LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5672 04.04.2019 Datum des Originals: 04.04.2019/Ausgegeben: 09.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2120 vom 27. Februar 2019 der Abgeordneten Verena Schäffer, Wibke Brems, Horst Becker und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5310 Agierte die Landesregierung bei den Baumhausbeseitigungen im Hambacher Wald als ergebene Erfüllungsgehilfin für RWE? Anfang Februar berichtete die Presse umfangreich darüber, dass die Landesregierung seit Amtsantritt zahlreiche Gutachten und andere Beratungsdienstleistungen für mindestens 16,5 Millionen Euro in Auftrag gegeben hat (siehe u.a. „Aachener Zeitung“ vom 2. Februar 2019). Darunter soll sich nach Presseberichterstattung u.a. auch ein Rechtsgutachten zum Antrag von RWE auf behördliches Einschreiten im Hambacher Wald im Auftrag des Innenministeriums für 25.000 bis 50.000 Euro befinden. Dem Bauministerium sollen für externe Beratungskosten knapp 20.000 Euro im Zusammenhang mit der Räumung der Baumhäuser am Tagebau Hambach entstanden sein. Laut eines Artikels von „Zeit Online“ von Mitte September 2018 soll RWE Power am 1. August 2018 einen Antrag bei Ordnungsbehörden und Polizei gestellt haben, den Hambacher Wald rechtzeitig vor der genehmigten Rodungssaison 2018/2019 von rechtswidrigen Besatzungen und Nutzungen zu räumen. Auf eine Anfrage hin soll RWE geantwortet haben: „RWE Power hat am 1. August 2018 einen Antrag bei den Ordnungsbehörden und der Polizei gestellt, rechtzeitig vor der genehmigten Rodungssaison 2018/2019 den Hambacher Forst, der Eigentum der RWE ist, von rechtswidrigen Besetzungen und Nutzungen zu räumen.“ (Bericht auf „Zeit Online“ vom 13. September 2018, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/hambacher-forst-raeumungaktivisten -rwe-polizei/komplettansicht) Der gestellte Antrag bzw. die gestellten Anträge von RWE vom 1. August 2018 werfen ein ganz anderes Licht auf die vorgebliche Motivation der Landesregierung und die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald, die ab dem 13. September 2018 auf Weisung des Bauministeriums stattfanden. In der Zusammenschau der Aspekte Gutachteneinholung, Antrag der RWE und Räumung des Hambacher Waldes ergeben sich diverse Fragestellungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5672 2 Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 2120 mit Schreiben vom 4. April 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem RWE-Antrag vom 1. August 2018, den von Innen- und Bauministerium eingeholten Gutachten bzw. Beratungen und der ab dem 13. September 2018 auf baurechtlicher Grundlage vollzogenen Baumhausräumungen und -beseitigungen im Hambacher Wald? 2. Wann wurde der in der Vorbemerkung genannte Antrag bzw. die Anträge der RWE vom 01. August 2018 durch wen wie beschieden? 3. Welche weiteren Abstimmungen hat es im Zeitraum 01. August 2018 bis 13. September 2018 zwischen der Landesregierung einerseits und Vertretern des RWE-Konzerns andererseits gegeben? (Bitte Datum, Inhalt und beteiligte Personen der Korrespondenz, Gespräche bzw. Treffen angeben.) 4. Wer hat die oben genannten Gutachten bzw. Beratungen für die Landesregierung durchgeführt? (Bitte jeweils genaue Fragestellung des Auftrags, Auftragnehmer, Auftragsdatum und Auftragssumme angeben.) 5. Auf welcher rechtlichen Grundlage hält die Landesregierung die mit Steuermitteln finanzierten Gutachten bzw. Beratungsergebnisse vor der Öffentlichkeit zurück? Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zunächst ist gegenüber dem Inhalt der Fragen zu 1 bis 3 richtig zu stellen, dass der Antrag der RWE Power AG (im Folgenden kurz: RWE) auf Räumung von Waldbesetzungen im Hambacher Forst zum Zwecke der planmäßigen Fortsetzung des Braunkohletagebaus vom 2. Juli 2018 datiert. Dieser Antrag war an das Polizeipräsidium Aachen sowie an die Stadt Kerpen und die Gemeinde Merzenich als örtliche Ordnungsbehörden gerichtet. Die örtlichen Ordnungsbehörden lehnten ein Tätigwerden ab; der Ablehnungsbescheid datiert vom 1. August 2018. Aus verwaltungsinternen Zwecken wurden zur Einschätzung der rechtlichen Situation Gutachten eingeholt: Die Beratung einschließlich der Gutachtenerstellung für das Ministerium des Innern wurde durch die Kanzlei Baumeister Partnerschaft mbH aus Münster erbracht. Der Zuschlag wurde am 10. August 2018 erteilt. Insgesamt hat das Ministerium des Innern 32.582,32 Euro an die Rechtsanwaltskanzlei gezahlt. Gegenstand des Gutachtens war insbesondere die Abgrenzung der Zuständigkeiten der örtlichen Ordnungsbehörden gegenüber der Zuständigkeit der Polizei. Im weiteren Verlauf erstreckte sich die Prüfung dann darauf, nach welchen Anspruchsgrundlagen und unter welchen Voraussetzungen die Ordnungsbehörden tätig werden können. Auf Grundlage der Erkenntnisse der Polizei aus Juni 2018 wurde zur abschließenden Klärung der Frage, welche baulichen Anlagen vorhanden waren sowie ob und wie gegen diese LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5672 3 einzuschreiten sein würde, am 27. August 2018 erstmals eine Ortsbegehung unter Beteiligung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung vorgesehen. Aufgrund der gewonnen Eindrücke war von der formell und materiell illegalen Errichtung baulicher Anlagen auszugehen, so dass ein bauaufsichtliches Einschreiten dringlich geboten erschien. Vor dem Hintergrund der rechtlich wie tatsächlich besonders komplexen Herausforderungen hat sich mein Haus auch der Unterstützung durch ein extern erstelltes Rechtsgutachten bedient. Dieses Rechtsgutachten hat insbesondere eine umfassende bauordnungsrechtliche Einschätzung, namentlich auch im Lichte versammlungsrechtlicher Implikationen, vorgenommen. Der Zuschlag wurde am 31. August 2018 an die Kanzlei Baumeister Partnerschaft mbH erteilt. Hierfür wurden bisher 24.942,40 Euro an die Rechtsanwaltskanzlei gezahlt. Gegenstand der Beratung war insbesondere die Abgrenzung des Bauordnungsrechts zum Versammlungsrecht. Im weiteren Verlauf erstreckte sich die Beratung dann auch auf Einzelfragen im Zusammenhang mit den erlassenen bauaufsichtlichen Weisungen. Die Kanzlei hat schließlich auch die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in den im Zusammenhang mit der Räumung des Hambacher Forsts anhängig gemachten verwaltungsgerichtlichen Verfahren übernommen. Das Polizeipräsidium Aachen hat den Antrag von RWE vom 2. Juli 2018 am 3. September 2018 – infolge mangelnder eigener originärer Zuständigkeit - ablehnend beschieden. Am 12. September 2018 erging aus meinem Haus eine Weisung an die oberen Bauaufsichtsbehörden; auf die Anlage in der Drs.-Nr. 17/1615 vom 17. Januar 2019 wird verwiesen. Die gutachterlichen Ergebnisse sind in die getroffenen Entscheidungen bzw. Weisungen eingeflossen. Im o.g. Zeitraum haben zwischen der Landesregierung und Vertretern von RWE Gespräche über die diesbezügliche Sach- und Rechtslage sowie die Einschätzung der Sicherheitslage stattgefunden.