LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5410 14.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2039 vom 13. Februar 2019 der Abgeordneten Verena Schäffer, Josefine Paul, Matthi Bolte-Richter und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5104 Polizeieinsatz in Bielefeld bei dem Zweitligaspiel zwischen dem DSC Arminia Bielefeld und dem FC St. Pauli am 4. November 2018 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 4. November 2018 fand in Bielefeld ein Zweitligaspiel des Fußballvereins FC St. Pauli bei der DSC Arminia Bielefeld statt. Zu dieser Auswärtsbegegnung sollen laut einem Bericht der taz vom 8. November 2018 und Berichten einer Fanhilfe ca. 250 Personen aus Hamburg mit einem Regionalzug nach Bielefeld gefahren sein (https://taz.de/FC-St-Pauli-Fans-imPolizeikessel/!5546395/). Am Hauptbahnhof Osnabrück sollen Bundespolizeibeamtinnen und -beamte in den Zug gestiegen sein. Auf der Weiterfahrt des Zuges soll es auf der Strecke zwischen Osnabrück und dem Bahnhof Melle in einem Waggon zu einem Reizgaseinsatz seitens der Polizei gekommen sein. Am Bahnhof Melle in Niedersachsen sollen Fahrgäste, die in diesem Waggon saßen und wegen des Reizgaseinsatzes unter Atemnot, tränenden Augen und Übelkeit litten und aus diesem Grund den Zug verlassen wollten, am Aussteigen gehindert worden sein. Es soll in diesem Zusammenhang erneut zu einem Einsatz von Reizgas und Mehrzweckeinsatzstöcken gekommen sein. Erst am Hauptbahnhof in Bielefeld soll es den Fahrgästen gestattet worden sein, den Zug zu verlassen. Am Hauptbahnhof Bielefeld sollen die Fahrgäste des Zuges in einem abgesperrten Bereich auf dem Vorplatz in Gewahrsam genommen worden sein. In diesem Gewahrsam sollen sich auch Fans aus anderen Zügen befunden haben. Das Gewahrsam sollen die Personen nur dann verlassen haben dürfen, wenn sie sich einer Identitätsfeststellung und einer Durchsuchung unterzogen sowie einer Bildaufnahme zustimmten. Unter den in Gewahrsam Genommenen sollen sich auch Minderjährige befunden haben. Die Polizei soll mit Durchsagen über Lautsprecher darauf hingewiesen haben, dass Frauen und Kinder das Gewahrsam verlassen dürfen. Die Ingewahrsamnahme soll bis zu sechs Stunden angedauert haben. Minderjährige sollen ohne Hinzuziehen ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten weiteren polizeilichen Datum des Originals: 13.03.2019/Ausgegeben: 19.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5410 Maßnahmen unterzogen worden sein. In Gewahrsam befindliche Personen sollen daran gehindert worden sein, eine Toilette aufzusuchen. Trinkwasser soll ihnen erst nach fünf Stunden zugänglich gemacht worden sein. Im Stadion sollen Fans des FC St. Pauli bis zur Beendigung des Spiels mit einer Dauer von circa 100 Minuten den ihnen zugewiesenen Fanblock nicht verlassen haben dürfen. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2039 mit Schreiben vom 13. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Waren an den geschilderten Einsätzen Kräfte der NRW-Polizei beteiligt? (Antwort bitte unter Angabe der betreffenden Einheiten samt örtlicher Zuständigkeit.) 2. Wie verliefen die Polizeieinsätze bzw. der Polizeieinsatz aus Sicht der Polizei von NRW im Falle von Abweichungen zu den auf dem taz-Bericht beruhenden Schilderungen der Vorbemerkung? 3. Wie begründet die Landesregierung die durchgeführten Maßnahmen? (Bitte nach Maßnahmen samt gesetzlicher Grundlage getrennt begründen und insofern, falls erforderlich, nach Maßnahmen gegen Voll- und Minderjährige differenzieren.) 4. Wurden Lichtbildaufnahmen von Minderjährigen durch die Polizei NRW gefertigt? (Bitte mit Begründung und unter Angabe der zugrundeliegenden Rechtsgrundlage.) 5. Wurde für die Ingewahrsamnahmen am Hauptbahnhof und ggf. im Stadion ein gerichtlicher Beschluss erwirkt? (Bitte mit Begründung.) Die Fragen 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Im Rahmen der bahnseitigen Anreise von Gästefans zum Spiel der 2. Bundesliga zwischen dem DSC Arminia Bielefeld und dem FC St. Pauli griffen Störer aus der Anhängerschaft des FC St. Pauli Einsatzkräfte der Bundespolizei mit Schlägen, Tritten und Fahnenstangen an. Die daraufhin am Hauptbahnhof Bielefeld durchgeführten polizeilichen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung wurden durch die Bundespolizei in eigener Zuständigkeit getroffen. Zur Durchführung dieser polizeilichen Maßnahmen wurden Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Unterstützung angefordert und im Rahmen der Amtshilfe temporär unterstellt. Zu Einsatzmaßnahmen der Bundespolizei nimmt die Landesregierung keine Stellung. Gleichwohl bestand nach hier vorliegenden Informationen und in Abweichung zur Darstellung in der taz für Betroffene der polizeilichen Maßnahmen am Hauptbahnhof zumindest jederzeit die Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen. Parallel zu den Maßnahmen am Hauptbahnhof verließen etwa zur Mitte der ersten Halbzeit des Spiels (zwischen 13:46 Uhr und 13:54 Uhr) zunächst ca. 500 Anhänger des FC St. Pauli den Gästefanblock des Stadions und sammelten sich unterhalb der Gästetribüne. Hier vermummten sich Teile der Gruppe. Seitens des Veranstalters wurde in Absprache mit der polizeilichen Einsatzleitung zunächst eine Sperrung der Ausgangstore des Gästevorplatzes sowie der Ausgangstore des Gästebereiches veranlasst. Ein Betreten bzw. Verlassen des zugewiesenen Gästefanblocks war demgegenüber jederzeit möglich. Nach hier vorliegenden 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5410 Erkenntnissen wollte sich die in der Folge auf ca. 500 bis 600 Personen angewachsene und weiterhin teilweise vermummte Gruppe (ca. 14:35 Uhr) zum Hauptbahnhof Bielefeld begeben, um sich mit den dort von den Maßnahmen der Bundespolizei betroffenen Personen der Anhängerschaft des FC St. Pauli zu solidarisieren. Die Grundstimmung der Gruppe war aggressiv. Zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung von erwarteten massiven Ausschreitungen im Hauptbahnhof, wurde durch die Einsatzleitung der Polizei Bielefeld angeordnet, die Ausgangstore geschlossen zu halten. Diese Maßnahme wurde durch die Polizei Bielefeld rechtlich als Ingewahrsamnahme auf Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW klassifiziert. Augenscheinlich unbeteiligten Personen wurde der Ausgang ermöglicht, woran angesichts des laufenden Fußballspiels allerdings nahezu kein Interesse bestand. Während der Dauer der Maßnahme bestand für die betroffene Personengruppe aufgrund der Infrastruktur des Stadions durchgängig die Möglichkeit zur Ver- und Entsorgung. Die Gruppe begab sich aufgrund eines Torerfolges des FC St. Pauli kurze Zeit später nahezu geschlossen wieder zurück in den Gästefanblock. Auf die Einholung eines richterlichen Beschlusses für die Ingewahrsamnahme im Stadion wurde gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW verzichtet, da anzunehmen war, dass eine Entscheidung eines Richters erst nach Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahme ergehen würde. Die Ausgangstore wurden um 15:24 Uhr mit dem Abpfiff des Spiels geöffnet und ein geordneter Abgang der Anhänger des FC St. Pauli wurde durch die Einsatzkräfte sichergestellt. Die Ausgangstore des Stadions waren durchgängig durch Ordner des Sicherheitsdienstes besetzt. Bei entsprechendem Anlass wäre jederzeit eine Entfluchtung möglich gewesen. 3