LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5321 07.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2001 vom 31. Januar 2019 der Abgeordneten Norwich Rüße und Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/4994 Vogelschutz an Freileitungen– Was unternimmt die Landesregierung um das Naturschutzrecht in NRW umzusetzen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mittelspannungsleitungen stellen eine Gefahr, insbesondere für große Vogelarten wie Uhu, Rotmilan, Weiß- und Schwarzstorche, dar. Durch ihre großen Flügel können die Tiere einen Kurzschluss zwischen der stromführenden Leitung und dem geerdeten Mast verursachen, der für die Vögel meist tödlich endet. Dies ist eine der Ursachen für die starke Bestandsreduzierung seltener Vogelarten. Dabei gibt es längst technische Lösungen, diese Gefahr abzuwenden. Die Netzbetreiber hatten sich bereits in den 1980er Jahren zum Entschärfen gefährlicher und zum Neubau ungefährlicher Masten verpflichtet. Da dieser Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen wurde, folgte die gesetzliche Verpflichtung im Jahr 2002. In § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ist daher geregelt, dass von Stromnetzbetreibern sowohl die Entschärfung alter vogelgefährlicher Mittelspannungsmasten, als auch der Einsatz von vogelsicheren Masttypen beim Neubau abzuverlangen ist. Um eine Reduzierung der Gefährdungen zu erzielen, wurden im Jahr 2011 mit den VDE-Anwendungsregeln „Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen“ vogelsichere Anforderungen an Mittelspannungsleitungen verbindlich festgelegt. Dieses Regelwerk ist zugleich eine allgemein anerkannte Regel der Technik im Sinne von § 49 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Der Gesetzgeber setzte den Netzbetreibern eine Umrüstungsfrist, die Ende 2012 abgelaufen ist. Hochgerechnet von erhobenen Stichproben in fünf Bundesländern, in den Versorgungsgebieten von acht Netzbetreibern, rechnet die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. (EGE) damit, dass nach wie vor mindestens 100.000 gefährliche Masten in Betrieb sind. Auch ein Rechtsgutachten der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2018 kommt zu dem Schluss, dass viele dieser Masten aufgrund der „Rechtlichen Gewährleistung des Datum des Originals: 07.03.2019/Ausgegeben: 12.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5321 Vogelschutzes an Mittelspannungsfreileitungen“ keinen Bestandsschutz genießen sollten. Somit bestätigt sich ein Vollzugsdefizit der angesprochenen naturschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2001 mit Schreiben vom 7. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die vogelsichere Umrüstung von Mittelspannungsleitungen erfolgte seit Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung im Jahr 2002 auf der Grundlage des Maßnahmenkatalogs zum „Vogelschutz an Mittelspannungsleitungen“ des Verband der Elektrizitätswirtschaft e. V. (VDEW-Maßnahmenkatalog) in der Fassung von 1991. Um den aktuellen Erkenntnissen im Vogelschutz und der technischen Weiterentwicklung der Maßnahmen Rechnung zu tragen, wurde zwischenzeitlich auf Basis des bisher zugrunde liegenden Maßnahmenkatalogs und der gewonnenen Erfahrungen die Anwendungsregel „Vogelschutz an Mittelspannungsleitungen“ (VDE-AR-N 4210-11) des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE-Anwendungsregel) erarbeitet. Diese ist seit 01.08.2011 bei der Nachrüstung und bei Neubauten verbindlich anzuwenden. Da die VDE-Anwendungsregel erst kurz vor Ablauf der gesetzlichen Umrüstungspflicht (Ende 2012) in Kraft trat, war die Frage zu klären, wie mit den Masten verfahren werden soll, die bereits nach dem alten Maßnahmenkatalog bis zum Inkrafttreten der neuen VDEAnwendungsregel umgerüstet wurden. Bei den entsprechenden Beratungen der beim Bundesumweltministerium eingerichteten Arbeitsgruppe mit Vertretern der Netzbetreiber, der Umweltministerien, der Staatlichen Vogelschutzwarten und der Naturschutzvereinigungen bestand Einigkeit, dass die bereits durchgeführten Sicherungsmaßnahmen zwar teilweise nicht den zwischenzeitlich neueren Erkenntnissen nach einer vogelsicheren Umrüstung der Mittelspannungsleitungen genügen. Im Ergebnis wurde aber festgehalten, dass eine Überprüfung der bisher durchgeführten Maßnahmen nicht vorzunehmen sei. Sofern an solchen Masten jedoch konkrete Vorfälle auftreten, haben sich die Netzbetreiber bereit erklärt, umgehend geeignete Schutzmaßnahmen nachzurüsten. Für die vogelsichere Umrüstung und die Einhaltung der vorgeschriebenen Standards sind die Netzbetreiber selbst verantwortlich. Die Landesregierung hat diesen Prozess durch regelmäßige Gespräche mit den Netzbetreibern begleitet. In Nordrhein-Westfalen verwalten die beiden Verteilnetzbetreiber Westnetz (Unternehmen der RWE Deutschland AG) und E.ON Westfalen Weser AG rd. 80% des Stromnetzes (bzw. zusammen 66.000 Mittelspannungsmasten). Die übrigen Netzbetreiber (Stadtwerke) sind im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW e.V. (Landesgruppe Nordrhein-Westfalen) zusammengeschlossen. 1. Welche Informationen zum Stand der Umsetzung hat die Landesregierung bezüglich der derzeitigen Gewährleistung der Vorgaben gemäß § 41 BNatSchG an Mittelspannungsmasten in NRW? Nach Mitteilung von Westnetz und E.ON wurde die Umrüstung der Mittelspannungsmasten bis Ende 2013 abgeschlossen. Der BDEW e.V. hatte die Unternehmen in seinem Verband mehrfach über die gesetzliche Verpflichtung informiert, notwendige Sicherungsmaßnahmen 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5321 an bestehenden Masten bis Ende 2012 durchzuführen. Der BDEW geht davon aus, dass die Unternehmen die Umrüstung fristgerecht durchgeführt haben. Im Rahmen der o. a. Abfrage bei den unteren Naturschutzbehörden haben einzelne Behörden von einer vollständigen Umsetzung in ihrem Tätigkeitsbereich berichtet. Die Landesregierung geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Vorgaben des § 41 Bundesnaturschutzgesetz zur vogelsicheren Umrüstung von Mittelspannungsmasten in Nordrhein-Westfalen eingehalten werden. 2. Wie wird die Einhaltung des § 41 BNatSchG an Mittelspannungsfreileitungen in NRW überprüft? (Bitte Systematik, Methode und Kontrollintervalle benennen.) Für die vogelsichere Umrüstung und die Einhaltung der vorgeschriebenen Standards sind die Netzbetreiber selbst verantwortlich. Angesichts der Ausführungen zu Frage 1 wird keine Notwendigkeit für eine Verifizierung der Informationen bzw. Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen durch systematische Kontrollen gesehen. 3. Wie viele Altmasten genießen nach Auffassung der Landesregierung gemäß den aktuellen Bestimmungen, trotz unzureichender Vogelschutzmaßnahmen, Bestandsschutz? (Bitte Anzahl der Masten nach Landkreisen differenziert auflisten.) Der Landesregierung liegen keine Informationen vor, wie viele auf der Grundlage des VDEWMaßnahmenkatalogs zum „Vogelschutz an Mittelspannungsleitungen“ von 1991 umgerüsteten Altmasten Bestandsschutz genießen. Die Landesregierung verweist jedoch auf die generelle Verpflichtung aller Netzbetreiber, in konkreten Fällen, bei denen Vögel an Masten verunglücken, umgehend geeignete Schutzmaßnahmen auch an den bereits nach dem VDEW-Maßnahmenkatalog gesicherten Masten durchzuführen. 4. Wie viele Verstöße gegen die VDE-Kriterien sind in NRW durch die Unteren Naturschutzbehörden seit 2012 dokumentiert worden? (Verstöße bitte nach Landkreisen und dem jeweiligen Netzbetreiber aufschlüsseln.) Im Rahmen einer Abfrage haben die unteren Naturschutzbehörden von folgenden Einzelfällen berichtet, bei denen die Vorgaben der VDE-Anwendungsregel zum Teil nicht beachtet wurden: Kreis Euskirchen: Kreis Heinsberg: Kreis Heinsberg: Rhein-Kreis Neuss: Kreis Olpe: Kreis Soest: Kreis Steinfurt: Kreis Warendorf: Westnetz GmbH Alliander GmbH NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH Bigge Energie GmbH Westnetz GmbH, Stadtwerke Soest GmbH Stadtwerke Lengerich GmbH Stadtwerke ETO GmbH & Co. KG Telgte 3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode 5. Drucksache 17/5321 Wie ist die Regulierungskammer NRW bzw. die Bundesnetzagentur bei der Durchsetzung und Kontrolle des Vogelschutzes an Energiefreileitungen gemäß der VDE-Anwendungsregel eingebunden? Die Regulierungskammer NRW betrachtet den Netzbetrieb der ihrer Zuständigkeit unterfallenden Stromverteilnetzbetreiber allein unter Kosten- bzw. Effizienzgesichtspunkten. Umweltfachliche Anforderungen an den Betrieb von Freileitungen im Allgemeinen bzw. die Umsetzung von Vogelschutzmaßnahmen im Besonderen gehören nicht zum regulierungsbehördlichen Prüfprogramm nach der Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Die Prüfung der Notwendigkeit von Vogelschutzmaßnahmen bleibt insofern den jeweiligen Planungs- und Genehmigungsverfahren vorbehalten. Dies gilt auch für Planungs- und Genehmigungsverfahren von Vorhaben in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur. Der Landesregierung liegen keine Informationen vor, dass die Naturschutzbehörden die Regulierungskammer NRW bzw. die Netzagentur kontaktiert haben. 4