LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5336 08.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2020 vom 7. Februar 2019 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/5029 Fernbleiben vom Unterricht – heutzutage #IN? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Freitag, den 18. Januar 2019, ließen Schüler in ganz Deutschland den Unterricht ausfallen, um für den Klimaschutz auf die Straßen zu gehen. Dabei zeigten sie in rund 50 Städten Präsenz. Medienberichten zurfolge blieben Schüler in Nordrhein-Westfalen dem Unterricht fern, um für Umwelt- und Klimaschutz zu demonstrieren. An der Kundgebung vor dem Düsseldorfer Rathaus nahmen etwa 300 Menschen teil. In Bonn und Münster kamen jeweils mehrere Hundert Teilnehmer zusammen. In Köln betrug die Teilnehmerzahl rund 200.1 „Friday for Future“, so der Name der Aktion, wurde von der Umweltschutzorganisation Bundjugend ins Leben gerufen. In NRW nahm der Landtagsabgeordnete der Fraktion B90/ Die Grünen, Arndt Klocke, teil. In anderen Bundesländern zeigt sich eine erste Resonanz. Der NDR führt aus, dass die Behörden auf die Aktion „mit gemischten Gefühlen“ blicken. Eine Sprecherin des Kultusministers soll „das Engagement der Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz sehr" begrüßt haben. Gleichzeitig verwies das Ministerium darauf, dass „die Voraussetzungen für eine Beurlaubung vom Unterricht“ nicht vorlägen. Die Sprecherin des Kultusministeriums deutete an, dass die Schulleitungen in diesem Fall zwischen „dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit“ und „dem staatlichen Bildungsauftrag“ abwägen müssten. Demnach könne die jeweilige Schulleitung die Unterrichtsabwesenheit für die Teilnahme an der Demonstration gegen den Klimawandel erlauben. Nach Einschätzung 1 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/nrw-schueler-demonstrieren-fuer-mehr-klimaschutz-300teilnehmer-vor-landtag-in-duesseldorf_aid-35730885 (01.02.2019). Datum des Originals: 08.03.2019/Ausgegeben: 13.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5336 der Ministeriumssprecherin müsste eigentlich „ein solcher Protest außerhalb der Schulzeit stattfinden“. Dieser Einschätzung schloss sich auch der Schulleitungsverband Niedersachsen an. Juristisch ist der Sachverhalt auch in NRW mehr als klar: „Das Recht, an öffentlichen Versammlungen, Protestzügen oder Mahnwachen teilzunehmen, wird durch Artikel 8 Abs. 1 Grundgesetz geschützt. Die Ausübung dieses Grundrechts findet ihre Schranken im staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag (Artikel 7 Grundgesetz) sowie für Schülerinnen und Schüler in den gesetzlichen Bestimmungen zur Schulpflichterfüllung. Schülerinnen und Schüler sind gemäß § 43 Abs. 1 Schulgesetz verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilzunehmen. Ihre Teilnahme an einem Schülerstreik während der Unterrichtszeit ist daher unzulässig. Je nach Grund des Streiks kann die Dokumentation eines unentschuldigten Fehlens auf dem Zeugnis im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als abschließende schulische Reaktion ausreichend sein. Schülerinnen und Schüler, die wegen einer Demonstrationsteilnahme eine Klassenarbeit oder eine Prüfungsklausur nicht mitschreiben, erbringen die Leistung aus einem von ihnen zu vertretenden Grund nicht. Die nicht erbrachte Leistung wird wie eine ungenügende Leistung bewertet (§ 48 Abs. 5 SchulG).“2 Und weiter heißt es: „Je nach Grund des Streiks kann die Dokumentation eines unentschuldigten Fehlens auf dem Zeugnis im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als abschließende schulische Reaktion ausreichend sein. Um "Schülerstreiks" und anderen kollektiven Maßnahmen zur bewussten Behinderung des Unterrichts zu begegnen, müssen die pädagogischen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Dazu sollte auch die Aufklärung der Schüler über die bestehende Rechtslage gehören. Enger Kontakt mit den Schüler- und Elternvertretungen und die Einbeziehung gemeinsamer Ausschüsse von Lehrern, Eltern und Schülern können zur Versachlichung von Konflikten beitragen. Dabei bleibt die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen nicht ausgeschlossen. Sie muss sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit richten. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2020 mit Schreiben vom 8. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. 1. 2 In welchen nordrhein-westfälischen Städten haben Demonstrationen zu den o. g. Zielen stattgefunden? (Bitte um Auflistung der Orte, Zeit und Nennung der Personenzahl und der Organisationen, die sich als Leiter bzw. Veranstalter angemeldet haben) https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Aktuelle-rechtliche-Themen/StreiksDemos/index.html (01.02.2019). 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5336 Die Zuständigkeit für die Anmeldung von Versammlungen und Veranstaltungen im Sinne des Versammlungsgesetzes liegt dezentral bei den 47 Kreispolizeibehörden (KPB). Dabei ist nicht jede Versammlung oder Veranstaltung gegenüber dem Ministerium des Innern meldepflichtig. Eine automatisierte landeszentrale Erfassung über Bestätigung oder Untersagung von Versammlungen und Veranstaltungen findet nicht statt. Die Informationen können nicht automatisiert erhoben werden. Die Erhebung erfordert eine händische Auswertung. Diese Auswertung war innerhalb der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Auf welche gesetzliche Grundlage stützt sich die Aussage der Sprecherin des Kultusministeriums, dass eine Schulleitung das Fernbleiben vom Unterricht für die Teilnahme an einer Demonstration entschuldigen darf? Die Aussage stellte eine Bezugnahme auf die grundsätzlich mögliche Beurlaubung von Schülerinnen und Schülern gemäß § 43 Absatz 4 Schulgesetz NRW zur Teilnahme z.B. an politischen Veranstaltungen, die für die Schülerin oder den Schüler eine besondere Bedeutung haben, dar (Ziffer 3.3 des RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 29.05.2015 „Teilnahme am Unterricht und an sonstigen Schulveranstaltungen“ – BASS 12-52 Nr. 1). Auf dies sowie auf Voraussetzungen für den Besuch einer politischen Veranstaltung im Klassen- oder Kursverband als Unterricht an einem außerschulischen Lernort weist auch der in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage nur unvollständig zitierte Eintrag aus dem Bildungsportal des Ministeriums für Schule und Bildung unter dem Stichwort „Was müssen Schulen und Schulleitungen beachten?“ ausdrücklich hin. 3. Haben sich Schulleiter bei dem Ministerium für Schule und Bildung oder bei den zuständigen Bezirksregierungen gemeldet und Beschwerde über die o.g. Demonstrationen geäußert? Nein. 4. Wie bewertet das zuständige Ministerium für Schule und Bildung das Fernbleiben vom Unterricht in dem o.g. Fall? 5. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung gemäß des oben zitierten Erlasses ergreifen, um das Demonstrieren während der Unterrichtszeit zu unterbinden? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Sofern eine Beurlaubung nicht erteilt wurde und die Teilnahme an einer politischen Veranstaltung während der Unterrichtszeit nicht im Rahmen des Unterrichts erfolgte, kann eine Schulpflichtverletzung vorliegen. Verfahrensvorgaben und Hinweise zu den Maßnahmen, die bei einer Verletzung der Teilnahmepflicht angewandt werden können, enthält der Runderlass „Überwachung der Schulpflicht“ des Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 04.02.2007 (BASS 12-51 Nr. 5). Die Schulleiterinnen und Schulleiter sowie die Schulaufsichtsbehörden verfügen über Erfahrungen im Umgang mit Schulpflichtverletzungen und können angemessen und 3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5336 verantwortungsvoll mit derartigen Situationen umgehen. Es ergeben sich gegenüber der üblichen Vorgehensweise bei Schulpflichtverletzungen keine Besonderheiten. Gleichwohl hat das Ministerium für Schule und Bildung die Schulen mit Schulmail vom 13. Februar 2019 nochmals über die Rechtslage informiert. 4