LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5419 14.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2027 vom 4. Februar 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5042 Kohleausstieg: Heiligt der Zweck alle Mittel? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im vergangenen Jahr wurden im Hambacher Forst 86 Baumhäuser, welche gegen die BauO NRW verstießen, geräumt. Seit Ende der Räumungsarbeiten Anfang Oktober lässt die Landesregierung jedoch die Aktivisten mit teils linksextremistischem Hintergrund wieder frei gewähren. So wurden innerhalb von drei Monaten bereits 49 neue Baumhäuser sowie einzelne Bodenstrukturen errichtet. Alleine bis Ende Oktober wurden 22 Baumhäuser illegal gebaut.1 Die einzigen Maßnahmen zur Verhinderung einer erneuten Verfestigung rechtswidriger Zustände – welche bereits erfolgt ist – waren zwei Begehungen des Hambacher Forsts sowie die Einigung auf ein ressortübergreifendes Vorgehen. Konkrete Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörden kann die Landesregierung in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage „Hambitioniert Baumhäuser und Hängebrücken räumen!“ (Drucksache 17/4925) Ende Januar nicht benennen. Vergangenes Jahr ereignete sich im Zeitraum der Räumung ein tragischer Todesfall. Im Anschluss an den Unfall kam es zu einer Unterbrechung der Räumung. Minister Herbert Reul kommentierte dies im Innenausschuss am 27.09.2018 mit den Worten: „Dieser Fall hat dann dazu geführt, dass wir in der Landesregierung entschieden haben, die Räumungsaktion zu unterbrechen. Wir wussten, dass wir uns dabei auf dünnem Eis bewegen. Wenn nämlich danach, während der Unterbrechung, irgendetwas in diesem Wald passiert wäre, dann wäre die Verantwortlichkeit relativ klar gewesen. […] Wir wussten, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo weitergearbeitet werden muss, um die Gefahrenquellen im Wald zu beseitigen – und das ist auch geschehen“.2 Neben den Gefahren für Leib und Leben durch die Drucksache 17/4925 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Hambitioniert Baumhäuser und Hängebrücken räumen!“ 2 Ausschussprotokoll APr 17/388 1 Datum des Originals: 12.03.2019/Ausgegeben: 19.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5419 geschaffenen Strukturen geht von ihnen ebenfalls eine Gefährdung für die Gesellschaft aus, da sie linksextremistischen Straftätern zum Schutz und als Rückzugsort dienen. So griffen beispielsweise an den Weihnachtsfeiertagen vermummte Personen das Sicherheitscamp von RWE mit Molotowcocktails sowie Steinen an und flüchteten anschließend in den Wald.3 Obwohl mittlerweile der Abschlussbericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (Kohlekommission) bekannt wurde, in dem das Ende der Kohleverstromung festgelegt und der Erhalt des Hambacher Forsts für „wünschenswert“ erklärt wurde, wird von Braunkohlegegnern gefordert, dass die Proteste weitergehen müssen, wodurch die angespannte Lage weiter eskaliert. So sieht Antje Grothus, Mitglied der Kohlekommission, die Gefahr, „dass militante Braunkohle-Befürworter aus Frust über befürchtete Arbeitsplatzverluste den Wald zerstören“.4 Daher müsse gewährleistet sein, dass Menschen vor Ort im Wald darauf achten, dass ihm kein Schaden zugefügt werde.5 Der von ihr mit ausgehandelte und unterzeichnete Bericht der Kohlekommission geht ihr nicht weit genug. So sei es die „Pflicht aller Menschen der Zivilgesellschaft, jetzt auf die Straße zu gehen und dafür zu sorgen, dass wir noch schneller aus der Braunkohle rauskommen“ als von der Kohlekommission vorgesehen.6 Die Landtagsabgeordnete Sigrid Beer von Bündnis 90/ Die Grünen fordert, dass Schulen die Schüler für Klimaaktionen und -proteste freistellen und den Klimaprotest in den Unterricht aufnehmen.7 Eine Forderung, die beim Vorsitzenden der CDU Landtagsfraktion Bodo Löttgen auf ein solches Unverständnis stößt, dass er bei Twitter fragt, ob es als nächstes ein Notenupgrade für die Teilnahme an Protesten geben solle.8 Parallel zu den Forderungen von Sigrid Beer versucht die Jugendorganisation der Grünen, die „Grüne Jugend“, gemeinsam mit verschiedensten extremistischen und nicht extremistischen Organisationen und Einzelpersonen, Minderjährige über das Sammelbündnis „Ende Gelände“ zu mobilisieren und gibt ihnen Rechtsbelehrungen zur Teilnahme an teilweise rechtswidrigen Protestaktionen sowie zu der Verweigerung der Identitätsfeststellung.9 „Ende Gelände“ selbst „hält die kollektive Verweigerung von Personalien im Kontext der geplanten Massen!aktionen für eine sinnvolle Strategie und hat damit gute Erfahrungen gemacht“.10 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2027 mit Schreiben vom 12. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, der Ministerin für Schule und Bildung, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 3 https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/hambacher-forst-unbekannte-greifen-rwe-sicherheitscampan-15958682.html (abgerufen am 01.02.2019) 4 http://www.taz.de/!5565695/ 5 https://www.aachener-zeitung.de/nrw-region/reaktionen-von-stinksauer-und-wuetend-bisriesenfortschritt_aid-35941763 6 Ebd. 7 https://www.nw.de/nachrichten/regionale_politik/22361256_Gruene-fordern-schulfrei-fuerKlimaproteste.html 8 https://twitter.com/bodoloettgen/status/1090661771168415744?s=19 (abgerufen am 01.02.2019) 9 https://www.ende-gelaende.org/de/freundinnen/ und https://www.ende-gelaende.org/wpcontent/uploads/2018/10/Rechtshilfebroschüre-10.2018-DE.pdf (abgerufen am 01.02.2019) 10 https://www.ende-gelaende.org/wpcontent/uploads/2018/10/2018_09_30_Personalienverweigerung_2018_DE_final.pdf (abgerufen am 01.02.2019) 2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode 1. Drucksache 17/5419 Wann wird die Landesregierung handeln und die Gefahrenquellen (Baumhäuser, Hängebrücken, Barrikaden, etc.) im Hambacher Forst räumen? Es wird auf den Bericht der Landesregierung an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, Vorlage 17/1615 vom 17.01.2019 ,,Hambacher Forst - Erkenntnisse der Landesregierung über die Räumung und Beseitigung von Baumhäusern in der Zeit vom 18.09.2018 bis heute" verwiesen. Gegenwärtig werden vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, aufbauend auf Ortsbesichtigungen, Berichte der kommunalen Behörden zur Bewertung der Lage ausgewertet. Darauf aufbauend wird dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden sein. Durch Verfügungen des Landesbetriebes Wald und Holz Nordrhein-Westfalen vom 01.02.2019 sowie des Rhein-Erft-Kreises als Untere Naturschutzbehörde vom 06.02.2019 wird das Unternehmen RWE Power AG als Grundeigentümerin unter anderem dazu verpflichtet, sich regelmäßig einen Überblick über mögliche am Boden oder in Bodennähe befindliche wald- beziehungsweise landschaftsfremde Materialien im Hambacher Forst zu verschaffen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu deren Entfernung aus dem Wald bzw. den betroffenen Schutzgebieten zu ergreifen. 2. Wie viele minderjährige Personen wurden im Zusammenhang mit den AntiBraunkohle-Protesten rund um den Hambacher Forst 2018 von der Polizei ihren Eltern übergeben oder zumindest kurzzeitig in Gewahrsam genommen? Die für das Kalenderjahr 2018 erfragten Daten können nicht automatisiert erhoben werden. Die Beantwortung der Frage erfordert eine händische Auswertung aller im Sachzusammenhang stehenden polizeilichen Einsätze für diesen Zeitraum. In der für die Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist eine solche Auswertung nicht möglich. 3. Plant die Landesregierung Schüler zur Teilnahme an Demonstrationen freizustellen bzw. deren Fehlen im Unterricht nicht zu sanktionieren? Die Möglichkeiten zur Beurlaubung und Befreiung von Schülerinnen und Schülern für Veranstaltungen, die für diese eine besondere Bedeutung haben richtet sich unabhängig von der politischen Ausrichtung der Veranstaltung nach dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 29.05.2015 „Teilnahme am Unterricht und an sonstigen Schulveranstaltungen“ (BASS 12-52 Nr. 1). Die Maßnahmen bei Nichterfüllung der Teilnahmepflicht regelt der Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 04.02.2007 „Überwachung der Schulpflicht“ (BASS 12-51 Nr. 5). Eine Änderung der Rechtslage, auf die die Schulen mit Schulmail vom 13.02.2019 nochmals hingewiesen wurden, ist nicht beabsichtigt. 4. Welcher Bedarf an Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Hambacher Forsts vor „militanten Braunkohle-Befürwortern“ besteht aus Sicht der Landesregierung? Seit dem 03.10.2018 werden durchgängig polizeiliche Präsenzmaßnahmen, in Teilen auch mit Unterstützung von Kräften der Bereitschaftspolizei, in Ortschaften im Umfeld (insbesondere Manheim-alt und Morschenich) sowie in Teilen auch im Hambacher Forst selbst durchgeführt. Straftaten werden konsequent verfolgt. Dabei wird nicht zwischen Braunkohlegegnern und - 3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5419 befürwortern unterschieden. Erkenntnisse für die Existenz „militanter Braunkohle-Befürworter“ liegen derzeit nicht vor. 5. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die Situation im Hambacher Forst zu befrieden? In seiner Regierungserklärung vom 20.02.2019 hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen ein Rodungsmoratorium für den Hambacher Forst bis Herbst 2020 verkündet. Der Ministerpräsident und weitere Vertreter der Landesregierung haben die Besetzer des Hambacher Forstes mehrfach öffentlich dazu aufgerufen, den Wald friedlich zu räumen. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat in ihrer Plenarrede am 21.02.2019 erklärt, dass die Landesregierung keine rechtsfreien Räume duldet. 4