LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/564 07.09.2017 Datum des Originals: 06.09.2017/Ausgegeben: 12.09.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 129 vom 24. Juli 2017 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/222 Warum hat Ministerpräsident Laschet im Bundesrat Bayerns Interessen unterstützt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 07.07.2017 hat NRW dem Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (NEMOG) im Bundesrat zugestimmt. Dabei ging es zentral darum, die Netzentgelte der Übertragungsnetze deutschlandweit zu vereinheitlichen. Da es sich bei den Netzen um sogenannte natürliche Monopole handelt, werden die Netzentgelte auf Grund von festgelegten Verfahren durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) festgelegt. Gleichzeitig wurde im NEMOG jedoch auch geregelt, dass es Netzbetreibern künftig möglich ist, „besondere netztechnische Betriebsmittel für sogenannte kurative Maßnahmen“, z.B. Regelleistung , vorzuhalten. Dabei soll die BNetzA, anders als bei Stilllegungsanzeigen von Kraftwerken , nicht als Kontrollinstanz fungieren, sondern bei der Ausschreibung für diese „Betriebsmittel “ und die dadurch entstehenden Kosten lediglich eingebunden werden. Unklar ist daher, wer die Kosten der Entscheidung über die Reserveleistungen, z.B. für die Vorhaltung von Gaskraftwerken , kontrollieren soll bzw. wie sie kontrolliert werden. Gerade im Freistaat Bayern kann dies, wenn dort die letzten Atomkraftwerke stillgelegt werden , dazu führen, dass Gaskraftwerke durch die Netzbetreiber als „netztechnische Betriebsmittel “ zum Einsatz kommen. Denn nur durch den Einsatz von Gaskraftwerken, wird dort die Versorgungssicherheit vermutlich aufrecht erhalten werden können, da in Bayern der Netzausbau und der Ausbau Erneuerbarer Energien in den letzten Jahren massiv durch die CSU behindert und ausgebremst wurden. Gleichzeitig führt die Einführung der bundeseinheitlichen Netzentgelte für Übertragungsnetze nun durch die Regelungen im NEMOG dazu, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in ganz Deutschland für die Verhinderungspolitik Bayerns und das Vorhalten der Gaskraftwerke die Zeche zahlen müssen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/564 2 Der Minister für Wirtschaft, Innenovation, Digitalisierung und Energie hat die kleine Anfrage 129 mit Schreiben vom 6. September 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung „Eine bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte wurde bereits seit Jahren diskutiert. Insbesondere die ostdeutschen Bundesländer drängten dabei auf eine Reform im nun beschlossenen Sinne. Die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland auch im Bereich der Energiekosten war für diese Länder dabei ein tragendes Argument. In einem ausgiebigen Beratungsprozess haben sich die Fraktionen der Großen Koalition letztlich auf eine Reform einigen können und diese im Bundestag gemeinsam beschlossen. Für die Umsetzung des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes (NEMoG) konnten dabei im Vorfeld wichtige Leitplanken im Sinne der nordrhein-westfälischen Industrie und ihrer vielen Tausend Beschäftigten festgesetzt werden. So wird die bundesweite Wälzung auf Drängen des Landes Nordrhein-Westfalen erst ab 2019 über einen Zeitraum von vier Jahren erfolgen. Ein früherer Beginn hätte eine wesentlich größere Belastung zur Folge gehabt, da die Übertragungsnetzentgelte ab 2019 wegen höherer Kosten im Einspeisemanagement voraussichtlich sinken werden. Der erhebliche Kostenblock der Investitionen für die Anbindung von Offshore- Windparks wird aus den Netzkosten der Übertragungsnetzbetreiber herausgenommen. Das reduziert ebenfalls die auf Nordrhein Westfalen zukommenden Belastungen. Letztlich wird auch die Abschaffung der nicht mehr zeitgemäßen vermiedenen Netzentgelte für volatile Erzeuger einen spürbaren Entlastungseffekt bewirken. Gleichzeitig werden die vermiedenen Netzentgelte für steuerbare Bestandsanlagen wie KWK-Anlagen bestehen bleiben. Das sind gute Nachrichten für Stadtwerke und andere KWK-Anlagenbetreiber, die Planungs- und Investitionssicherheit brauchen. Durch diese Leitplanken konnte wenigstens eine übermäßige Belastung der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen verhindert werden. Der Bundesrat hat in seiner 959. Sitzung am 07.07.2017 das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) im sog. zweiten Durchgang beraten, bei dem es nur noch darum ging, ob der Vermittlungsausschuss angerufen werden soll oder nicht. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesrat keinen Gebrauch gemacht. Eine Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst, im Rahmen derer dem Gesetzentwurf hätte zugestimmt werden können, hat nicht stattgefunden. Einer Zustimmung des Bundesrates bedurfte es im Übrigen nicht, weil es sich lediglich um ein Einspruchsgesetz handelte. Mit dem NEMoG wurde u.a. in § 11 EnWG ein neuer Absatz 3 eingefügt, der das Recht der Übertragungsnetzbetreiber regelt, sog. besondere netztechnische Betriebsmittel vorzuhalten, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems bei einem tatsächlichen örtlichen Ausfall eines oder mehrerer Betriebsmittel im Übertragungsnetz wieder herzustellen . Das EnWG enthielt bisher schon in § 13k eine entsprechende, allerdings weniger detaillierte Regelung zu sog. Netzstabilitätsanlagen, die im Zuge der Einfügung des neuen § 11 Abs. 3 EnWG entfallen ist. 1. Warum hat Ministerpräsident Laschet dem Gesetz in seiner nun vorliegenden Fassung unter der Berücksichtigung der Interessen NRWs zugestimmt? siehe Vorbemerkung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/564 3 2. Warum sollten aus Sicht der Landesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher in NRW für „besondere netztechnische Betriebsmittel“ in Bayern über ihre Netzentgelte aufkommen, wenn Bayern ausreichend Zeit hatte, den Netzausbau und den Ausbau von Erneuerbaren Energien voranzutreiben? Ziel der Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD im Rahmen der Reform der Netzentgelte war ein fairer Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Regionen Deutschlands. Es ging der Großen Koalition darum, Ungerechtigkeiten im Kontext des weiteren Fortschritts der Energiewende abzubauen. Von der Neuregelung profitiert zum Beispiel auch die nordrheinwestfälische Region Ostwestfalen-Lippe.“ 3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit „besondere netztechnische Betriebsmittel “ durch die Übertragungsnetzbetreiber ohne Kontrolle durch die BNetzA auszuschreiben? Die bisherige Vorschrift des § 13k EnWG enthielt lediglich rudimentäre Vorgaben für den Betrieb von „Netzstabilitätsanlagen“ durch die Übertragungsnetzbetreiber, Kostengesichtspunkte spielten insoweit kaum eine Rolle. Die neue Regelung in § 11 Abs. 3 EnWG bietet vor diesem Hintergrund die Chance, besondere netztechnische Betriebsmittel möglichst effizient zu beschaffen und zu betreiben. Denn sie sieht zunächst vor, dass Dritte mit dem Betrieb von besonderen netztechnischen Betriebsmitteln zu beauftragen sind, wodurch Anbieter einen diskriminierungsfreien Zugang zum Auftragsvolumen der Übertragungsnetzbetreiber erhalten sollen. Entsprechende Aufträge sind im Wege transparenter Verfahren unter Beachtung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu vergeben, was eine öffentliche Bekanntgabe einschließt. Die Beschaffungskonzepte und die vorgeschalteten Bedarfsanalysen sind mit der Bundesnetzagentur abzustimmen. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass Kosten über die Netzentgelte auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt werden, die nicht durch die BNetzA kontrolliert werden? Schon heute werden zahlreiche Kosten über die Netzentgelte auf die Letztverbraucher umgelegt , die jedenfalls der Höhe nach einer Kontrolle durch die Regulierungsbehörden weitgehend entzogen sind. Dies gilt namentlich für die sog. dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV). 5. Wer entscheidet künftig darüber, ob „besondere netztechnische Betriebsmittel“ ausgeschrieben und in welcher Höhe die Kosten umgelegt werden? Nach dem neuen § 11 Abs. 3 EnWG entscheiden allein die Übertragungsnetzbetreiber (ggfs. auch zusammen) über die Ausschreibung und Vergabe besonderer netztechnischer Betriebsmittel . Die hierfür entstehenden Kosten gelten grundsätzlich als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Nr. 16 ARegV, sofern die Betriebsmittel im Wege ordnungsgemäßer Vergabeverfahren nach § 11 Abs. 3 EnWG beschafft und betrieben werden.