LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5455 19.03.2019 Datum des Originals: 19.03.2019/Ausgegeben: 22.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2058 vom 13. Februar 2019 des Abgeordneten Christian Dahm SPD Drucksache 17/5153 Ist die Polizei in NRW bei der Bearbeitung von Sexualdelikten überlastet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In dem Ermittlungsverfahren um den jahrelangen Missbrauchsfall in Lügde/Kreis Lippe, hat das Polizeipräsidium Bielefeld eine Ermittlungskommission eingerichtet und wird dabei vom LKA und von anderen Behörden unterstützt. Wie das Westfalen-Blatt vom 12.02.2019 berichtet (Landtags-Presseschau Seite 23, vom 12.02.2019), soll es bei der Polizei in NRW zu wenig Ermittler bei der Auswertung von Sexualdelikten, insbesondere von Kinderpornografie- Verfahren und den Verfahren von Wirtschaftskriminalität geben. Ein führender Gewerkschaftsvertreter beklagte den deutlichen Verfahrensanstieg und äußert, dass es offenbar zu wenig Auswerter in NRW geben soll. Ausweislich der Presseberichterstattung soll bei zahlreichen Verfahren die Auswertung von Datenträgern schon über ein Jahr andauern. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2058 mit Schreiben vom 19. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Wie viele Beamte und Auswerter sind in den Kreispolizeibehörden (KPB) mit der Ermittlung von Sexualdelikten und Verfahren der Wirtschaftskriminalität befasst? (Bitte nach KPB und nach Kriminalhauptstelle (KHST) und Soll/Ist-Besetzung von Beamten und Regierungsangestellten auflisten.) Die Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV) 2018 sieht für die zu Kriminalhauptstellen bestimmten Kreispolizeibehörden für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität 263 Planstellen für Beamtinnen und Beamte sowie 16 Stellen für Regierungsbeschäftigte als Stellensockel vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5455 2 Die Anzahl der Planstellen und Stellen für die Bearbeitung und Bekämpfung von Sexualdelikten ist nicht gesockelt. Den Umfang der einzusetzenden Personalressourcen in Tätigkeitsbereichen, für die die BKV keinen Stellensockel vorsieht, bestimmen die Behördenleitungen der Kreispolizeibehörden vor Ort und im Rahmen ihrer Gesamtverantwortlichkeit nach eigener Analyse und Bewertung. Mit Stand der Erhebung aus dem Personalinformationssystem der Polizei (PersIS) zum 01. Oktober 2018 verwenden die Polizeibehörden in den angefragten Deliktsbereichen folgende Anzahl von Beamtinnen und Beamten (Planstellen) sowie Regierungsbeschäftigten (Stellen): Bereich Sexualdelikte Wirtschaftskriminalität Stellenart Planstellen Stellen Planstellen Stellen alle KPB 268 6 251 13 davon in KHSt 187 6 242 11 2. Wie viele Ermittlungsverfahren in Sexualdelikten/Kinderpornografie und Wirtschaftsdelikten sind in den letzten drei (2016, 2017, 2018) Jahren in den Kreispolizeibehörden/Kriminalhauptstellen geführt worden? (Bitte detailliert darauf eingehen, wie viele Verfahren noch nicht abgeschlossen und länger als ein Jahr geführt worden sind.) Datenquelle ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. In der PKS werden ausschließlich Fälle erfasst, die hinreichend konkretisiert sind, bei der sich die Tatörtlichkeit innerhalb Deutschlands befindet und die nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Angaben zu nicht abgeschlossenen Verfahren und deren Dauer enthält die PKS nicht. Eine diesbezügliche Abfrage der Fallzahlen der 47 Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen war in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Fallzahlen der Wirtschaftskriminalität stellen sich für die nachgefragten Jahre wie folgt dar: Jahr 2016: 9480 Fälle Jahr 2017: 8650 Fälle Jahr 2018: 7690 Fälle Die Fallzahlen für die Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften stellen sich für die nachgefragten Jahre wie folgt dar: Jahr 2016: 1025 Fälle Jahr 2017: 1250 Fälle Jahr 2018: 1412 Fälle 3. In wie vielen der oben genannten Ermittlungsverfahren mussten Datenträger ausgewertet werden? (Bitte einzeln nach KPB und Dauer der Auswertung auflisten.) 4. In wie vielen noch laufenden Verfahren müssen derzeit Datenträger ausgewertet werden? (Bitte die sichergestellten Datenmengen angeben, differenziert nach Delikstarten.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5455 3 Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die nachgefragten Daten liegen an zentraler Stelle nicht vor. Eine diesbezügliche Abfrage der Fallzahlen der 47 Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen war in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie ist sichergestellt, dass in dem vorliegenden Missbrauchsfall, die 31 mutmaßlich missbrauchten Kinder betreut, beraten und begleitet werden? (Bitte Maßnahmen und Organisationen auflisten) Für die Landesregierung hat Opferschutz hohe Priorität. Opferschutz ist zudem eine Kernaufgabe der Polizei Nordrhein-Westfalen. Alle 47 Kreispolizeibehörden haben Opferschutzbeauftragte benannt und Regelungen zum Opferschutz getroffen. Polizeilicher Opferschutz und die Weitervermittlung an Opferhilfe sollen dazu beitragen, Menschen, die durch Straftaten oder Unglücksfälle in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt wurden, vor weiteren Gefahren zu schützen und ihnen Hilfen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes anzubieten bzw. zu vermitteln. Polizeilicher Opferschutz beginnt bereits beim Erstkontakt mit dem Opfer. Die einzelnen Maßnahmen haben zum Ziel, zu informieren, zu betreuen und zu begleiten. Dies gilt auch für die Opfer der Missbrauchsfälle in Lügde. Die sorgeberechtigten Eltern wurden in die Opferschutzmaßnahmen eng eingebunden und darüber informiert, dass vor Durchführung aller Maßnahmen, die ihre Kinder betreffen, ihre Zustimmung eingeholt wird. Informationen erfolgten ebenfalls zum Ablauf des Strafverfahrens, über rechtliche Möglichkeiten der Nebenklage, Opferanwalt, Adhäsion und über die Stellung eines Antrags nach dem Opferentschädigungsgesetz. Da die Eltern immer auch mittelbare Opfer sind, hat das Polizeipräsidium Bielefeld über eine Frauenberatungsstelle deren Unterstützung sichergestellt. Begleitende Maßnahmen umfassen insbesondere psychosoziale Prozessbegleitungen. Dazu hat das Polizeipräsidium Bielefeld den Kontakt zu dem Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz und zu einer ärztlichen Beratungsstelle hergestellt. Entsprechende Maßnahmen wurden von dort zugesagt. Über ein Beratungszentrum wurde eine kurzfristige Terminvergabe bei Psychologen und Kinder-Psychotherapeuten gewährleistet. Mit der Opferschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Polizeipräsidium Bielefeld eine Kooperation vereinbart; mehrere Abstimmungsgespräche sind erfolgt. Es besteht ein regelmäßiger Austausch zwecks Datenübermittlung zur Betreuung der betroffenen Familien. Zur Begleitung und Betreuung der Opfer in Niedersachsen fanden zudem Koordinierungsgespräche mit der Polizeidirektion Göttingen, Dezernat 11, Sachgebiet Opferschutz, statt. Darüber hinaus hat der Kreis Lippe weitere Maßnahmen veranlasst, um den Opfern und ihren Familien die notwendigen Hilfen bereit zu stellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5455 4 So wurde eine Telefonhotline geschaltet, Elternbriefe über Kitas und Schulen verteilt und vor Ort ein Beratungsangebot mit einem freien Träger etabliert. Jugendamt, Gesundheitsamt und Polizei haben ebenfalls einen neuen Arbeitskreis „Kinderschutz“ mit dem Ziel eingerichtet, Schnittstellen zu verbessern und gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen. Weitere konkrete Maßnahmen zur Information, Aufklärung und Qualifizierung sind in Vorbereitung. Der Kreis Lippe hat ebenfalls die freien Träger der Jugendhilfe (ambulant und stationär) zu einem offenen Dialog eingeladen, um über Schnittstellenverbesserung und gemeinsame mögliche Präventions- und Handlungsmöglichkeiten zu sprechen.