LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5910 25.04.2019 Datum des Originals: 25.04.2019/Ausgegeben: 30.04.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2165 vom 19. März 2019 des Abgeordneten Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5466 Müssen Wohnbauvorhaben ohne Stellplätze dann genehmigt werden, wenn die Genehmigung ansonsten ausschließlich aus dem Grund fehlender Stellplätze versagt würde? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In § 48 Abs. 1 der BauO NRW heißt es: „Werden Anlagen errichtet, bei denen ein Zu- oder Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, sind Stellplätze oder Garagen und Fahrradabstellplätze in ausreichender Zahl und Größe und in geeigneter Beschaffenheit herzustellen (notwendige Stellplätze). Fahrradabstellplätze müssen von der öffentlichen Verkehrsfläche ebenerdig, durch Rampen oder durch Aufzüge zugänglich sein. Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen sind Stellplätze und Fahrradabstellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass sie die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder aufnehmen können. Dies gilt nicht, wenn sonst die Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Ablösung erheblich erschwert oder verhindert würde.“ Im Rahmen einer Fortbildung des Bundesverbandes für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (VHW) am 10.12.2018 in Bergisch Gladbach hat der Referent Dr. G. unter Verweis auf den letzten Satz des §48 (1) BauO NRW darauf hingewiesen, dass, sollte es so sein, dass ein Wohnbauvorhaben ausschließlich am Stellplatznachweis scheitern würde, die Kommune aufgrund dieser Vorschrift zwingend genehmigen müsse. In der kürzlich veröffentlichten Handlungsempfehlung zur Bauordnung wird das nun dahingehend relativiert, dass ein Hauptanwendungsfall dieser Norm die Schaffung von Wohnraum durch den Ausbau von Dachgeschossen sei. Nach Ansicht von Experten ist es jedoch fraglich, ob das gerichtlich anerkannt würde, weil es im Gesetzestext „Schaffung und Erneuerung von Wohnraum“ heißt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5910 2 Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 2165 mit Schreiben vom 25. April 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Von welchen weiteren Anwendungsfällen dieser Norm neben dem in der Handlungsempfehlung genannten „Hauptanwendungsfall Schaffung von Wohnraum durch den Ausbau von Dachgeschossen“ geht die Landesregierung aus? 2. Teilt die Landesregierung die oben beschriebene Position des Referenten Dr. G. bezüglich des letzten Satzes des § 48 (1) der BauO NRW? 3. Für den Fall, dass die Landesregierung die Interpretation nicht teilt: Wie begründet die Landesregierung dies? 4. Sieht die Landesregierung angesichts der offensichtlichen Verunsicherung über die anzuwendende Interpretation des letzten Satzes des § 48 (1) der BauO NRW die Notwendigkeit zu einer weiteren Konkretion ihrer Handlungsempfehlung? Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. § 48 Absatz 1 Satz 4 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung 2018 – im Folgenden BauO NRW) erfasst nur die in Satz 3 geregelten Fälle der Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen, nicht aber die in Satz 1 geregelten Fälle der Errichtung von Anlagen. Voraussetzung ist demnach zunächst, dass durch die Änderung oder Nutzungsänderung von Anlagen eine Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen ausgelöst wird. Dienen die Änderung oder Nutzungsänderung der Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum, entfällt die Herstellungsplicht von Stellplätzen, wenn die Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum ansonsten – auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Ablösung – erheblich erschwert oder verhindert werden würde. Das tatbestandliche Vorliegen des § 48 Absatz 1 Satz 4 BauO NRW führt dazu, dass die Herstellungspflicht von Stellplätzen, die durch die Änderung oder Nutzungsänderung eigentlich entsteht, kraft Gesetzes entfällt und die Stellplätze dementsprechend auch nicht abgelöst werden müssen. Die dargelegte Auslegung folgt zunächst aus dem Wortlaut des Satzes 4 des § 48 Absatz 1 BauO NRW. Sprachlich beziehen sich die Wörter „Dies gilt nicht“ nur auf den unmittelbar davorstehenden Satz und nicht auf alle Sätze des Absatz 1. Es ist zudem Sinn und Zweck des § 48 Absatz 1 Satz 4 BauO NRW 2018 Ausnahmen von der Stellplatzherstellungspflicht für den Fall zu schaffen, bei dem Wohnraum im baulichen Bestand geschaffen wird und das Baugrundstück nicht mehr so disponibel zu bebauen ist wie bei der Errichtung der baulichen Anlage. Bei den Anwendungsfällen kann es sich neben dem Ausbau eines Dachgeschosses zu einer Wohnung beispielsweise auch um die Nutzungsänderung eines Ladenlokals oder einer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5910 3 Arztpraxis in eine Wohnung oder um die Aufstockung eines Gebäudes um ein weiteres Geschoss mit Wohnungen handeln. Den veröffentlichten Handlungsempfehlungen (Handlungsempfehlungen BauO NRW 2018 auf der Grundlage der Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im Oktober/November 2018) ist eindeutig zu entnehmen, dass der dort dargestellte Hauptanwendungsfall nicht abschließend ist, sondern lediglich Bezug nimmt auf den in der Praxis wahrscheinlich am häufigsten vorkommenden Anwendungsfall. Einzelanfragen werden vom zuständigen Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.