LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5905 25.04.2019 Datum des Originals: 25.04.2019/Ausgegeben: 30.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2232 vom 29. März 2019 des Abgeordneten Stefan Engstfeld BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5607 Medizinische Versorgung in den Justizvollzugsanstalten in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auch in den Justizvollzugsanstalten des Landes ist der Ärztinnen- und Ärztemangel mittlerweile deutlich spürbar. Die Gewinnung von gut qualifizierten Ärztinnen und Ärzten für den Justizvollzug gestaltet sich schwierig, offene Stellen sowohl in den Justizvollzugsanstalten als auch bei der medizinischen Aufsicht im Justizministerium bleiben unbesetzt. Darunter leidet die medizinische Versorgung der Inhaftierten, die momentan nur durch den Einsatz von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten sichergestellt werden kann. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 2232 mit Schreiben vom 25. April 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Mit welchen konkreten Maßnahmen reagiert die Landesregierung auf den bestehenden Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern? (Bitte aufschlüsseln nach kurzfristigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und längerfristigen Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der Stellen) Die Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten im Justizvollzug hat sich in den letzten Jahren zu einer schwierigen Herausforderung entwickelt. In diesem Zusammenhang wurden bereits umfangreiche Bemühungen unternommen und werden fortgesetzt, um das Interesse von Ärztinnen und Ärzten für eine Tätigkeit in den Justizvollzugsanstalten zu wecken. Dabei ist die Besetzung konkret freiwerdender Stellen grundsätzlich Aufgabe der Justizvollzugsanstalten. Die nachfolgend benannten Maßnahmen geben einen Überblick über aktuelle Entwicklungen sowie bisher erfolgte Bemühungen und langfristige Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5905 2 (1) Stellen für den ärztlichen Dienst werden regelmäßig im Justizministerialblatt und einschlägigen Internetforen veröffentlicht. Zusätzlich inserieren die Justizvollzugsanstalten im Einzelfall in den regionalen Medien und wenden sich schriftlich und durch Ansprache an die in der Region liegenden Krankenhäuser, Niederlassungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, Bezirksstellen der Ärztekammern sowie an niedergelassene ärztliche Kolleginnen und Kollegen und versuchen, auch über private Kontakte geeignete Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen. (2) Im Deutschen Ärzteblatt werden regelmäßig Anzeigen geschaltet, die in der Vergangenheit zur Einstellung von mehreren Ärztinnen und Ärzten geführt haben. (3) Darüber hinaus ist seit Anfang September 2017 eine Personalvermittlungsagentur beauftragt, um Ärztinnen und Ärzte für den Justizvollzug zu gewinnen. (4) Interessierten Ärztinnen und Ärzten wird die Möglichkeit der Hospitation in den Anstalten angeboten, um das Aufgabengebiet und die örtlichen Gegebenheiten kennenzulernen. Im Rahmen der Einführung neuer Kräfte im anstaltsärztlichen Dienst finden grundsätzlich Hospitationen in anderen Anstalten sowie im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein- Westfalen statt. (5) Medizinstudentinnen und -studenten wird es ermöglicht, Famulaturen im Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen zu absolvieren. Auch Berufsfelderkundungen im Rahmen von eintägigen Hospitationen bei Erst- und Zweitsemestern sowie Famulaturen werden durch einzelne engagierte Ärztinnen und Ärzte in den Justizvollzugsanstalten angeboten. (6) Der Ärztliche Direktor des Justizvollzugskrankenhauses Nordrhein-Westfalen steht im Kontakt zu einem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin einer Universität, um im Rahmen einer Zusammenarbeit über die Gefängnismedizin zu informieren und gegebenenfalls auch praktische Einblicke für interessierte Studierende zu ermöglichen. (7) Vertreter des Fachreferats Medizin nehmen an der im Auftrag des Strafvollzugsausschusses der Länder implementierten länderoffenen Arbeitsgruppe „Vergleich der Modelle für die Organisation der medizinischen Versorgung im Justizvollzug unter Berücksichtigung von Fragen des Qualitätsmanagements, der Kostenkontrolle und der Personalgewinnung“ teil. Durch den Austausch mit anderen Bundesländern sollen die Möglichkeiten der Personalgewinnung weiter optimiert werden. (8) Die Anstaltsärztinnen und -ärzte werden als verbeamtete Kräfte grundsätzlich in der Bandbreite A 13 bis A 16 LBesO A NRW besoldet. Bei Vorliegen einer Facharztbezeichnung und entsprechender Berufserfahrung wird angestrebt, im Wege der Ausnahme eine Einstellung grundsätzlich im Eingangsamt A 14 LBesO A NRW vornehmen zu können. Bei Ärztinnen und Ärzten, die im Beschäftigtenverhältnis tätig sind, kommt regelmäßig § 16 Abs. 3 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30. Oktober 2006 in der Fassung des LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5905 3 Änderungstarifvertrages vom 12. April 2017 zur Anwendung, wonach zur Deckung des Personalbedarfs abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden kann. Die genannten Maßnahmen zielen ebenso wie die breit angelegte Personalgewinnungskampagne des Ministeriums der Justiz darauf ab, den Bekanntheitsgrad des Berufsbilds der Anstaltsärztin und des Anstaltsarztes zu steigern und die Attraktivität des Arbeitsplatzes im ärztlichen Dienst des Justizvollzugs herauszustellen. 2. Wer hat die dienstrechtliche und fachliche Dienstaufsicht über die externen Honorarkräfte im medizinischen Dienst in den Justizvollzugsanstalten? Die dienstrechtliche Dienstaufsicht über die externen Honorarkräfte im medizinischen Dienst in den Justizvollzugsanstalten obliegt den jeweiligen Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleitern, die fachliche Dienstaufsicht dem Referat IV A 5 (Medizin) im Ministerium der Justiz. 3. Wie viele Stellen bei der medizinischen Aufsicht im Justizministerium sind derzeit unbesetzt? Die im Fachreferat IV A 5 des Ministeriums der Justiz vorgesehenen Stellen sind zwischenzeitlich - fast vollständig - besetzt. Aufgrund von Teilzeitbeschäftigungen der abgeordneten Kräfte ist lediglich ein Stellenanteil von 0,03298 (1 Stunde 18 Minuten) unbesetzt; eine Besetzung dieses Anteils ist nicht vorgesehen. 4. Wann sollen diese Stellen wieder besetzt werden? Auf die Antwort zu Frage 3 wird Bezug genommen. 5. Da die Leitungen der Justizvollzugsanstalten nicht für medizinische Fragen zuständig sind, können sie nicht als Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für die Beiräte der Justizvollzugsanstalten in diesem Bereich dienen. Ist es vorgesehen, dass sich die Beiräte, unter Berücksichtigung der Schweigepflicht, bei grundsätzlichen medizinischen Fragen die Inhaftierten betreffend an eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner beim medizinischen Dienst wenden können? Die Mitglieder der Beiräte können sich nach § 106 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NRW unter anderem über die medizinische Versorgung unterrichten. Sie können daher Auskunft über die allgemeine Gestaltung und Organisation der ärztlichen Betreuung innerhalb der Anstalt verlangen. Diese Informationen können bereits seitens der Anstaltsleitung erteilt werden. Eine fachliche Auskunft durch den ärztlichen Dienst kommt nur ausnahmsweise in Betracht. In diesen Fällen ist die nach § 33 Absatz 2 Satz 1 JVollzDSG NRW auch gegenüber der Vollzugsbehörde bestehende Schweigepflicht zu berücksichtigen. Eine Offenbarungspflicht sowie eine Offenbarungsbefugnis bestehen unter den engen Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 2, 3 JVollzDSG NRW zunächst nur gegenüber der Anstaltsleitung. Für die Weiterverarbeitung sind die Voraussetzungen der §§ 12, 33 Absatz 3 JVollzDSG NRW zu beachten. Da der dienstlich-organisatorische Teil der medizinischen Versorgung in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem fachlichen Teil zumeist LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5905 4 untrennbar verzahnt ist, dürften Gespräche mit dem ärztlichen Dienst im Übrigen in aller Regel lediglich im Beisein der Anstaltsleitung sinnvoll sein.