LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5535 25.03.2019 Datum des Originals: 25.03.2019/Ausgegeben: 28.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2114 vom 26. Februar 2019 des Abgeordneten Dr. Martin Vincentz AfD Drucksache 17/5279 Berufsbild Heilpraktiker – Ist das Berufsbild noch zeitgemäß? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der "Heilpraktiker" ist eine in Deutschland geschützte Berufsbezeichnung für Personen, die nach dem deutschen Heilpraktikergesetz von 1939 in der jeweils geltenden Fassung eine staatliche Erlaubnis besitzen, die Heilkunde auszuüben, ohne über eine ärztliche Approbation zu verfügen. Zwar gibt es keine vorgeschriebene Regelausbildung, jedoch eine staatlich geregelte Prüfung, deren schriftlicher Teil in allen Gesundheitsämtern einheitlich und gleichzeitig durchgeführt wird. Nach bestandener schriftlicher Prüfung erfolgt eine mündliche Prüfung durch das jeweilige Gesundheitsamt als staatlich beauftragte Behörde. Die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne als Arzt approbiert zu sein, ist nach § 1 Abs. 1 HeilprG nur mit dieser Erlaubnis zulässig. Für die Erlaubniserteilung sind die Landesbehörden zuständig, die sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Durchführungsbestimmungen richten. Voraussetzungen für die Erlaubnis sind nach § 2 der ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (HeilprGDV 1) ein Mindestalter von 25 Jahren, ein Hauptschulabschluss, die gesundheitliche Eignung und die „sittliche Zuverlässigkeit“, die durch ein ärztliches Attest bzw. ein polizeiliches Führungszeugnis nachgewiesen werden können. Weiterhin erfordert § 4.2 der Richtlinien zur Durchführung des Heilpraktikergesetztes NRW für die Kenntnisüberprüfung: „Die Überprüfung dient der Feststellung, ob die antragstellende Person solche heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dass die Ausübung der Heilkunde durch sie nicht zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führen kann. Die Überprüfung ist keine Prüfung im Sinne der Leistungskontrolle zur Feststellung einer bestimmen Qualifikation.“ Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2114 mit Schreiben vom 25. März 2019 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5535 2 Vorbemerkung der Landesregierung Nach Einschätzung der Landesregierung ist das Heilpraktikerrecht reformbedürftig. Mit Beschluss der 91. Gesundheitsministerkonferenz haben die Länder den Bund gebeten, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die eine grundlegende Reform des Heilpraktikerwesens prüfen soll. Da das Bundesgesundheitsministerium zunächst die Auswirkungen der im März 2018 in Kraft getretenen Leitlinien zur Über-prüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern abwarten will, haben sich die Länder darauf verständigt, eine solche Arbeitsgruppe aus Länderebene einzurichten; diese hat ihre Arbeit kürzlich aufgenommen. Unabhängig davon wird das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen prüfen, welche landesseitigen Möglichkeiten zur Reform des Heilpraktikerrechts bestehen. 1. Wie viele Erlaubniserteilungen nach § 1 Abs. 1 HeilprG hat das Land NRW in den Jahren 2008 bis einschließlich 31.12.2018 erteilt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Bezirk.) Auf Grundlage eines fortlaufenden Berichtswesens liegen Daten zu erteilten Heilpraktikererlaubnissen für die Jahre 2015 bis 2017 vor. Für die Jahre 2008 bis 2014 liegen keine Zahlen vor; da das Berichtswesen in der heutigen Form erst zum Jahr 2015 eingeführt wurde; das Berichtsjahr 2018 wird derzeit ausgewertet. Zur übersichtlichen Darstellung werden die erteilten Heilpraktikererlaubnisse nach Jahren sowie nach Art der erteilten Heilpraktikererlaubnis (Unterteilung allgemeine Heilpraktikererlaubnis/sektorale Heilpraktiker-erlaubnis) aufgeschlüsselt. 2015 2016 2017 allg. HPE 407 490 604 sektorale HPE Psychotherapie 445 387 458 sektorale HPE Physiotherapie 552 0 23 sektorale HPE Podologie 3 17 41 Gesamt 1407 894 1.126 2. Welche Vorgaben zur Durchführung des Verfahrens der Kenntnisüberprüfung werden angewandt vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um die Feststellung von Qualifikationen handelt, sondern um das bloße Ausschließen einer Gefährdung für die menschliche Gesundheit? Das Heilpraktikergesetz sowie die Erste Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz gelten als vorkonstitutionelles Recht fort und berechtigen zur Ausübung der Heilkunde auf Grundlage einer zu erteilenden Heilpraktikererlaubnis. Das Verfahren der Kenntnisüberprüfungen richtet sich nach den Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und Heilpraktikeranwärtern. Die Leitlinien wurden seitens des Bundesministeriums für Gesundheit unter Beteiligung der Länder entwickelt und sind am 22. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5535 3 Dezember 2017 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden bzw. am 22. März 2018 in Kraft getreten. Sie dienen als Grundlage für die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten einer Heilpraktikeranwärterin oder eines Heilpraktikeranwärters und damit als Grundlage für die Entscheidung, ob die Ausübung der Heilkunde durch die betreffende Person eine Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung oder der sie aufsuchenden Patientinnen und Patienten erwarten lässt. Parallel zu dem Inkrafttreten der Bundes-Leitlinien hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die empfehlenden Richtlinien auf Landesebene im Frühjahr 2018 aufgehoben. Diese waren mit den verbindlich geltenden Bundes-Leitlinien nicht konform und hatten darüber hinaus lediglich empfehlenden Charakter. 3. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, bei denen es in den vergangenen zehn Jahren (2008-2018) zu Gefährdungen der menschlichen Gesundheit aufgrund fehlgeleiteter heilpraktischer Behandlungen gekommen ist? Die Aufsicht über die Berufsausübung von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern obliegt grundsätzlich den unteren Gesundheitsbehörden. Im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnis gehen die unteren Gesundheitsbehörden in der Regel einzelfallbezogenen Beschwerden nach. Es besteht keine Verpflichtung der unteren Gesundheitsbehörden, der Landesregierung zu Gefährdungen der menschlichen Gesundheit aufgrund heilpraktischer Behandlungen zu berichten. Im Jahr 2016 ereignete sich in Brüggen-Bracht ein öffentlich beachteter Fall, im Rahmen dessen dem Verdacht auf Gefährdung bzw. Schädigung der menschlichen Gesundheit infolge einer heilpraktischen Behandlung nachgegangen wird. Nachdem gegen den betroffenen Heilpraktiker im April 2018 Anklage erhoben wurde, beginnt in Kürze der Prozess vor dem Landgericht Krefeld. 4. Existieren seitens der zuständigen Gesundheitsämter Dokumentationspflichten für die Behandlungen der Heilpraktiker? Es existiert keine staatlich anerkannte Berufsordnung, aus der sich Berufspflichten, wie eine Dokumentationspflicht, für Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker ergeben. Vielmehr folgen aus zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorgaben eine Vielzahl mittelbarer Berufspflichten. Eine Dokumentationspflicht für Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker ergibt sich aus den Regelungen der §§ 630 ff. BGB. Zudem haben sechs große Heilpraktikerverbände im Jahr 2008 eine gemeinsame Berufsordnung für Heilpraktiker erlassen, in deren Rahmen eine Dokumentationspflicht für Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker vorgesehen ist. Die Mitglieder der betreffenden Verbände sind verpflichtet, sich an die Regelungen der Berufsordnung zu halten. Juristisch betrachtet ist diese Berufsordnung nicht gesetzlich verpflichtend. 5. Wie vielen Heilpraktikern ist in dem Zeitraum von 2008 bis einschließlich 2018 die Zulassung entzogen worden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Bezirk und Grund.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5535 4 Zu entzogenen Heilpraktikererlaubnissen liegen der Landesregierung keine Daten vor, da dieser Aspekt nicht Bestandteil des hiesigen Berichtswesens ist. Eine gesonderte Abfrage war innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.