LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5889 23.04.2019 Datum des Originals: 23.04.2019/Ausgegeben: 26.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2227 vom 28. März 2019 der Abgeordneten Jochen Ott und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/5594 Wie viele schulpflichtige Kinder werden zurzeit in NRW nicht beschult und welchen Maßnahmen werden Sie zugeführt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Grundgesetz stellt in Art. 7 das gesamte Schulwesen unter Aufsicht des Staates. Damit geht ein staatlicher Erziehungsauftrag einher, der durch die allgemeine Schulpflicht gesichert wird. Dieser Auftrag richtet sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit. Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben. Die Schulpflicht dient neben der Wissensvermittlung auch der Vermittlung von Sozialkompetenz, der Erziehung zu einem mündigen und toleranten Staatsbürger. Zur Wahrung des staatlichen Erziehungsauftrags trägt der Staat im Sinne von §41 SchulG Sorge, dass die Schulpflicht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eingehalten wird. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2227 mit Schreiben vom 23. April 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet. 1. In wie vielen Fällen wurden in den letzten fünf Jahren Schülerinnen und Schüler gemäß § 41 Abs. 4 SchulG der Schule zwangsweise zugeführt? Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Die Daten konnten auch nicht oder nicht vollständig durch die nachgeordneten Schulaufsichtsbehörden bereitgestellt werden, da diese nicht verpflichtet sind, entsprechende Statistiken vorzuhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5889 2 2. Wie hat sich in den letzten fünf Jahren die Straffälligkeit beziehungsweise Rückfallquote derjenigen entwickelt, gegen die bereits Jugendarrest vollstreckt worden ist? Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Die Frage wird dahingehend verstanden, dass nach der Rückfallquote derjenigen Schülerinnen und Schüler gefragt wird, gegen die im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen eines Verstoßes gegen § 126 Absatz 1 Nummer 5 Schulgesetz NRW ein Beugearrest nach § 98 Absatz 2 OWiG i.V.m. § 16 JGG verhängt worden ist. Beugearreste nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht werden zwar wie Arreste nach Jugendstrafrecht in Jugendarrestanstalten vollstreckt, der Grund des Arrestes wird in diesen allerdings ebenso wenig wie das Legalverhalten regelmäßig ausgewertet. 3. Wie viele Personen wurden in den letzten fünf Jahren aufgrund einer Ordnungswidrigkeit gemäß Schulgesetz des Landes NRW (Schulpflichverstoß) mit einem Bußgeld belegt? (Bitte getrennt nach Schulpflichtigen und Erziehungsberechtigten ausweisen.) Der Landesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Die Daten konnten auch nicht oder nicht vollständig durch die nachgeordneten Schulaufsichtsbehörden bereitgestellt werden, da diese nicht verpflichtet sind, entsprechende Statistiken vorzuhalten. 4. Wie wird der Erfolg der verschiedenen Interventionen überprüft? Der Erfolg der verhängten Maßnahmen wird von den Schulaufsichtsbehörden nicht explizit überprüft. Die Schulen entscheiden im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit, ob im konkreten Einzelfall ggfls. weitere Maßnahmen angezeigt sind. 5. Welche Alternativen gibt es für Schülerinnen und Schüler, die im Regelsystem als nicht beschulbar gelten? Das nordrhein-westfälische Schulrecht kennt den Begriff „nicht-beschulbar“ nicht. Aufgrund der schulgesetzlichen Vorgaben ist bei Schulpflichtigen ein Absehen von einer Beschulung an einer Schule, an der die Schulpflicht erfüllt werden kann, nur in engen Ausnahmefällen möglich. Gemäß § 40 Absatz 2 Schulgesetz NRW ruht für Kinder und Jugendliche, die selbst nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung nicht gefördert werden können, die Schulpflicht. Die Entscheidung trifft die Schulaufsichtsbehörde; sie holt dazu ein Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde ein und hört die Eltern an. Kinder und Jugendliche mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung können, wenn das Bildungsziel in anderer Weise nicht erreicht werden kann und Hilfen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches erforderlich sind, auf Vorschlag des Jugendamtes und mit Zustimmung der Eltern durch die Schulaufsichtsbehörde auch in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden, um dort ihre Schulpflicht zu erfüllen (§ 37 Absatz 4 Schulgesetz NRW). Die Schulaufsichtsbehörde kann in Ausnahmefällen zulassen, dass Schulpflichtige im zehnten Jahr der Schulpflicht einen Unterricht in einer schulischen oder außerschulischen Einrichtung besuchen, in der sie durch besondere Fördermaßnahmen die Allgemeinbildung erweitern LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5889 3 können und auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereitet werden (§ 37 Absatz 2 Schulgesetz NRW). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Beurlaubung von Schülerinnen und Schülern aus wichtigem Grund gemäß § 43 Absatz 4 Schulgesetz NRW nach entsprechender Einzelfallprüfung. In den Bildungsgängen des Weiterbildungskollegs können bei Vorliegen bestimmter Aufnahmevoraussetzungen Schulabschlüsse nachträglich erworben werden. Der Bildungsgang Abendrealschule eröffnet die Möglichkeit des nachträglichen Erwerbs von Abschlüssen der Sekundarstufe I (Hauptschulabschluss, Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und mittlerer Schulabschluss), in den Bildungsgängen Abendgymnasium und Kolleg können Abschlüsse der Sekundarstufe II (Fachhochschulreife, allgemeine Hochschulreife) erworben werden. Die schulischen Angebote werden ergänzt durch Angebote der Jugendsozialarbeit, die dazu beitragen, bei massiver Schulverweigerung durch Beschulung am anderen Ort alternative Lernformen zu bieten, oder bei vorübergehend schulmüden Jugendlichen auf eine Rückführung in die Schule hinzuwirken.