LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5722 10.04.2019 Datum des Originals: 10.04.2019/Ausgegeben: 15.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2122 vom 20. Februar 2019 der Abgeordneten Josefine Paul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5312 Fachkraft-Kind-Relation ist für die Qualität der frühkindlichen Bildung aussagekräftig! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die gute Entwicklung der Kinder sind feste Bezugspersonen maßgeblich, die ihnen Bindungssicherheit geben. Kinder lernen in den ersten Jahren ihres Lebens vor allem durch die soziale Interaktion und die emotionalen Beziehungen zu den Erzieherinnen und Erziehern. Der Ertrag der frühen Bildungsprozesse von Kindern hängt somit stark von Beziehungs- und Bindungsprozessen ab. Die Bildungsangebote einer Kindertageseinrichtung sind vor allem dann wirksam, wenn diese in funktionierenden Beziehungen zwischen den Kindern und ihren Erzieherinnen und Erziehern eingebunden sind. Die Erzieherin-Kind-Beziehung ist so als Grundlage für die Entwicklung/Lernfähigkeit der Kinder zu betrachten. Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen profitieren auch von einer stabilen, zuverlässigen Beziehung zu ihren Erzieherinnen und Erziehern. Die Erzieherinnen und Erzieher können Beziehung, Bindung und Interaktionsqualität aber nur dann sicherstellen, wenn die Arbeitsbedingungen gut sind. Die Rahmenbedingungen müssen sichergestellt sein. Dabei kommt es stark darauf an, wie viele Kinder ein/e Erzieherin betreut. Der Personalschlüssel trifft dabei keine Aussage, wie viel Zeit die/der Erzieherin und Erzieher tatsächlich für die zu betreuenden Kinder hat. Entsprechend ist die Fachkraft-Kind-Relation die Grundlage mit der gerechnet werden muss. Durch die Fachkraft-Kind-Relation wird die mittelbare und die unmittelbare pädagogische Arbeit festgestellt; so wird unterschieden, wieviel Zeit ein/e Erzieher für die tatsächliche pädagogische Arbeit mit einem Kind hat und wie viel Zeit für Vor-, Nach- und Fortbildung benötigt oder veranschlagt wird. Herr Minister Stamp stellte am 8.01.2019 auf einer Pressekonferenz seine Eckpunkte für ein neues Gesetz vor. Aus diesen geht hervor, dass die Auskömmlichkeit der KITA-Finanzierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5722 2 nach dem zweiten KIBIZ-Wert berechnet ist. Das Ministerium argumentiert, dass so eine Qualitätsverbesserung erreicht würde, weil viele Kitas den zweiten Wert aufgrund des finanziellen Defizits nicht erreichen würden. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2122 mit Schreiben vom 10. April 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Konsenspapier vom 26. Februar 2007 haben sich die kommunalen Spitzenverbände, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Kirchen mit dem damaligen Kinder- und Jugendministerium auf Eckpunkte über die zukünftige Finanzierungsstruktur der Tageseinrichtungen für Kinder und die Förderung der Kindertagespflege verständigt. Demnach leiten sich die Kindpauschalen rechnerisch von Personal- und Sachkosten von drei Gruppenformen ab. Die Gruppenformen sind mit den jeweiligen Kostenarten in der Anlage zum Konsenspapier abgebildet. Diese Verständigung nebst Anlage ist als maßgebliche Grundlage in das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) eingeflossen. Gemäß § 18 Absatz 3 Kinderbildungsgesetz setzt die finanzielle Förderung der Kindertageseinrichtung u.a. voraus, dass sich der Personaleinsatz an den Beschreibungen der Gruppenformen in der Anlage zu § 19 Abs. 1 orientiert und Grundlage für die Personalbemessung ist. Diese Orientierung ist in der Regel dann gegeben, wenn mindestens die vorgesehenen Personalkraftstunden des ersten Wertes der Anlage zu § 19 Abs. 1 vorgehalten werden. Über diesen sog. ersten Wert hinaus weist die Anlage zu § 19 weitere Personalkraftstunden im sog. zweiten Wert aus. Diese sind in ihrer Konzeption für die Finanzierung von Leitungszeit und sonstigen Personalkosten wie Vertretungskosten, Kosten für Berufspraktikanten, Fortbildung und anderen zusätzlich entstehenden Personalnebenkosten vorgesehen. Eine bessere Ausgestaltung und Finanzierung der Personalbemessung ermöglicht eine bessere Fachkraft-Kind-Relation. 1. Wie ist die Fachkraft-Kind-Relation (mittelbare, unmittelbare pädagogische Zeit, Kita-Leitung-Freistellung, Urlaub-Krankheit, Fort-Weiterbildungszeit) im U3 und Ü3 Bereich in den NRW Kitas derzeit ausgestaltet? Die Fachkraft-Kind-Relation beschreibt das tatsächliche Verhältnis von anwesenden pädagogisch Tätigen und anwesenden Kindern in der Betreuungssituation. Hierzu enthält das KiBiz keine Vorgaben. Der Personalschlüssel ist eine Personalbemessung und beschreibt das Verhältnis von vertraglich vereinbarter Arbeitszeit der pädagogisch Tätigen und den vereinbarten Betreuungszeiten der Kinder. In der Anlage zu § 19 und den gesetzlichen Regelungen ist eine Personalbemessung (s. Vorbemerkung) ausgewiesen. Das Statistische Bundesamt Destatis veröffentlicht jährlich einen Personalschlüssel, der jeweils zum 1. März eines jeden Jahres aus der amtlichen Statistik der Kinder und tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen errechnet wird. Die letzte Veröffentlichung von Destatis stammt aus dem Februar 2018 und bezieht sich auf die Daten zum Stichtag 01.03.2017. In der Gruppe der Kinder im Alter von 0 bis unter 3 Jahren liegt der Personalschlüssel im Jahr 2017 bundesweit bei 4,3. Nordrhein-Westfalen weist hier einen deutlich besseren Personalschlüssel auf. Dieser liegt bei 3,7. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5722 3 Im Vergleich mit den anderen Bundesländern liegt Nordrhein-Westfalen in dieser Gruppenart gemeinsam mit Bayern und Schleswig-Holstein auf Platz vier des Ranking. In der Gruppe der Kinder im Alter von 2 bis unter 8 Jahren liegt der Personalschlüssel im Jahr 2017 bundesweit bei 8,6. Der Personalschlüssel für Nordrhein-Westfalen liegt für diese Gruppenart bei 8,1. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern liegt Nordrhein-Westfalen in dieser Gruppenart gemeinsam mit Schleswig-Holstein auf Platz fünf des Rankings. Die Ausgestaltung und Finanzierung der Personalbemessung bestimmt die Fachkraft-Kind- Relation mit. Allerdings lässt sich keine Fachkraft-Kind-Relation direkt aus der Personalbemessung nach Anlage zu § 19 herleiten. Die Herleitung einer Fachkraft-Kind- Relation aus der in der Anlage zu § 19 dargestellten Personalbemessung setzt darüber hinaus Kenntnisse dazu voraus, wieviel der Arbeitszeit der pädagogisch Tätigen tatsächlich in pädagogischer Gruppenarbeit erbracht wird, wie viel für Vor- und Nachbereitung verwendet wird und wie viel der Arbeitszeit auf Grund von beispielsweise Urlaub, Krankheit sowie Fortund Weiterbildung nicht für pädagogische Tätigkeiten zur Verfügung steht. Weiterhin wären für die Bestimmung einer Fachkraft-Kind-Relation aus der Personalbemessung auch Informationen über die Anwesenheit der Kinder und die Verteilung der Betreuungszeiten auf die Öffnungszeiten notwendig. Die konkrete Ausgestaltung der Fachkraft-Kind-Relation erfolgt auf der Basis der gesetzlichen Regelungen jeweils vor Ort. 2. Was bedeutet der zweite KiBiz-Wert umgerechnet in Fachkraft-Kind-Relation (mittelbare, unmittelbare pädagogische Zeit, Kita- Leitung-Freistellung, Urlaub- Krankheit, Fort- Weiterbildungszeit) konkret? Siehe hierzu die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1. 3. Wie viel mehr Fachkraftstunden können die NRW-Kita-Träger durch die Anhebung der Pauschalen um 750 Millionen € finanzieren? Durch die strukturelle Unterfinanzierung konnten in den vergangenen Jahren viele Kitas ihre Personalbemessung nicht mehr am sog. zweiten Wert ausrichten (s. Vorbemerkung). Dieser dient der Finanzierung von Leitungsstunden, weiteren Fachkraft- und Ergänzungskraftstunden sowie weiteren Personalkosten. Die Neuberechnung der Personalkosten in den Kindpauschalen stellt auf der Grundlage von KGSt-Personalkostenwerten auf diese im Gesetz verankerte Personalbemessung insgesamt ab. Eine Ausweisung von Fachkraftstunden ist insofern nur rechnerisch möglich. Bei einer solchen rechnerischen Herleitung ergeben sich für das Kindergartenjahr 2020/2021 insgesamt rd. 488.000 Fachkraftstunden mehr. Grundsätzlich wird durch die Anhebung der Pauschalen um rd. 750 Mio. Euro wieder die finanzielle Ausstattung der Träger hergestellt, die es ihnen ermöglicht, die Personalbemessung am zweiten Wert zu orientieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5722 4 4. Welche Fachkraft-Kind-Relation (mittelbare, unmittelbare pädagogische Zeit, Kita- Leitung-Freistellung, Urlaub-Krankheit, Fort-Weiterbildungszeit) kann in NRW durch die Anhebung der Kindpauschale um 750 Millionen € erreicht werden? Eine auskömmliche Ausstattung der in der Anlage zu § 19 KiBiz hinterlegten Personalkraftstunden und Personalkosten ermöglicht die im Gesetz dargestellte Personalbemessung. Eine bessere Ausgestaltung und Finanzierung der Personalbemessung ermöglicht eine bessere Fachkraft-Kind-Relation. Im Übrigen siehe hierzu die Vorbemerkung und die Antwort auf Frage 1. 5. Wie viele Fachkraftstunden werden mehr benötigt, damit die ca. 9500 Kindertageseinrichtungen den zweiten Wert erreichen können? Siehe Antwort zu Frage 3.