LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5308 01.03.2019 Datum des Originals: 01.03.2019/Ausgegeben: 06.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1998 vom 31. Januar 2019 der Abgeordneten Jochen Ott und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/4991 Symposium „Frühstück macht Schule“ Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit der Presseinformation 69/01/2019 berichtet die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom Symposium „Frühstück macht Schule“, das am 30.01.19 in Düsseldorf stattgefunden habe. In der Pressemitteilung fordert die Ministerin eine Verbesserung der Schulverpflegung und sagt, alle müssten „an einem Strang ziehen“1. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1998 mit Schreiben vom 1. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. 1. Was sieht die Landesregierung als „das kleine Einmaleins“ (Presseinformation MULNV NRW 69/01/2019) der Ernährung an? Eine erfolgversprechende Präventionsarbeit im Ernährungsbereich fußt grundsätzlich auf zwei Säulen: der Verhaltens- und der Verhältnisprävention, das heißt dem Wissen über eine gesunde Ernährung einerseits und einem gesunden Angebot – also der tatsächlichen Verfügbarkeit von gesundem Essen – andererseits. Als erster Aspekt kommt der Ernährungsbildung eine bedeutende Rolle zu. Hierbei geht es nicht nur um die reine Wissensvermittlung und die Frage „was ist gesund und was nicht“. Es geht vielmehr um ein Gesamtbild, das vermittelt werden soll. Selbstverständlich sollen Kinder lernen, welche Lebensmittel häufiger und welche nicht so häufig verzehrt werden sollten. Darüber hinaus ist aber auch die Vermittlung einer Wertschätzung für Lebensmittel bedeutsam. Kinder sollen verstehen lernen, woher Lebensmittel kommen, wie sie produziert 1 Presseinformation MULNV NRW 69/01/2019 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5308 2 oder angebaut werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Ernährungsbildung ist zudem der Erwerb handwerklicher Kompetenzen, also das Selbermachen als Kulturtechnik. Der Umgang mit Lebensmitteln und insbesondere ihre Verarbeitung und Zubereitung muss erlernt werden. Den zweiten Aspekt stellt der konkrete Zugang von Kindern und Jugendlichen zu gesunder Ernährung dar. Das Angebot einer gesunden, schmackhaften, frischen Verpflegung muss einhergehen mit dem, was im Rahmen der Ernährungsbildung auch in Kita und Schule vermittelt wird. Schulische Ernährungsbildung – wie auch die Ernährungsbildung im Elementarbereich – hat die Aufgabe, die elterliche Erziehung zu ergänzen. Aus diesem Grund fördert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen seit zehn Jahren die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung“, die beide Aspekte in ihrem Leistungsportfolio vereint. Darüber hinaus führt sie seit Beginn der EU-Initiative in 2009 das EU-Schulobstprogramm durch, von dem aktuell rund 230.000 Kinder in NRW profitieren (siehe auch weitere Ausführungen zur schulischen Ernährungsbildung unter Frage 3). 2. In welchem Umfang werden Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrpersonal über das in der Pressemitteilung erwähnte EU-Schulprogramm über die „Bedeutung der richtigen Ernährung im Rahmen eines Schulfrühstücks aufgeklärt“ (ebd.)? Artikel 23 der EU-Basisverordnung 2016/791 zum EU-Schulprogramm sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten für eine wirksame Umsetzung des Schulprogramms auch begleitende pädagogische Maßnahmen durchführen und damit die Verteilung von Schulobst und -gemüse und Schulmilch unterstützen. Durch die pädagogische Begleitung des Programms sollen die Ernährungskompetenzen der Kinder gefördert werden, damit sie langfristig ein gesundes Essverhalten entwickeln und zudem erfahren, was in ihrer Region angebaut wird und was zu welcher Jahreszeit wächst. Begleitende Aktionen können beispielsweise Unterrichtseinheiten zum Thema „Ernährung“, ein Bauernhof-Besuch oder das Anlegen eines Schulgartens sein. Auch die gemeinsame Zubereitung der gelieferten Produkte kann die Kompetenzen im Bereich gesunde (Schul- )Ernährung stärken. Alle pädagogischen Maßnahmen werden auf der offiziellen EU-Schulprogramm NRW-Website (Link: www.schulobst-milch.nrw.de) dargestellt. Sie werden im Verlauf des Programms angepasst, um neue Erkenntnisse zu berücksichtigen, die Maßnahmen attraktiv zu halten. Um sicherzustellen, dass alle Schulen und Eltern Informationen zu den Programmteilen Schulobst und -gemüse sowie zur Schulmilch – auch als Bestandteil einer gesunden Ernährung und Schulverpflegung – erhalten, stellt das MULNV eine umfassende Broschüre bereit. Enthalten sind hier u. a. auch praktische Tipps für die Umsetzung zu Hause. 3. Welchen Einfluss auf die zukünftige Unterrichtsgestaltung soll das erwähnte Symposium haben? Ein direkter Einfluss des Symposiums „Frühstück macht Schule“ auf die Gestaltung von Schulunterricht war nicht Zielsetzung des Symposiums. Anlass für dessen Durchführung war vielmehr die erkennbare Signifikanz der Ergebnisse relevanter Erhebungen wie der DONALD (DOrtmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed)-Studie der Universtität Bonn oder der KIGGS-Studie (Langzeitstudie zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland) des Robert-Koch-Instituts. Sie konstatieren übereinstimmend, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5308 3 dass Kinder und Jugendliche mit zunehmendem Alter auf das Frühstück verzichten – auf eine Mahlzeit also, die nach Meinung vieler Experten u.a. für die geistige Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit besonders im Kindes- und Jugendalter wichtig ist. Ein gemeinsames Frühstück in der Grundschule oder das Lebensmittelangebot am Kiosk weiterführender Schulen bieten vielfältige Möglichkeiten, die Frühstückspause als Teil der Schulkultur zu begreifen. Ziel des Symposiums war es daher, aus wissenschaftlicher Sicht gemeinsam mit Praxispartnern kulturelle, ernährungsphysiologische und soziale Komponenten des (Schul)Frühstücks zu betrachten sowie Rahmenbedingungen und mögliche Handlungsansätze zu diskutieren. 4. Was unternimmt die Landesregierung abseits des EU-Schulprogramms, um das von der Ministerin erwähnte Einmaleins zu vermitteln? In Ergänzung der elterlichen Erziehung verfolgen die Schulen einen Bildungs- und Erziehungsauftrag, der Zielsetzungen einer Gesundheitserziehung und Ernährungsbildung verfolgt, siehe u.a.: 1. Das „Landesprogramm Bildung und Gesundheit“ unterstützt beispielsweise Schulen bei der Gesundheitserziehung (Link: www.bug-nrw.de). 2. Auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz zur „Verbraucherbildung an Schulen“ vom 12.09.2013 wurde in Nordrhein-Westfalen eine Rahmenvorgabe „Verbraucherbildung in Schule in der Primarstufe und Sekundarstufe I“ entwickelt. Darin wird im Bereich B „Ernährung und Gesundheit“ explizit ein Schwerpunkt auf eine „gesundheitsförderliche Ernährung und nachhaltige Lebensführung“ gelegt. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler hinsichtlich gesunder, selbstbestimmter Lebensführung und dem Erwerb reflektierter Konsumkompetenz zu unterstützen. Die Rahmenvorgabe bietet Schulen Orientierung zur Umsetzung von Verbraucherbildung im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ein Erklärvideo ist derzeit in Arbeit, das die Umsetzung in Schule und Unterricht erleichtern soll. (Link: www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_gs/vb/Rahmenvorgabe_Verbrauch erbildung_PS_SI_2017.pdf). 3. In den Bildungsgrundsätzen „Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an“ für Kinder von null bis zehn Jahren befasst sich der Bildungsbereich „Körper, Gesundheit und Ernährung“ mit den Themen zur Ernährungsbildung und Gesundheitserziehung für den Elementar- und Primarbereich und gibt Hinweise und Anregungen. (Link: www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/bildungsgrundsaetze_januar_2016.pdf) Folgende Projekte und Einrichtungen im Kontext von Ernährungsbildung und gesunder Verpflegung werden von der Landesregierung gefördert: Für Kindertageseinrichtungen (Kitas) fördert die Landesregierung zusammen mit den Gesetzlichen Krankenkassen und dem Landessportbund das Projekt „Anerkannter Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ (ABmPE). Das Gemeinschaftsprojekt will dazu beitragen, Bewegung und gesunde Ernährung spielerisch im Alltag von Kindertageseinrichtungen zu verankern. Neben einer ausführlichen Schulung im Bereich Bewegung werden Erzieher/innen und die Kita-Leitung für den Bereich gesunde Ernährung qualifiziert. ABmPE ist das zentrale Projekt der Landesinitiative „Vermeidung von Übergewicht und Adipositas“ des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5308 4 Landespräventionskonzeptes und richtet sich insbesondere an Kitas, die einen hohen Anteil von Kindern aus sozial benachteiligten Familien betreuen. Die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW“ wurde ab 2008 als zentraler landesweiter Ansprechpartner für eine qualitativ hochwertige Gemeinschaftsverpflegung und Ernährungsbildung von der Landesregierung aufgebaut und gefördert. Sie liegt in der Trägerschaft der Verbraucherzentrale NRW. Ihre Aufgabe ist die Unterstützung, Beratung und Schulung von Trägern, pädagogischen Fachkräften und Caterern rund um alle Fragen einer guten Kita- und Schulverpflegung. Verlässliche Richtschnur und Referenzrahmen sind dabei die bundesweiten Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die – wissenschaftlich fundiert und bundesweit in allen Ländern geltend – die wesentlichen Kriterien für eine optimale Verpflegung beschreiben und dabei ausdrücklich empfehlen, sich am saisonalen Angebot zu orientieren und möglichst regionale Produkte zu verwenden. Wie in der Antwort zu Frage 1 skizziert, ist auch die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung“ einerseits der Förderung eines gesunden Verpflegungsangebotes und andererseits der Ernährungsbildung und -fortbildung verpflichtet. So bietet sie neben Schulungen zu Hygiene, Ausschreibungen und Speiseplanung sowie Fortbildungen z.B. zu Frühstück und Pausenverpflegung auch Workshops für Lehrkräfte zum Thema Ernährungsbildung an, so z.B. für das interaktive Unterrichtsmodul „Ess-Kultur“. Im EU- und landesmittelfinanzierten Projekt „MehrWertKonsum“, das die Verbraucherzentrale derzeit im Auftrag des MULNV durchführt, stellt ein Schwerpunkt die klimafreundliche Gemeinschaftsverpflegung für Kitas, Schulen und Jugendherbergen dar. Auch hier gehören Erleben und Erlernen zusammen. Neben der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und der Verbesserung der Verpflegung selbst wird angestrebt, bei Kindern und Jugendlichen ein größeres Bewusstsein für dieses Themenfeld zu wecken. Zu diesem Zweck werden außer dem Coaching von Schulen auch Bildungsworkshops und praktische Aktionen für Schülerinnen und Schüler durchgeführt, die Partizipationsmöglichkeiten schaffen und Bildung für nachhaltige Entwicklung erlebbar machen. In der außerschulischen Bildung bieten die „Schülerakademien“ der NUA (BNE- Agentur/Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW) im Rahmen von „Schule der Zukunft – Bildung für Nachhaltigkeit“ bereits für Grundschulen Workshops zu den Themen gesunde nachhaltige Ernährung, Herkunft und Zubereitung von Lebensmitteln an. 5. Welchen Einfluss hat das Land NRW auf die Schulverpflegung insgesamt? Schulverpflegung gehört zu den sogenannten äußeren Schulangelegenheiten, d.h. sie ist Sache der Schulträger, also überwiegend der Kommunen. Diese entscheiden in ihrer Verantwortung über Rechts- und Betreiberform (Eigenbetrieb, Vergabe, Konzession etc.) und auch über das Verpflegungssystem. Die Landesregierung hat daher in dieser Angelegenheit keine direkte Weisungsbefugnis und kann nur mittelbar auf Schulverpflegung Einfluss nehmen. Der „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW“ kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zu: Sie ist als Hauptinstrument der Landesregierung Nordrhein-Westfalens zur Unterstützung von Schulen und Schulträgern beauftragt, die Essensqualität in Bildungseinrichtungen zu verbessern, die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bekannt zu machen und deren Umsetzung zu fördern (s.a. Antworten zu Fragen 1 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5308 5 und 3). Dabei verfolgt sie von Beginn an die Strategie, den Einrichtungen ein möglichst niedrigschwelliges Angebot zu machen, sie dort „abzuholen“, wo sie stehen und sie mit professioneller Beratung dazu zu motivieren, sich auf den Weg zu einer guten Verpflegung zu machen. Aufgrund der Rechtslage kann die Vernetzungsstelle "nur" Informa-tions-, Beratungs- und Überzeugungsarbeit leisten. Verlässliche Richtschnur und Referenzrahmen sind dabei, wie in der Antwort zu Frage 4 erwähnt, die bundesweiten DGE-Qualitätsstandards, die wissenschaftlich fundiert und bundesweit in allen Ländern geltend die wesentlichen Kriterien für eine optimale Verpflegung beschreiben und dabei ausdrücklich empfehlen, sich am saisonalen Angebot zu orientieren und möglichst regionale Produkte zu verwenden. Die Vernetzungsstelle bestärkt Schulen darin, Essen und Trinken als wichtigen Teil ihrer Schulkultur zu begreifen – wozu auch das Kennenlernen neuer Geschmacksrichtungen, Esskulturen und die Wertschätzung von Lebensmitteln gehören – und sie zu motivieren, Verpflegung zur „Chefsache“ zu machen. Die Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung in Nordrhein-Westfalen bleibt ein großes und komplexes Aufgabenfeld für die öffentliche Hand und alle beteiligten Akteure.