LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5514 21.03.2019 Datum des Originals: 21.03.2019/Ausgegeben: 26.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2110 vom 26. Februar 2019 des Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5274 Wie beurteilt die Landesregierung die geplante Erweiterung der Deponiekapazitäten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der aktuellen Offenlegungsphase zum Regionalplan Ruhr haben sich mehrere Standort-Kommunen gegen eine zukünftige Inanspruchnahme der sich im Besitz der RAG befindlichen Bergbauflächen als Deponiestandort ausgesprochen. Dies betrifft die Halden Lohmannsheide in Duisburg-Baerl, Hürfeld in Dorsten und Brinkfortsheide in Marl. Diese Standorte sind Gegenstand der Verhandlungen zwischen der RAG und dem RVR, bei denen es um die Übernahme von insgesamt 22 Halden geht. Für diese Standorte soll nach der Entlassung aus der Bergaufsicht unter der Federführung des RVR eine geordnete und öffentlich sinnvolle, nachhaltige und dauerhaft umweltverträgliche Nachnutzung realisiert werden. Um eine dabei eventuell erforderliche Aufbringung von Deckmaterial zur Vervollständigung und Abdichtung der drei genannten Halden wirtschaftlich realisieren zu können, hat die AGR als Tochterunternehmen des RVR zwischenzeitlich mit der RAG eine Gemeinschaftsfirma unter der Firmenbezeichnung DAH1 GmbH (Deponien auf Halden) gegründet. Die Schüttung konnte auf allen drei benannten Halden aufgrund des Auslaufens des heimischen Bergbaus bislang nicht abgeschlossen werden. Auch eine formal abweichende abfallrechtliche Nutzung konnte durch die Öffentlichkeit ohne ein bergrechtliches Abschlussverfahren bisher nicht durchgeführt werden, daher haben die Vertragsparteien mit Blick auf die durch Prognos dokumentierte Unterversorgung des Landes in Bezug auf DK-I- Deponien eine aktive Wertschöpfungsstrategie zur Nachnutzung entwickelt. Diese jedoch in Teilen vor Ort umstrittenen Planungen werden vor dem aktuellen Hintergrund nicht geklärter Altlasten in den Halden und dem Eintrag bedenklichen Auffüllmaterials in das Grundwasser strittig diskutiert. Weitere, in die Zukunft gerichtete Sorgen der Bevölkerung beinhalten eine mögliche Zunahme des LKW-Verkehrs und unzureichende Abstände zur vorhandenen Wohnbebauung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5514 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2110 mit Schreiben vom 21. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Aufgrund der Beendigung des Steinkohlenabbaus im Jahr 2018 verlieren viele Halden ihren bergbaulichen Zweck. Derzeit stehen die Halden noch unter Bergaufsicht und sind im Eigentum der RAG (Ruhrkohle AG). Für einen ordnungsgemäßen Abschluss der Halden gibt es zurzeit Planungen der RAG und des Regionalverbands Ruhr (RVR), drei dieser Halden (Lohmannsheide in Duisburg-Baerl, Hürfeld in Dorsten und Brinkfortsheide-Erweiterung in Marl) als Standorte für Deponien der Klasse I zu nutzen. Für die Planung der DK I-Deponie Lohmannsheide in Duisburg-Baerl gibt es bereits ein laufendes Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Betreiber wäre die RAG Montan Immobilien GmbH zusammen mit der AGR (Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH) als DAH1 GmbH (Deponien auf Halden). Für die Halden Hürfeld in Dorsten und Brinkfortsheide-Erweiterung in Marl gibt es bislang keine konkreten Planungen und Planfeststellungsverfahren. Gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz wird eine zehnjährige Entsorgungssicherheit gefordert. Um die notwendige Entsorgungssicherheit für gering belastete mineralische Abfälle, wie z. B. Bauund Abbruchabfälle, die auf Deponien der Klasse I abgelagert werden, zu gewährleisten, ist in Nordrhein-Westfalen der Bau weiterer Deponien der Klasse I erforderlich. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Notwendigkeit eines zeitnahen geordneten bergrechtlichen Abschlussverfahrens an den drei Standorten Lohmannsheide, Hürfeld und Brinkfortsheide unter Beteiligung der betroffenen Städte und Anwohner ein? Gemäß § 69 Absatz 2 Bundesberggesetz (BBergG) endet die Bergaufsicht nach Durchführung des Abschlussbetriebsplans zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren u. a. für Leben und Gesundheit Dritter eintreten werden. Über den vom Unternehmen vorgelegten Abschlussbetriebsplan kann erst positiv entschieden werden, wenn gem. § 55 Absatz 2 Nr. 2 BBergG die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche sichergestellt ist. Die Wiedernutzbarmachung kann auch als Deponie erfolgen. Der Deponiebetrieb stellt dann eine Folgenutzung dar, die nicht mehr der Bergaufsicht unterliegt. An der Zulassung des Abschlussbetriebsplans sind gem. § 54 Absatz 2 BBergG regelmäßig die Kommunen als Planungsträger sowie andere Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit in Abschlussbetriebsplanverfahren ist generell nicht vorgesehen. Zur Errichtung einer Deponie der Klasse I ist ein abfallrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, Umweltverträglichkeitsprüfung und Bedarfsnachweis erforderlich. Im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit im Planfeststellungsverfahren werden alle vorgelegten Unterlagen der betroffenen Öffentlichkeit und den Trägern öffentlicher Belange zugänglich gemacht. Von der Planfeststellungsbehörde werden im laufenden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5514 3 Verfahren der Deponie Lohmannsheide in Duisburg u.a. auch die Gefährdungsabschätzungen der unter der Bergehalde liegenden Verfüllung einer ehemaligen Kiesgrube sowie die Überwachung der Grundwassersituation betrachtet. 2. Unterstützt die Landesregierung die Planungsansätze von RAG, RVR und AGR zur Nachnutzung der Bergbauflächen zu DK-I-Deponien, um eine Versorgungssicherheit entsprechend der abfallrechtlichen Vorgaben sicherzustellen? Durch die Nachnutzung der Bergehalden als Standorte für Deponien der Deponieklasse I kann die Flächeninanspruchnahme durch neue Deponiestandorte minimiert werden. Dies entspricht der Zielsetzung des Landesentwicklungsplans NRW, wonach bei der Planung neuer Deponiestandorte die Eignung stillgelegter Deponien als Standort zu prüfen ist. Auch kann auf vorhandene Infrastrukturen zurückgegriffen werden. Die Nutzung nicht endgeschütteter Bergehalden leistet zudem einen relevanten Beitrag zur Entsorgungssicherheit im regionalen Umfeld des jeweiligen Standortes. Die Landesregierung unterstützt daher ausdrücklich die Bestrebungen, geeignete Haldenstandorte zu Deponien der Deponieklasse I zu entwickeln und begleitet laufende Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren als Umweltschutzmaßnahmen. Voraussetzung ist, dass die abfallrechtlichen Genehmigungs- und Planfeststellungserfordernisse erfüllt sind. 3. Mit Hilfe welches Bedarfserhebungsverfahrens wurden die Bedarfe für DK-I-Deponien in NRW durch den Dienstleister Prognos erhoben (bitte die einzelnen Verfahrensschritte detailliert darstellen)? Das damalige Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) hat im Jahr 2012 eine Bedarfsanalyse für DK I-Deponien beauftragt. Die Durchführung der Bedarfsanalyse erfolgte durch die Arbeitsgemeinschaft Prognos AG/ INFA GmbH. Zur Ermittlung des zukünftigen Bedarfs an DK I-Deponiekapazitäten werden die vorhandenen und geplanten DK I-Deponiekapazitäten (Stand Juli 2017) den zukünftig auf DK I-Deponien zu entsorgenden Mengen mineralischer Abfälle gegenübergestellt. Als wesentlichen Schritte der Bedarfsermittlung erfolgten hierzu: 1. eine Bestandsaufnahme 2. eine Abfrage zu bestehenden Planungen / Genehmigungsverfahren und Erweiterungen von DK I-Standorten 3. eine Prognose der künftig auf DK I-Deponien abzulagernden Abfallmengen. Zu 1. Der Bestandsaufnahme, die im Rahmen der Bedarfsanalyse für DK I-Deponien durchgeführt wurde, lagen Daten für die Jahre 2009-2011 (angenommene Abfallmengen, Restvolumen) sowie 2013 (Planungen) zu Grunde. Wesentliche Datenquelle war das Abfalldeponiedaten-Informationssystem (ADDISweb) des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW. Zu 2. Die Planungen für die Erweiterung bzw. Wiederinbetriebnahme von Deponien an bestehenden Standorten oder die Errichtung von Deponien an neuen Standorten waren durch entsprechende Abfragen bei den Bezirksregierungen bzw. den kreisfreien Städten und Kreisen als unteren Abfallwirtschaftsbehörden ermittelt worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5514 4 Zu 3. Bezüglich der zukünftigen Entwicklung der auf Deponien der Deponieklasse I abzulagernden Mengen wurden - bezogen auf den Prognosehorizont 2030 - folgende Szenarien im Rahmen der Bedarfsanalyse betrachtet: • Status quo-Szenario • Szenario höherer Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten • Szenario niedrigerer Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten. Beim „Status quo-Szenario“ wird davon ausgegangen, dass sich das Verhältnis der auf Deponien zu entsorgenden und der außerhalb von Deponien zu verwertenden Mengen nicht verändern wird. Die „Szenarien höherer und niedrigerer Bedarf an DK I-Deponie-kapazitäten“ gehen von der Annahme aus, dass sich das Verhältnis zwischen Deponierung und Verwertung außerhalb von Deponien aufgrund von Veränderungen der Rahmenbedingungen jeweils verschieben wird. Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse wurden Anfang 2014 veröffentlicht und sind unter folgendem Link abrufbar: https://www.umwelt.nrw.de/umwelt/umwelt-undressourcenschutz /abfall-und-kreislaufwirtschaft/deponien/. Die Methodik der Bedarfsermittlung und verwendeten Datengrundlagen sind im Bericht ausführlich dargestellt. 4. Wie will die Landesregierung die Entsorgungssicherheit für DK-I-Abfälle sicherstellen, wenn die drei genannten Flächen hierfür nicht zur Verfügung gestellt werden? Bezogen auf das Plangebiet von Nordrhein-Westfalen insgesamt kann bei Realisierung aller konkreten Planungen für die Erweiterung von DK I – Standorten sowie für die Errichtung neuer DK I-Standorte die 10 jährige Entsorgungssicherheit nachgewiesen werden (s. Antwort zu Frage 5). Von den Haldenstandorten wurde bei der Bedarfsermittlung als einziger neuer Deponiestandort die Planung der im Planfeststellungsverfahren befindlichen DK I-Deponie Lohmannsheide in Duisburg-Baerl berücksichtigt. Insofern hängt die für das Plangebiet von NRW nachzuweisende 10 jährige Entsorgungssicherheit nicht von der Realisierung aller drei o.g. Haldenstandorte als neue Deponiestandorte ab. Da ggf. nicht alle im Genehmigungsverfahren befindlichen neuen Planungen oder bereits genehmigte Kapazitätserweiterungen realisiert werden können (z.B. Klageverfahren Deponie Dülmen-Rödder), sollten die Überlegungen für die übrigen beiden Haldenstandorte weiter verfolgt werden. Deponien der Deponieklasse 0 und I haben in der Regel lokale Bedeutung bzw. regionale Einzugsgebiete und werden daher insbesondere dort errichtet, wo aufgrund der Wirtschaftsstruktur von einem entsprechenden Aufkommen an Abfällen auszugehen ist. Die Entwicklung geeigneter Haldenstandorte zu Deponiestandorten der Deponieklasse I kann dazu beitragen, die entstehungsortnahe Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle mittel- und langfristig sicherzustellen. Das Land kann nur sehr bedingt Einfluss auf die Realisierung von Planungen und die Errichtung von Deponien nehmen und plant und betreibt selbst keine Deponien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5514 5 5. Wie bewertet die Landesregierung den derzeitigen Bedarf für weitere DK-I Deponiestandorte in NRW insgesamt? Um zu prüfen, ob bzw. inwieweit die Ergebnisse bzw. Aussagen der Bedarfsanalyse aus dem Jahr 2012, welche durch die Arbeitsgemeinschaft Prognos AG/INFA GmbH erarbeitet wurden, nach wie vor zutreffend sind, wurde das LANUV NRW in 2017 vom MULNV mit einer entsprechenden Fortschreibung der Bedarfsanalyse auf der Grundlage von aktuellen Daten beauftragt. Die Ergebnisse der Fortschreibung der Bedarfsanalyse sind in der LT-Vorlage 17/444 vom 16.01.2018 „Sachstandsbericht zu Deponiekapazitäten“ ausführlich dargestellt. Die Fortschreibung der Bedarfsanalyse zeigt, dass die Restvolumina der vorhandenen DK I- Deponien in Nordrhein-Westfalen je nach weiterer Entwicklung der auf DK I-Deponien zu entsorgenden Abfallmengen voraussichtlich im Zeitraum zwischen 2022 (Szenario höherer Bedarf) und 2026 (Szenario niedrigerer Bedarf) verfüllt wären. Für Deponien der Deponieklasse I ist daher der Bau zusätzlicher Deponiekapazitäten erforderlich. Bei Realisierung aller bekannten Planungen (Stand: Juli 2017) würde sich die durchschnittliche Laufzeit der DK I-Deponien mindestens bis zum Jahr 2030 (Szenario höherer Bedarf) und im Szenario niedrigerer Bedarf bis zum Jahr 2040 verlängern. Beim Status quo-Szenario würde das Volumen voraussichtlich bis zum Jahr 2036 reichen.