LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5487 20.03.2019 Datum des Originals: 19.03.2019/Ausgegeben: 25.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2015 vom 6. Februar 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer und Josefine Paul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5018 Kampf der FDP-Ministerien um Grundschullehrkräfte – wer treibt welches Spiel in der Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Mangel an Lehrkräften ist in allen Schulformen ein Problem, in der Grundschule ist er aber besonders akut. Das wird in Zukunft noch dramatischer werden, weil Studierende eher andere Lehrämter wählen und damit auch in Zukunft zu wenige Lehramtsabsolventinnen und – absolventen des Grundschullehramtes zur Verfügung stehen werden. Das hat die Landesregierung in ihrer Lehrerprognose bestätigt und sieht bis Anfang der dreißiger Jahre die Situation als kritisch an. Zur mangelnden Attraktivität des Grundschullehramtes im Vergleich zu anderen trägt sicher auch die ungleiche Bezahlung trotz der Reform der Lehrerausbildung bei. Die Schulministerin Gebauer (FDP) kann sich aber offensichtlich bislang nicht in der Landesregierung durchsetzen. Die Landesregierung drückt sich seit anderthalb Jahren um eine Entscheidung in der Frage, während andere Bundesländer durch eine angepasste Bezahlung Lehrkräfte aus NRW abwerben. Die Schulministerin hat zwei Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, die den Lehrermangel kurz- und mittelfristig abschwächen sollen. Dazu gehören Maßnahmen wie die zeitweise Gewinnung von Lehramtsabsolventinnen und –absolventen der Sekundarstufe II, in der es einen Überhang gibt, für das Grundschullehramt. Gleichzeitig haben wir im Land eine breite Diskussion um eine überfällige Reform im Kita- Bereich, mit dem die angemessene Qualität geschaffen bzw. gesichert werden soll. Dreh- und Angelpunkt ist nach Überzeugung aller Beteiligten die personelle Ausstattung der Einrichtungen. Aber auch hier ist NRW mit einem Mangel an ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern konfrontiert, auch hier spielt die Frage einer angemessenen, wertschätzenden und attraktiven Bezahlung eine Rolle - oder besser gesagt: deren Fehlen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5487 2 Die Landesregierung hat in ihrer Jahresauftaktpressekonferenz letzteres Problem benannt. Vom Beitrag des zuständigen Ministers Dr. Stamp wird in der dpa-Meldung berichtet: „Ein weiteres großes Reformziel für das laufende Jahr ist die Modernisierung des Kinderbildungsgesetzes. Die Qualität in den Einrichtungen könne letztlich nur gesteigert werden, wenn es auch gelinge, mehr Erzieher zu gewinnen, betonte Kinderminister Joachim Stamp (FDP). Möglich sei etwa, qualifizierte Erzieher mit guten Deutschkenntnissen aus dem EU-Ausland anzuwerben oder auch Grundschullehrkräfte in Kitas einzusetzen.“ Offensichtlich möchte der Minister genau die Grundschullehrkräfte für den Einsatz in Kitas abwerben, um die sich seine Ministerkollegin und Parteifreundin verzweifelt bemüht. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2015 mit Schreiben vom 19. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Schule und Bildung sowie der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. 1. Welche Linie verfolgt die Landesregierung, um den Mangel an Lehrkräften an Grundschulen kurz-, mittel- und langfristig zu beheben? Unter der Vorgängerregierung sind sowohl zu wenige Lehrkräfte ausgebildet als auch nicht regelmäßig die Lehrkräftebedarfe erhoben worden. Das Ministerium für Schule und Bildung hat bereits zwei Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Lehrerversorgung entwickelt, die sowohl kurzfristige, mittelfristige als auch langfristige Maßnahmen beinhalten, um die Lehrkräfteversorgung sicher zu stellen. Als kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen sind zu nennen: Gewinnung von Lehrkräften mit einer Befähigung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen (einschließlich Altlehrämter) für Grundschulen, parallel mit einer Ausweitung der Beratung durch die Zentren für schulfachliche Lehrerausbildung. Ausweitung des Seiteneinstiegs an Grundschulen. Attraktive finanzielle Anreize für den Einsatz von Pensionärinnen und Pensionären auch in der Schulform Grundschule durch Aussetzen der Hinzuverdienstgrenze und des Hinausschiebens des Ruhestandes. Einstellung von sozialpädagogischen Fachkräften in der Schuleingangsphase zur Unterstützung der Lehrkräfte an den Grundschulen im Umfang von 600 Stellen. (Inzwischen sind mit dem Haushalt 2019 weitere 557 hinzugekommen.) Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes, um zukünftig S-II-Lehrkräften den Erwerb des Altlehramtes an Grund-, Haupt- und Realschulen und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen im Rahmen einer Beschäftigung an Grundschulen zu ermöglichen und ihnen ein Beamtenverhältnis anbieten zu können. Langfristig wirken sich folgende Maßnahmen aus: Überarbeitete Lehrerbedarfsprognose, um eine verlässliche Beratung zukünftiger Oberstufenschülerinnen und -schüler auch für das Lehramt an Grundschulen anbieten zu können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5487 3 Schaffung zusätzlicher Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen (339 Studienanfängerplätze) und für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung (250 Studienanfängerplätze). Start einer breit angelegten Werbe- und Imagekampagne für den Lehrerberuf im April 2018, die auch ausdrücklich das Werben für das Lehramtsstudium an Grundschulen beinhaltet. Die Werbekampagne wird im Jahre 2019 fortgesetzt. 2. Welche Linie verfolgt die Landesregierung, um den Mangel an Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen und im Offenen Ganztag zu beheben? Der Bedarf an Fachkräften in der Kindertagesbetreuung ist vor dem Hintergrund des fortlaufenden Ausbaus an Betreuungsplätzen weiterhin steigend. Die Landesregierung hat sich in den letzten Jahren verstärkt der Thematik des Fachkräftebedarfs angenommen und gemeinsam mit allen Akteuren im Bereich der Kindertagesbetreuung Schritte und Maßnahmen zur Sicherung und Gewinnung von Fachkräften entwickelt und in die Wege geleitet. Die Ausbildungskapazitäten für den Beruf der staatlich anerkannten Erzieherin/des staatlich anerkannten Erziehers wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Im Vergleich der Jahre 2008/2009 mit 2018/2019 ist ein Anstieg von insgesamt rd. 15.200 auf 24.200 Schülerinnen/Schüler zu verzeichnen. Dabei zeigt sich auch, dass das Angebot der praxisintegrierten Ausbildung zunehmend größeres Interesse findet. Diese dualisierte Form der Ausbildung ist seit November 2018 als eigenständiges Ausbildungsangebot in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für das Berufskolleg verankert. Weitere Kapazitätsausweitungen darüber hinaus setzen voraus, dass in ausreichendem Maße Lehrkräfte für die fachtheoretische Ausbildung an Fachschulen und Berufskollegs zur Verfügung stehen. Von den bundesweit derzeit fünf Hochschulstandorten, die Lehrer für die Sekundarstufe II mit der beruflichen Fachrichtung „Sozialpädagogik“ ausbilden, befindet sich mit Dortmund ein Standort in Nordrhein-Westfalen. Derzeit wird geprüft, ob hier und gegebenenfalls auch an einem weiteren Standort Kapazitätserweiterungen für die Lehrerausbildung geschaffen werden können. Darüber hinaus hat das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen überprüft, welche Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume die „Vereinbarung zu den Grundsätzen über die Qualifikation und den Personalschlüssel zum Kinderbildungsgesetz“ (die sog. Personalvereinbarung) bietet, um zusätzliche Fachkräfte für den Bereich der Kindertagesbetreuung zu gewinnen. Mit der rückwirkend zum 1. Dezember 2018 in Kraft getretenen geänderten Personalvereinbarung wurde der Fachkräftekatalog erweitert. So können künftig beispielsweise Personen mit im EU-Ausland erworbenen Befähigungsnachweisen für die Berufe Erzieherin bzw. Erzieher als sozialpädagogische Fachkraft in einer Kindertageseinrichtung arbeiten, wenn ihre Qualifikation und Erfahrung nach Feststellung der zuständigen Bezirksregierung der Tätigkeit für den Arbeitsbereich der Kindertageseinrichtung entsprechen und sie einen Nachweis über die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse erbringen. Zudem wird durch die Neufassung der Personalvereinbarung auch Personen, die ihre erste Staatsprüfung oder einen Masterabschluss für das Grundschullehramt erfolgreich absolviert haben und über eine festgeschriebene Qualifikation und Praxiserfahrung verfügen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5487 4 ein Einsatz als Fachkraft in den Einrichtungen ermöglicht. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Quereinsteiger mit einer Anzahl von mindestens 95 Creditpoints, die sie im Rahmen eines Hochschulstudiums in fachspezifischen Studieninhalten erworben haben, als weitere Fachkräfte in Kitas eingesetzt werden. Darüber hinaus bleibt zu prüfen, ob sich über bestehende Möglichkeiten hinaus für Schülerinnen und Schüler mit der Eingangsvoraussetzung Fachoberschulreife Möglichkeiten der Verkürzung der Ausbildung ergeben. Zudem gilt es, die Rahmenbedingungen der Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen weiter zu verbessern. Im Bereich der Offenen Ganztagsgrundschule im Primarbereich wurden zuletzt zum 1. Februar 2019 die grundständigen Fördersätze um insgesamt 14 Prozent erhöht. Es bleibt den Trägern der offenen Ganztagsangebote überlassen, wie sie die Mittel zur Steigerung der Attraktivität der Anstellungsverhältnisse nutzen. Die Landesregierung stellt 2019 erstmals Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen für den Bereich der außerschulischen Betreuung in der OGS zur Verfügung. Die Mittel können von den Trägern der offenen Ganztagsangebote auch für Fortbildung und Qualifizierung für Fachkräfte und weitere pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt werden. 3. Gab es in der Landesregierung einen Austausch über die möglichen Strategien zur Behebung der Mängel? Ja. 4. Hält die Landesregierung ein Werben um Grundschullehrkräfte für einen Einsatz als Erzieherin oder Erzieher in Kitas für eine zielführende Lösung? Mit der Regelung, künftig auch Personen, die die erste Staatsprüfung bzw. einen Masterabschluss für das Lehramt an Grundschulen erfolgreich absolviert haben und über eine weitere Qualifizierung und Praxiserfahrung in einer Kindertageseinrichtung verfügen, den Einsatz als sozialpädagogische Fachkraft zu ermöglichen, wurde zum einen darauf reagiert, dass in den vergangenen Jahren entsprechende Nachfragen und Interessensbekundungen bei den beiden Landesjugendämtern eingegangen sind. Zudem besteht auch in anderen Ländern (z.B. in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz) die Möglichkeit, Personen mit Erster Staatsprüfung oder Masterabschluss für das Lehramt an Grundschulen als Fachkräfte in Kitas einzusetzen. 5. Welche Linie verfolgt die Landesregierung hierzu insgesamt, insbesondere in Bezug auf eine attraktivere Besoldung in allen Bereichen? Die Landesregierung wird die notwendigen Schritte einleiten, um die besoldungsrechtlichen Konsequenzen aus der Reform der Lehrkräfteausbildung zu ziehen. Die Vergütung der pädagogischen Kräfte im Bereich der Kindertagesbetreuung wird im Rahmen der Tarifautonomie unter den Tarifpartnern geregelt.