LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5858 17.04.2019 Datum des Originals: 17.04.2019/Ausgegeben: 24.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2217 vom 26. März 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5577 Platznot in NRW-Pflegeheimen durch falsche Versprechungen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den nordrhein-westfälischen Pflegeheimen spitzt sich die Platznot zu: Ein Bett in einer der über 2800 stationären Alteneinrichtungen zu finden, wird für Pflegebedürftige zunehmend schwierig. Pflegestellen sagten bis zu zehn Senioren im Monat ab, beklagt die Freie Wohlfahrtspflege. Mehrere Wochen auf ein freies Bett warten zu müssen, sei für Betroffene inzwischen die Regel.1 Heimbetreiber berichten der Westfalenpost2 von einem eklatanten Engpass. „Betten-Alarm besteht auf jeden Fall“, wird der Leiter des Seniorencentrums St. Raphael in Bad Fredeburg zitiert. Nicht nur sein Pflegeheim sei mittlerweile ausgelastet, sondern auch viele Einrichtungen in der Umgebung. Gerade im ländlichen Raum sei das Problem schon lange angekommen. Auch die Diakonie Südwestfalen bestätigt den Engpass: Nach Angabe des Geschäftsführers der Diakonischen Altenhilfe Siegerland seien die Häuser der Diakonie Südwestfalen voll ausgelastet. Diese betreibt sieben Seniorenheime in der Region. Anfragen könnten nicht sofort bedient werden, es müsse mit Wartezeiten für einen Platz gerechnet werden. Hintergrund der Platznot ist nach Angaben vieler Träger eine Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes, mit der Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann die Standards in der Pflege erhöhen wollte. Seit August 2018 müssen 80 Prozent der Pflegeheim-Betten in Einzelzimmern stehen. Weil über 500 Heime das zu dem Zeitpunkt nicht erfüllten, wurden 1 vgl.https://www.waz.de/politik/landespolitik/betten-notstand-pflegeheime-in-nrw-habenkeine -plaetze-mehr-id216707373.html , aufgerufen am 21.03.2019. 2 vgl. Westfalenpost Printausgabe vom 21.03.2019. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5858 2 vielerorts aus Doppelzimmern Einzelzimmer gemacht – und somit etwa 5600 Betten abgebaut.3 Laut Institut der deutschen Wirtschaft werde die Zahl der Pflegebedürftigen künftig weiter steigen. Bis 2035 rechnet das Institut mit einem Zuwachs von 34 Prozent in Nordrhein- Westfalen – dann wären rund 900.000 Menschen auf Hilfe angewiesen. Der Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Dienste (BPA) forderte vom Land einen Kurswechsel. Schon jetzt fehlten bis zu 5000 Heimplätze. Der Sprecher des Verbands der Ersatzkassen kritisierte den Abbau von Pflegebetten. Er meint, es benötige einen Ausbau der Infrastruktur. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde weiter steigen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2217 mit Schreiben vom 17. April 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie hoch ist die Auslastung der Pflegeheime in NRW nach den Erkenntnissen der Landesregierung? Die Landesregierung verfügt über keine eigenen Daten zur aktuellen Auslastung der Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen. Für eine grobe Einschätzung kann auf Zahlen der Pflegestatistik 2017 zurückgegriffen werden. Demnach gab es zum Stichtag 15.12.2017 2.190 Heime mit vollstationärer Dauerpflege. Diese umfassten 177.948 Pflegeplätze. Weiterhin dokumentiert die Statistik 163.548 vollstationär Gepflegte. Da sich die Statistik des Bundes jedoch nur auf Angaben zu Pflege-bedürftigen, die Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz erhalten, bezieht, kann aus diesen Werten keine valide Belegungsquote ermittelt werden. Empfänger freier Heilfürsorge und anderer Versorgungssysteme werden nicht berücksichtigt und müssen der o.g. Zahl der vollstationär Gepflegten hinzuaddiert werden. Eine bessere Einschätzung der Belegungssituation in den Pflegeheimen in Nordrhein- Westfalen wird zukünftig durch die Umsetzung des neuen § 23 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Wohn- und Teilhabegesetz erwartet, der die Einrichtungsbetreiber verpflichtet, den Behörden tagaktuell freie und belegbare Plätze zu melden. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes, nach der seit August 2018 80 Prozent der Pflegeheim-Betten in Einzelzimmern stehen müssen, vor dem Hintergrund der jetzigen Platznot? Der Gesetzgeber hat im Jahr 2003 die Entscheidung getroffen, dass Pflegeeinrichtungen ab dem 31.07.2018 über mindestens 80% Einzelzimmer und eine ausreichende Zahl von Sanitärräumen in Form von Einzel- oder Tandembädern verfügen müssen. Mit dieser Vorgabe sollte der durch die UN-Behindertenrechtskonvention garantierte Anspruch auf Privatsphäre gewährleistet werden. Dieser Anspruch hat für die Landesregierung nach wie vor große Bedeutung. 3 vgl. Für die Anzahl der Betten https://www.waz.de/politik/doppelzimmer-werden-in-nrwpflegeheimen -ein-auslaufmodell-id214905031.html , aufgerufen am 21.03.2019 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5858 3 Aufgrund der genannten langen Übergangsfrist ist die Landesregierung nicht der Auffassung, dass die Umsetzung der Einzelzimmerquote ursächlich für einen derzeit ggf. regional auftretenden Mangel an freien Pflegeplätzen ist. Hier wird erwartet, dass die im Rahmen der Umsetzung dieser Anforderungen weggefallenen Plätze absehbar durch zusätzliche Plätze in neuen Einrichtungen ersetzt werden. Die amtliche Statistik weist für Nordrhein-Westfalen bereits im Zeitraum vom 15.12.2015 bis zum 15.12.2017 einen überproportionalen Anstieg der Zahl der neuen Einrichtungen aus. Vollstationäre Dauerpflegeeinrichtungen Vollstationäre Dauerpflegeplätze Jahr Bundesrepublik Deutschland Nordrhein- Westfalen Bundesrepublik Deutschland Nordrhein- Westfalen 2015 11.164 2.162 866.300 176.598 2017 11.241 2.190 876.867 177.948 Differenz 77 28 10.567 1.350 3. Wie will die Landesregierung auf den nach dem Institut der deutschen Wirtschaft ansteigenden Pflegebedarf um 34 Prozent bis zum Jahr 2035 reagieren? Um dem ansteigenden Pflegebedarf zu begegnen, werden unbedingt zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Ziel der Landesregierung ist daher, die Ausbildungszahlen in Nordrhein-Westfalen zu steigern, um so weiterhin eine umfassende Pflegeinfrastruktur sicherzustellen. Hier unternimmt die Landesregierung mit den anderen Akteuren derzeit erhebliche Anstrengungen.