennen von „AdBlue- Manipulationen" ist technisch im Rahmen der Hauptuntersuchung nicht möglich. Zudem könnte bei der Hauptuntersuchung lediglich der vorgestellte Ist-Zustand bewertet werden. Werden „AdBlue-Manipulationen“ im Vorfeld beseitigt, so können diese nicht festgestellt werden. Und darüber hinaus unterliegen der Hauptuntersuchung nur in Deutschland zugelassene Fahrzeuge. Die regelmäßige Untersuchung ausländischer Fahrzeuge erfolgt jeweils in dem Staat, in dem das Fahrzeug zugelassen ist. 1. Welche Kontrollen gab es seit dem 01.01.2017 bis heute auf Autobahnen in NRW um solch illegales austricksen der Stickoxidminimierung bei LKW aufzudecken? 2. Was unternimmt die Landesregierung, um deutlich erhöhten Stickoxidausstoß aus derart manipulierten LKW durch Aufdeckung konsequent zu minimieren? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Überwachung des gewerblichen Personen- und Güterverkehrs zur Reduzierung der Verkehrsunfälle, insbesondere Verkehrsunfällen mit verletzen Personen, gehört zu den strategischen Schwerpunkten der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Diese Überwachung sieht einen integrativen wie ganzheitlichen Ansatz vor. Die nordrhein-westfälische Polizei überprüft unter anderem durch gemeinsame Kontrollen mit Kooperationspartnern wie dem Bundesamt für Güterverkehr, dem Zoll und der Bundespolizei die Einhaltung von Rechtsvorschriften (z. B. Verhaltens-, Ausrüstungs-, Sozialvorschriften). Es sollen so alle Verhaltensweisen bekämpft werden, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Dabei werden die Kraftfahrzeuge auch im Rahmen von technischen Unterwegskontrollen (gem. Verordnung über technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße, kurz: TechKontrollV) hinsichtlich möglicher technischer Mängel oder Veränderungen überprüft. Die spezialisierten Schwerlastgruppen der Verkehrsdienste der Autobahnpolizeien sind auch befähigt, „AdBlue-Manipulationen" festzustellen. Dazu werden spezielle Diagnosesysteme eingesetzt, mit denen eine Verbindung mit der On-Board-Diagnose (OBD)-Schnittstelle zur Fahrzeugelektronik möglich ist. Diese polizeilichen Feststellungen werden nicht gesondert erhoben, so dass dazu keine Zahlen für Nordrhein-Westfalen vorliegen. Zudem finden im Zusammenschluss von Verkehrspolizeien der EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz (TISPOL - „Traffic Information System Police“) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5287 3 europaweit miteinander abgestimmte Schwerpunktkontrollen des gewerblichen Personen- und Güterverkehrs („Operation Truck & Bus“) statt, an denen sich die Polizei Nordrhein-Westfalen beteiligt. 3. Welche Zusammenarbeit insbesondere mit Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen plant die Landesregierung, um gemeinsam solchen Manipulationen durch Kontrollen aufzudecken und zu minimieren? Eine konkrete Zusammenarbeit der Länderpolizeien dazu ist derzeit nicht geplant. 4. Welche Vorstöße im Bundesrat plant die Landesregierung, um durch bundesweite Aktionen solchen Manipulationen mittels Kontrollen aufzudecken und zu minimieren? Die Landesregierung sieht die gesetzlichen Bestimmungen, die sich mit den Folgen derartiger Manipulationen befassen (insbesondere die StVZO und die FZV), für ausreichend an. Sie hält eine Befassung des Bundesrates zur Koordinierung von Kontrollaktionen für nicht zielführend. Die Landesregierung prüft, ob eine Befassung der für die Koordinierung von Kontrollaktionen zuständigen Innenministerkonferenz zweckdienlich ist. 5. Wie schätzt die Landesregierung auf der Basis der angesprochenen Studie der Universität Heidelberg den Anteil der Stickoxidbelastungen durch derart manipulierte LKW an den Stickoxidbelastungen in Köln, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet ein? Unter Zugrundelegung der in der Anfrage genannten Zahlen könnte sich nach Schätzungen der Landesregierung eine Erhöhung der Stickstoffdioxid(NO2)-Belastung von in der Regel weniger als 0,5 μg/m³ NO2 im Jahresmittel ergeben.