LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5980 03.05.2019 Datum des Originals: 02.05.2019/Ausgegeben: 08.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2224 vom 27. März 2019 des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD Drucksache 17/5590 Bei Ford in Köln droht tausendfacher Stellenabbau. – Was tut die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach übereinstimmenden Medienberichten beabsichtigt der Automobilhersteller Ford bundesweit den Abbau von 5000 Stellen. Betroffen sind die Standorte Aachen, Saarlouis und Köln. Am größten Standort Köln sollen dabei 3800 Stellen gestrichen werden. Seit Konrad Adenauer in seiner Funktion als Kölner Oberbürgermeister im Jahre 1929 die Ford Motor Company nach Niehl holte, ist der Autohersteller ein Teil des Rheinlands und Köln einer der führenden Automobilstandorte Deutschlands und Europas. Generationen von Kölnern sind mit dem Unternehmen eng verbunden und nach neuesten Zahlen ist Ford der größte privatwirtschaftliche Arbeitgeber der Domstadt. Seit 1998 ist Köln der Sitz von Ford of Europe, außerdem werden am Standort das Kleinwagenmodell Fiesta und die Einliter-EcoBoost-Motoren gebaut. Die Ursachen für die schwierige Lage bei Ford sind vielschichtig und teilweise auch hausgemacht. Zweifelsohne spielen aber auch politische Faktoren eine Rolle. Die automobil- und industriefeindliche Politik, die derzeit auf allen politischen Entscheidungsebenen forciert oder zumindest mitgetragen wird, macht einer Reihe von Autobauern zu schaffen. Volkswagen hat beispielsweise angekündigt, bis 2023 fünf- bis siebentausend Arbeitsplätze abzubauen. Knapp 2 Millionen Arbeitsplätze sind deutschlandweit von der Automobilindustrie mittel- und unmittelbar abhängig, trotzdem wird der Kampf gegen den Individualverkehr und gegen Verbrennungsmotoren mit unverminderter Härte geführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5980 2 Neben den automobilspezifischen Faktoren beeinflusst die Politik auch eine Reihe grundsätzlicher Standortfaktoren in Deutschland: So sind beispielsweise die Strompreise im internationalen Vergleich auf Rekordniveau. Auch die zahlreichen, teils exzessiven Umweltauflagen machen Unternehmern in Deutschland zu schaffen. Schließlich spielt auch der bevorstehende Brexit eine wichtige Rolle. Kein deutscher Automobilhersteller exportiert mehr Fahrzeuge über den Kanal als Ford. Die harte Verhandlungslinie der EU gegenüber dem Vereinigten Königreich, von der deutschen Politik maßgeblich mitgetragen und befeuert, führt nun aber zur Gefahr eines „Hard Brexit“, also eines Austritts ohne Abkommen. Sollte Großbritannien in diesem Falle Importzölle auf deutsche Automobile erheben, wäre Ford besonders betroffen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2224 mit Schreiben vom 2. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. 1. Führt die Landesregierung Gespräche mit Ford, um einen Stellenabbau in Köln und Aachen zu verhindern oder zumindest möglichst gering zu halten? 5. Wie beabsichtigt die Landesregierung, die sozialen Auswirkungen eines Stellenabbaus bei Ford abzufedern? Die Fragen 1 und 5 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung steht in Kontakt mit der Unternehmensleitung, der Arbeitnehmervertretung, der Gewerkschaft sowie der Stadt Köln. Momentan gilt bei Ford Deutschland eine Standortsicherungsvereinbarung bis Mai 2022. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen, solange sich die wirtschaftlichen Bedingungen nicht grundlegend verändern. Ford strebt nun einen Stellenabbau an, der freiwillig erfolgen soll. Dazu hat der Aufsichtsrat eine Abfindungsregelung vorgeschlagen. Mögliche Auswirkungen der Beschlüsse des Aufsichtsrats auf Zulieferer und Leiharbeitnehmer von Ford wird die Landesregierung aufmerksam beobachten und bei Bedarf ihre Unterstützung anbieten. Die Landesregierung erwartet einen verantwortungsvollen Umgang der Unternehmensleitung mit dieser Situation und macht dies auch in ihren Gesprächen stetig deutlich. 2. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung im Allgemeinen, um Nordrhein- Westfalen als Standort für Industriebetriebe attraktiv zu halten? Die Landesregierung fördert die Attraktivität Nordrhein-Westfalens als Standort für Industriebetriebe insbesondere durch Maßnahmen zur Stärkung der Innovationskraft der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, zur Digitalisierung von Produkten und Prozessen, zum Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zur Verbesserung von Infrastrukturen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen (z.B. durch die Entfesselungspakete) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5980 3 zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Wirtschaftsflächen. Exemplarisch seien folgende Maßnahmen genannt: Der landesweite Projektaufruf „Regio.NRW“ zielt mit der Säule „Innovation und Transfer“ auf die Entwicklung und Umsetzung von regional wirksamen Projekten, die einen Beitrag zur Standortentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit leisten. Mit der Säule „Wirtschaftsflächen“ verfolgt der „Regio.NRW“ das Ziel, Flächenpotentiale für die Ansiedlung von Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu erschließen. Mit dem Instrument des Grundstücksfonds werden Kommunen bei der Bewältigung des Strukturwandels unterstützt, indem Brachflächen als Standorte für Industrie, Gewerbe und Dienstleistung nutzbar gemacht werden. Mit den REGIONALEn fördert die Landesregierung auch strukturwirksame Maßnahmen zur Stadt- und Regionalentwicklung sowie der Wirtschaftsförderung. Aktuell werden die REGIONALEn in Ostwestfalen-Lippe, im Bergischen Rheinland und in Südwestfalen durchgeführt bzw. vorbereitet. Im Rahmen des Regionalen Wirtschaftsförderprogramms (RWP) bestehen in den strukturschwachen Regionen (Fördergebietskulisse) Förderangebote sowohl für die gewerbliche Wirtschaft als auch für Vorhaben der wirtschaftsnahmen Infrastruktur. Im Rahmen des RWP für die gewerbliche Wirtschaft können gewerbliche Investitionen, insbesondere von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU), durch die Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert werden - alternativ auch Lohnausgaben für die durch das Investitionsvorhaben von KMU geschaffenen qualifizierten Arbeitsplätze, nicht-investive Maßnahmen (wie beispielsweise Beratung und die Bildung von Humankapital), Markteinführung von innovativen Produkten, wenn sie durch eigene Forschungs- und Entwicklungsleistungen im Unternehmen entwickelt worden sind, mit Zuschüssen zwischen 10 und 25 % der förderfähigen Investitionsausgaben gefördert werden. Auch Arbeitsplatz schaffende Investitionsvorhaben von Großunternehmen mit einem Fördersatz von 10 % sind förderfähig. Im Rahmen des RWP besteht ferner die Fördermöglichkeit der Investitionen von Kommunen in wirtschaftsnahe Infrastruktur. Durch die Förderung können für Unternehmen Brachflächen zu Industrie- und Gewerbegebieten reaktiviert sowie überbetriebliche Bildungseinrichtungen, die eine hochwertige Ausbildung auf dem neusten Stand sicherstellen, ermöglicht werden. Mit Hilfe des Förderprogramms Potentialberatung können Unternehmen in Nordrhein- Westfalen beteiligungsorientiert ihre Stärken und Schwächen ermitteln sowie betriebsspezifische Lösungen erarbeiten. Die Potentialberatung hilft Unternehmen dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein wichtiger Baustein ist die Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen am Standort Nordrhein-Westfalen: Damit will die Landesregierung den notwendigen Transformationsprozess der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen unterstützen. Mit den bisherigen Entfesselungspaketen hat die Landesregierung rasch 40 unnötige Regelungen abgeschafft oder vereinfacht und Genehmigungsprozesse im Interesse der nordrheinwestfälischen Wirtschaft deutlich beschleunigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5980 4 Ein weiterer Schwerpunkt ist der schnelle Ausbau der digitalen Infrastruktur. Hierfür stellt die Landesregierung 7 Milliarden Euro zur Verfügung, damit unter anderem die Gewerbegebiete des Landes schnellen Zugang zum flächendeckenden Gigabit-Netz bekommen. Diese schnelle digitale Infrastruktur ist wesentlich für das Entstehen innovativer Netzwerke in allen Regionen unseres Landes, um branchenübergreifend Mittelstand, junge Start-ups, Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen gewinnbringend zusammenzubringen. 3. Welche Maßnahmen trifft die Landesregierung, um die Auswirkungen eines „Hard Brexit“ für den Standort NRW möglichst gering zu halten? Die Landesregierung hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um Nordrhein-Westfalen auf die Auswirkungen eines Brexit mit und ohne Austrittsabkommen vorzubereiten. Beispiele sind zahlreiche Gespräche und Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft. Die Landesregierung informiert gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern über mögliche mit einem „harten Brexit“ einhergehende Auswirkungen, um die Unternehmen in ihren Vorbereitungen bestmöglich zu unterstützen. Darüber hinaus setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass mögliche Chancen des Brexits, etwa beim Standortmarketing, genutzt werden. Im Übrigen wird auf die Berichte der Landesregierung gegenüber dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung, gegenüber dem Ausschuss für Europa und Internationales und gegenüber der Enquetekommission zum „Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (,Brexit') im Hinblick auf die Folgen und Auswirkungen für Nordrhein-Westfalen“ des Landtages verwiesen. 4. Wie groß ist der Anteil der Ford-Fahrzeuge an der Fahrzeugflotte des Landes? Ca. 18% (Stand: 1. April 2019).