LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5562 26.03.2019 Datum des Originals: 22.03.2019/Ausgegeben: 29.03.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2070 vom 18. Februar 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5175 Cyberkriminalität - Mehr IT-Profis für NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die NRW-Polizei fordert nach dem massenhaften Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz im ostwestfälischen Lügde mehr Schlagkraft bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) regt an, als Sofortmaßnahme 75 zusätzliche Stellen für IT- Quereinsteiger zu schaffen, die den Kriminalkommissaren unmittelbar weiterhelfen könnten. Das geht aus einem Forderungspapier an Innenminister Herbert Reul hervor, von welchem die Westfalenpost berichtet.1 Demnach sollen Informatik-Fachhochschüler mindestens mit Bachelor-Abschluss und Computer-Experten, die Verschlüsselungstechnologien, Programmiersprachen und Datenbanksysteme beherrschen, mit Beamtenstellen oder besserer Vergütung gelockt werden. Denn die Auswertung riesiger Datenmengen stelle die Behörden vor eine große Herausforderung, die nur mit zusätzlichem Fachpersonal zu bewältigen sei. Im Fall Lüdge zeigt sich aktuell, wie klein die Personaldecke ist. Da auch Fälle wie Hacker-Angriffe, die Durchleuchtung der Wirtschaftskreisläufe hinter der Clan-Kriminalität im Land oder die alltägliche Fahndung im Darknet die Ermittler vor Probleme stellen, will die GdP nach dem Forderungspapier mehr Anreize für Quereinsteiger schaffen. Landesinnenminister Reul hat den NRW-Polizeibehörden zwar bereits die Möglichkeit geschaffen, 500 Sachbearbeiter zur Unterstützung einzustellen. Allerdings finden sich für maximal Entgeltgruppe 11 (rund 3500 Euro brutto im Monat) offenbar zu wenige IT-Profis. Deshalb werden eine bessere Bezahlung und eine unverzügliche Verbeamtung gefordert. 1 Westfalenpost Printausgabe vom 18.02.2019, S. 1. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5562 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2070 mit Schreiben vom 22. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz und dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden 2018 wegen eines Anfangsverdachts bezüglich Straftaten im Bereich Cyberkriminalität eingeleitet? Die Definition von Cyberkriminalität beinhaltet alle Straftaten, die sich gegen das Internet, andere Datennetze und informationstechnische Systeme oder deren Daten richten oder die mittels dieser Informationstechnik begangen werden. Um die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren der Cyberkriminalität zu erheben, wurden das Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei NRW (VBS) und die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ausgewertet. Im VBS sind alle Ermittlungsvorgänge erfasst, die die Polizei in NRW bearbeitet hat. Abgeschlossene Ermittlungsvorgänge werden in der PKS erfasst, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für ein Täterhandeln in Deutschland vorliegen. Die Fallzahlen in der PKS sind daher niedriger als die im VBS erfassten Ermittlungsverfahren. In 2018 wurden im VBS der Polizei NRW 36 199 Ermittlungsvorgänge erfasst, in der PKS 19 693 Fälle. 2. Welche Delikte betrafen die Ermittlungsverfahren aus Frage 1? Bitte Art und Anzahl der Delikte angeben. Die im Jahr 2018 erfassten Ermittlungsvorgänge bzw. in der PKS erfassten Fälle betreffen folgende Delikte: Delikt VBS PKS Fälschung beweiserheblicher Daten 2 730 1 676 Täuschung im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung 172 107 Datenveränderung 2 304 717 Computersabotage 901 192 Ausspähen von Daten 5 096 2 236 Abfangen von Daten 100 60 Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten 623 191 Datenhehlerei 54 41 Softwarepiraterie[1] 53 52 Computerbetrug § 263a StGB 24 166 14 421 Computerkriminalität (gesamt) 36 199 19 693 [1] Softwarepiraterie bezeichnet die rechtswidrige Vervielfältigung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Software. Als Tatbestand liegt eine unerlaubte Reproduktion von urheberrechtlich geschützten Werken vor, welcher nach §106 Urheberrechtsgesetz (UrhG), in gewerbsmäßigen Fällen nach §108a UrhG, strafbar ist. In der Tabelle sind die private und die gewerbsmäßige Softwarepiraterie zusammengefast dargestellt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5562 3 Die statistischen Daten werden jährlich im „Cybercrime Lagebild NRW“ des Landeskriminalamtes NRW veröffentlicht. 3. Wie viele Verfahren mussten die Staatsanwaltschaften einstellen, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte (§ 170 Abs. 2 S. 1 StPO)? Bitte Art und Anzahl der Delikte angeben. Daten zu Ermittlungsverfahren werden im Rahmen der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik) erfasst. Dabei erfolgt eine Erhebung nicht nach Deliktarten, sondern differenziert nach Sachgebieten. Das einzige Sachgebiet, dem sich Cyberkriminalität zuordnen lässt, lautet „Straftaten im Sinne des § 74c Absatz 1 GVG, die von nicht gewerbsmäßigen Abnehmern über das Internet begangen wurden“. In diesem Sachgebiet sind im Berichtsjahr 2018 970 Ermittlungsverfahren neu eingegangen. 743 Ermittlungsverfahren wurden mit der Erledigungsart „Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO“ beendet. Den übrigen Sachgebieten ist nicht zu entnehmen, ob zu ihrer Verrichtung moderne Informationstechnik genutzt worden ist. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung der GdP hinsichtlich einer besseren Bezahlung und einer unverzüglichen Verbeamtung von IT-Profis? Die Einstellung von qualifiziertem IT-Fachpersonal hat Priorität in den Ausschreibungs- und Besetzungsverfahren, stellt die Polizei NRW allerdings vor große Herausforderungen, da in der gewerblichen Wirtschaft höhere Gehälter bezahlt werden. Bund und Kommunen nutzen die tarifrechtliche Möglichkeit, Zulagen von bis zu 1 000 Euro im Monat für IT-Fachpersonal zu vereinbaren. Der Vorschlag, eine solche Fachkräftezulage in NRW zu zahlen, ist mir bekannt und wird in meinem Haus geprüft. Dabei zeichnet sich allerdings keine kurzfristige Lösung ab. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die verschiedenen Dienstherren des öffentlichen Sektors nicht gegeneinander in Konkurrenz treten. Eine Verbeamtung von Regierungsbeschäftigten ist möglich, soweit die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist stets eine Frage des Einzelfalles. Losgelöst hiervon ist das personalwirtschaftliche Erfordernis einer Verbeamtung zu betrachten. 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Erhöhung der Attraktivität der Angestellten- bzw. Beamtenverhältnisse beim Land NRW für IT-Spezialisten? Die Polizei NRW trifft bereits diverse Maßnahmen, um geeignetes IT-Fachpersonals einzustellen. Es gibt zum Beispiel Kooperationen mit der Fachhochschule Aachen, die Betreuung von Bachelorabsolventen und Hospitationen. Bisher ist es mit Hilfe intensiver Werbemaßnahmen gelungen, ausreichend qualifizierte Bewerber für die zu besetzenden Stellen der Polizei NRW zu gewinnen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5562 4 Die Landesregierung plant für Beamte und prüft für Angestellte zusätzliche Studiengänge, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für IT-Spezialisten zu steigern: Beamte: Um den von den Ressorts und den kommunalen Spitzenverbänden formulierten Bedarfen vollumfänglich zu genügen, sollen künftig zwei separate Laufbahnen mit unterschiedlichen Vorbereitungsdiensten eingerichtet werden: - eine technische Laufbahn Verwaltungsinformatik mit einem dualen Studium mit dem Abschluss eines Bachelor of Science als Vorbereitungsdienst und - eine nichttechnische Laufbahn mit einem dualen Studium mit dem Abschluss eines Bachelor of Arts als Vorbereitungsdienst. Die technische Laufbahn wird unter Federführung des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW in Kooperation mit einer technisch ausgerichteten Fachhochschule umgesetzt. Diese neu einzurichtende technische Laufbahn führt zu A 10 im Eingangsamt. Der Studiengang wird voraussichtlich zum 1.9.2021 angeboten. Die nichttechnische Laufbahn wird von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW angeboten. Das duale Studium wird einen unterhälftigen Anteil angewandte Informatik beinhalten und insbesondere die Methodenkompetenz zur Planung, Begleitung und Durchführung von EGovernment-Change-Prozessen vermitteln. Als Vorbereitungsdienst für eine nichttechnische Laufbahn wird das Eingangsamt regulär mit A 9 besoldet (diese etwas geringere Attraktivität wird durch eine größere Verwendungsbreite mit guten Entwicklungsmöglichkeiten kompensiert). Angestellte: Auszubildenden der Polizei NRW (z.B. IT-Techniker) könnte zukünftig nach dem Berufsbildungsgesetz ein „Duales Studium“ angeboten werden. Dabei durchlaufen die Auszubildenden der Polizei NRW eine praktische Ausbildung, die mit einem berufsbegleitenden Studium verknüpft wird. Nach Abschluss der Ausbildung/des Studiums erlangen die Auszubildenden einen Bachelorabschluss und könnten - zur Kostendeckung für das Studium - zu einer verpflichtenden Weiterbeschäftigung (z.B. für 3 Jahre) übernommen werden. Diese Möglichkeit wird derzeit fachlich und organisatorisch vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW geprüft.