LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5797 12.04.2019 Datum des Originals: 12.04.2019/Ausgegeben: 17.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2150 vom 11. März 2019 der Abgeordneten Nic Peter Vogel und Sven W. Tritschler AfD Drucksache 17/5427 Sturmschäden an Bahnstrecken in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Sturmtiefs „Dragi“ und „Eberhard“ hielten in den vergangenen Tagen NRW fest im Griff. Besonders von Sturmschäden und infolgedessen auch Betriebsstörungen betroffen waren wieder einmal die Bahnunternehmen. Zeitweise war der gesamte Bahnverkehr in, von und nach NRW ausgefallen. Vielerorts sind Bäume auf Oberleitungen und Gleise gefallen und sorgen teilweise für längerfristige Störungen. In Deutschland fordert die Eisenbahn-Betriebsordnung, dass Bäume sechs Meter entfernt von den Gleisen zurückgeschnitten werden müssen. In der Schweiz verfolgen die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) eine andere Strategie. Dort sind alle Strecken in insgesamt drei Kategorien unterteilt, die auf Nebenlinien einen Mindestabstand von sieben Metern bei stabilem Wald festlegen, auf Hauptlinien der SBB wird der Wald auf zwanzig Metern Abstand niedergehalten und auf besonderen Strecken sind es sogar vierzig Meter. Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 5797 mit Schreiben vom 12. April 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In den vergangenen Jahren haben heftige Sturmtiefs immer wieder erhebliche Schäden bundesweit an Bahnstrecken verursacht. Aus diesem Grund ist die Frage der Regulierung bzw. gesetzlichen Stärkung der Vegetationskontrolle im Eisenbahnrecht in den Fokus geraten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5797 2 Eine ausdrückliche Norm zur Gehölzpflege existiert im Eisenbahnrecht nicht. Es besteht allerdings die Verpflichtung, dass jedes Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen (EIU) seine öffentlichen Schienenwege sicher betreiben und entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen treffen muss. Entsprechende Regelungen finden sich sowohl im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) als auch in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Sie gelten gleichermaßen für bundeseigene wie auch für nichtbundeseigene EIU. Einschränkungen der Möglichkeiten für Vegetationskontrollen bzw. Gehölzpflege finden sich neben den Vorgaben aus dem Naturschutzrecht auch darin, dass Eisenbahnen (auch die Deutsche Bahn AG (DB AG)) privatrechtlich organisiert sind und somit keiner direkten hoheitlichen Eingriffsmöglichkeit unterliegen. Viele Grundstücke in Nachbarschaft zu Eisenbahnstrecken sind ebenfalls im Eigentum privater Dritter, sodass sich die EIU und die Grundstückseigentümer privatrechtlich gegenüberstehen. Hier greift zwar die zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht, nach der private Grundstückseigentümer in angemessenen Zeitabständen den Baumbestand, wenn es sich um Wald handelt, nach forstwirtschaftlichen Erkenntnissen überprüfen müssen und bei Vorliegen bspw. einer Umsturzgefahr einen Baum auch entfernen müssten. Klare Vorgaben bspw. in Form von konkret festgeschriebenen Schutzmaßnahmen, Bepflanzungsartvorgaben oder Abstandsflächen für Bepflanzungen in der Nähe von Bahnstrecken, wie in der Schweiz, existieren nicht. Aufgrund der Vielzahl der Sturmschäden in den vergangenen Jahren werden derzeit zwischen den Ländern und dem Bund insbesondere im Rahmen des Länderausschusses Eisenbahnen und Bergbahnen (LAEB), an dem auch der Bund teilnimmt, Vorschläge zur Änderung der derzeitig bestehenden gesetzlichen Regelungen diskutiert. Nach Aussagen des Bundes wird zurzeit an einem Gesetzentwurf zur Änderung des AEG für eine effektive Vegetationskontrolle gearbeitet. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) verweist in diesem Zusammenhang auf Überlegungen, eine entsprechende Regelung analog §11 FStrG (Schutzmaßnahmen) zu schaffen. Inwieweit auch §10 FStrG (Schutzwaldungen) übernommen werden kann, ist unter Beachtung der Tatsache, dass Eisenbahnen (auch die DB AG) privatrechtlich organisiert sind, zu entscheiden. 1. Welche Schäden sind bei Bahnstrecken in NRW infolge der Stürme konkret entstanden? Der Konzernbevollmächtigte für das Land Nordrhein-Westfalen der DB AG hat hierzu Folgendes mitgeteilt: In Nordrhein-Westfalen seien infolge des Unwetters „Dragi“ keine größeren Schäden an Strecken und Anlagen der DB AG entstanden. Infolge der Auswirkungen durch das Unwetter „Eberhard“ seien bisher mehr als 300 Schäden an den Strecken der DB AG erfasst worden. Diese würden sich über das gesamte Landesgebiet, mit Schwerpunkten im Rheinland und im Ruhrgebiet, verteilen. Eine Vielzahl der Schäden seien durch Bäume und Äste im Gleisbereich bzw. in der Oberleitung verursacht worden. Des Weiteren sei es auch zu Schäden an Lärmschutzwänden, Signalanlagen, am Oberbau und weiteren Anlagen gekommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5797 3 Nach ersten Schätzungen sei von einem Gesamtschaden in Millionenhöhe auszugehen. 2. Welche kurz-, mittel- und langfristigen Störungen sind entstanden? Nach Angaben der DB AG seien in Nordrhein-Westfalen infolge des Unwetters „Dragi“ keine Streckensperrungen dokumentiert worden. Unmittelbar während und nach dem Sturm „Eberhard“ sei es zu ca. 45 Streckensperrungen gekommen. Hiervon seien alle wesentlichen Strecken betroffen gewesen. Die meisten Strecken hätten bis zum Betriebsschluss bzw. Betriebsbeginn des Folgetages wiederhergestellt werden können. Die letzten Einschränkungen mit Auswirkungen auf den laufenden Eisenbahnbetrieb seien am Mittwoch, den 13. März, - also drei Tage nach Sturm „Eberhard“ - behoben worden. 3. Welche Kosten sind durch die Sturmschäden entstanden und mit welchen Folgekosten durch Betriebsausfälle müssen die Eisenbahnunternehmen in NRW rechnen? Valide Daten zu den Ausfällen liegen aktuell noch nicht vor und können auch nicht innerhalb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit eingeholt werden. Auch die monetären Ausfälle können daher zum aktuellen Zeitpunkt nicht beziffert werden. 4. Was spricht aus Sicht der Landesregierung dagegen, die Kategorisierung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) beispielhaft zu übernehmen? 5. Inwieweit gibt es nach Meinung der NRW-Landesregierung Nachbesserungsbedarf bei der Eisenbahn-Betriebsordnung, um Schäden und Folgekosten durch Sturmschäden unwahrscheinlicher zu machen? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet. Es besteht bundesweit Einigkeit darüber, dass im Eisenbahnbereich Vorschriften zur präventiven Vegetationskontrolle und zu Möglichkeiten für kontinuierlichen Rückschnitt der Vegetation an Bahnstrecken geschaffen werden müssen. Im Rahmen des LAEB wurden verschiedene Ansätze diskutiert, wie künftig Gefährdungen des Eisenbahnverkehrs aufgrund extremer Wetterereignisse soweit wie möglich vermieden werden können. So wurde unter anderem vorgeschlagen, dass, vergleichbar mit der Kategorisierung der Schweizerischen Bundesbahnen, Abstandsflächen zu Bahnstrecken im AEG festgelegt werden, in denen bestimmte Bepflanzungen nicht erlaubt sind bzw. so zurückzuschneiden sind, dass diese die Bahnstrecken nicht beschädigen können. Ein anderer Vorschlag sah vor, dass analog zu den Regelungen im Bundesfernstraßengesetz (§§ 10, 11 FStrG) Schutzmaßnahmen oder auch Schutzwaldungen zum Schutze der Eisenbahnstrecken vor nachteiligen Einwirkungen der Natur gesetzlich verankert werden. Nachdem die Länder im Februar dieses Jahres im Rahmen des Arbeitskreises Bahnpolitik einstimmig einem konkreten Regelungsvorschlag des Landes Niedersachen zur Aufnahme in das AEG zugestimmt und diesen als sinnvolle Grundlage für eine Bundesratsinitiative bewertet hatten, wurde dies in der Gemeinsamen Konferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleiter Mitte März 2019 ebenso einstimmig zur Kenntnis genommen. Einigkeit besteht demnach darin, dass die gesetzliche Neuregelung zügig angestoßen werden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5797 4 sollte – entweder zeitnah durch eine Gesetzesinitiative von Bundesseite oder durch eine Bundesratsinitiative. Im Rahmen des LAEB, Mitte März 2019, hat der Bund nunmehr einen Gesetzentwurf angekündigt, in dem – insbesondere unter Anpassung des AEG – Möglichkeiten für eine präventive Vegetationskontrolle vorgesehen sein sollen. Insofern würde sich eine Nachbesserung der EBO erübrigen. Für das weitere ist nun die Bewertung des angekündigten Gesetzentwurfes der Bundesregierung entscheidend.