LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5515 21.03.2019 Datum des Originals: 21.03.2019/Ausgegeben: 26.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2076 vom 19. Februar 2019 der Abgeordneten Markus Wagner, Nic Vogel und Gabriele Walger-Demolsky AfD Drucksache 17/5183 DITIB – ein Fall für den Verfassungsschutz? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Als Reaktion auf eine gemeinsame Veranstaltung der Ditib und der Muslimbruderschaft, die seit Jahren als verfassungsfeindlich eingestuft wird, in der Ditib-Zentralmoschee in Köln Anfang Januar, wird von verschiedenen Kreisen auch über eine Beobachtung der Ditib durch den Verfassungsschutz nachgedacht. Die Muslimbruderschaft ist im Ursprungsland Ägypten seit 2013 verboten und wurde von der Regierung als Terrororganisation eingestuft. Im Verfassungsschutzbericht NRW wird als Grund für die Beobachtung angegeben: „Ziel der MB ist die Umgestaltung der Länder mit islamischer Mehrheitsbevölkerung in Staaten mit islamistischem Regierungssystem auf der Grundlage der Scharia sowie der islamischen Rechts- und Lebensordnung. Gewalt wird zur Durchsetzung dieses Ziels nicht ausgeschlossen, ist aber kein vorrangiges Mittel. Die MB lehnt säkulare demokratische Staatssysteme ab, beziehungsweise akzeptiert sie nur als Übergangslösung. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgt aufgrund der Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VSG NRW.“1 Es gilt nun zu überprüfen, wie nah die Ditib der Muslimbruderschaft steht und ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung auch bei der Ditib bereits vorliegen. Innenminister Reul äußerte sich gegenüber der Wochenzeitung „Welt am Sonntag“ wie folgt: „Wenn die Ditib durch ihre türkisch-nationalen Aktivitäten die türkischstämmige Bevölkerung 1 Vergl. Verfassungsschutzbericht NRW 2017, S. 182 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5515 2 spaltet und so den inneren Frieden im Land gefährdet, muss der Verfassungsschutz zwingend tätig werden.“2 Innenminister Reul forderte eine klare Abgrenzung von Islamisten. Bereits seit September prüft der Verfassungsschutz eine Beobachtung.3 NDR und WDR zufolge sandte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) den Bundesländer ein Dossier, verbunden mit der Aufforderung Material und eine Stellungnahme zu übermitteln. Medienberichten zufolge kamen die Länder dabei zu unterschiedlichen Einschätzungen. Das BfV berichtete auf Nachfrage der Medien von einzelnen Ditib-Moscheegemeinden, die verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten. Im Rahmen der Innenministerkonferenz in Magdeburg Ende November letzten Jahres stand das Thema Ditib erneut auf der Tagesordnung, ohne das ein Beschluss gefasst wurde. Verschiedene Medien berichteten in der Vergangenheit von einer Nähe zwischen Muslimbruderschaft, Präsident Erdogan, der AKP, der Religionsbehörde Diyanet und somit auch Ditib. Von einem „Zufall“ ist bei der genannten Veranstaltung in Köln folglich nicht auszugehen. Die vier gereckten Finger, mit eingezogenem Daumen, sind das Erkennungszeichen der Muslimbruderschaft. Dieses als Rabia-Gruß bekannte Handzeichen wurde zuletzt in Deutschland auch von Staatspräsident Erdogan bei seinem Staatsbesuch benutzt.4 Die AKP gilt als Unterstützerin der Muslimbruderschaft und die Türkei als Rückzugsort dieser vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung. Durch das Zeigen des Rabia-Zeichens solidarisiert sich Erdogan mit den Muslimbrüdern und belegt seine Sympathie für einen islamischen Religionsstaat. Seine Kritiker werfen Erdogan schon lange vor, jeglichen Laizismus zu untergraben und eine Re-Islamisierung der türkischen Gesellschaft anzustreben. Neu ist die Verbindung zwischen Ditib und der Muslimbruderschaft auch nicht. Bereits Ende 2017 berichtete die Tageszeitung „Bild“ von dieser Verbindung verbunden mit einem undurchsichtigen Geflecht innerhalb der verschiedenen Gruppen.5 Am 28.01.2018 berichtete die Tageszeitung „Die Welt“ von der Achse „Muslimbrüder – Türkei“.6 Demnach gibt es eine starke Unterstützung durch Staatspräsident Erdogan und die gemeinsame Veranstaltung in Köln sei nicht als Zufall zu werten. Minister Reul wird wie folgt zitiert: „Wenn die Ditib durch ihre Arbeit die türkischstämmige Bevölkerung spalte und den inneren Frieden gefährde, „muss der Verfassungsschutz zwingend tätig werden.“ 2 https://www.welt.de/politik/deutschland/article187762562/Konferenz-mit-Muslimbruedern-Innenministersetzen -Ditib-wegen-Radikalen-unter- Druck.html?fbclid=IwAR0DpZm0QxmBxzpsgSwbNYzIAQHD1i0FMr11FYY4qAYcr-ALsfBKc9iEUf8 3 https://www.welt.de/politik/deutschland/article181605862/Koeln-Verfassungsschutz-prueft-Beobachtung-von- Ditib.html 4 https://www.morgenpost.de/politik/article209842617/Tuerkischer-Praesident-Was-Erdogans-Rabia-Handbedeutet .html 5 https://www.bild.de/politik/inland/islamismus/interview-muslimbruderschaft-54320264.bild.html 6 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus187752670/Netzwerken-fuer-den-deutschen- Gottesstaat.html?wtrid=onsite.onsitesearch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5515 3 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2076 mit Schreiben vom 21. März 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Informationen, die für das BfV bezüglich einer Ditib-Beobachtung relevant sind und die Notwendigkeit einer Beobachtung erhärten, konnte das Landesamt für Verfassungsschutz anlässlich der Innenministerkonferenz in Magdeburg liefern? Dies war kein Tagesordnungspunkt der Sitzung der Innenministerkonferenz in Magdeburg. 2. Warum wurde die Ditib, trotz der belegten Beziehungen zu mindestens einer vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung, bisher nicht als „Prüffall“ eingestuft? 3. Woran scheiterte bisher eine Einstufung als Verdachtsfall bzw. eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 gemeinsam beantwortet. Der Landesverband der „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) ist kein Beobachtungsobjekt des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Es liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Bestrebung nach § 3 Absatz 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) vor. 4. Von welchen weiteren Beziehungen der Ditib zu vom Verfassungsschutz beobachten Gruppierungen hat die Landesregierung Kenntnis? Die Landesregierung hat Kenntnis davon, dass die DITIB zu den im Koordinationsrat der Muslime vertretenen Verbänden und ihren Mitgliedsorganisationen Kontakt hatte und hat. Darunter befinden sich auch Vereine, die der Muslimbruderschaft, der als rechtsextremistisch bewerteten Ülkücü-Bewegung sowie der islamistischen Milli-Görüş-Bewegung nahestehen. 5. Wie viele der in NRW ansässigen Ditib-Gemeinden stehen nach Ansicht der Landesregierung nicht auf dem Boden des Grundgesetzes und der freiheitlich demokratischen Grundordnung? (bitte einzeln benennen) Wie sich aus den Antworten auf die Kleinen Anfragen 1888, Drucksache 17/5105 und 1948, Drucksache 17/5209 ergibt, beschäftigt sich der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz kontinuierlich mit den türkisch-nationalistischen Aktivitäten in einzelnen DITIB-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Erkenntnisse über extremistische Bestrebungen in einzelnen DITIB- Gemeinden liegen nicht vor.