LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/5999 06.05.2019 Datum des Originals: 06.05.2019/Ausgegeben: 09.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2216 vom 20. März 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth, Frank Neppe und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5576 Entwicklung der Besetzung des Hambacher Forsts Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung erklärte in ihrem Abschlussbericht den Erhalt des Hambacher Forsts für wünschenswert. In der Unterrichtung durch die Landesregierung am 20.02.2019 appellierte Ministerpräsident Armin Laschet vor dem Hintergrund, dass bis Herbst 2020 ein Rodungsmoratorium von RWE gelte, an die Besetzer des Hambacher Forsts, „diesen Ort zu verlassen“.1 Ina Scharrenbach, als zuständige Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW, schloss sich diesem Appell am 21.02.2019 an.2 Das diesbezügliche Begehren der fraktionslosen Abgeordneten – Langguth, Neppe und Pretzell –, dem Appell durch eine zwei wöchige Frist sowie einer umgehenden Prüfung einer erneuten Räumung mehr Druck zu verleihen und alle Akteure um den Hambacher Forst aufzurufen, den geltenden Rodungsstopp zu achten, wurde seitens der Landesregierung als „obsolet“ betitelt und die letztere Forderung traf bei Stefan Kämmerling von der SPD-Fraktion auf Unverständnis.3 Die Erkenntnisse einer Waldbegehung der Polizei Aachen am 13.03.2019 – drei Wochen nach dem Appell der Landesregierung – legen nahe, dass der Appell der Landesregierung nicht nur folgenlos blieb, sondern auch das Rodungsmoratorium missachtet wurde. In der Pressemitteilung der Polizei Aachen heißt es: „Im Rahmen der Waldbegehung wurde festgestellt, dass auch weiterhin Bauten in den Bäumen und im Wald errichtet werden. An 1 Plenarprotokoll 17/50 Redebeitrag von Ministerpräsident Armin Laschet zu TOP 1 2 Plenarprotokoll 17/51 Redebeitrag von Ministerin Ina Scharrenbach zu TOP 14 3 Plenarprotokoll 17/51 Redebeiträge von Ministerin Ina Scharrenbach und Stefan Kämmerling zu TOP 14 sowie Drucksache 17/5049 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5999 2 diesen Holzkonstruktionen wurden an diversen Stellen offensichtlich mit frischen Schnittkanten versehene Holzstämme verbaut. Im Wald stellten die Behördenvertreter an verschiedenen Stellen insgesamt etwa 50 Baumstümpfe frisch geschlagener Bäume fest. Eine Überprüfung ergab, dass es sich nicht um das Ergebnis von Fällarbeiten durch oder im Auftrag der RWE Power AG handelt“.4 Nach Auskunft des Ministeriums des Innern des Landes NRW am 14.03.2019 werden gegenwärtig vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, aufbauend auf Ortsbesichtigungen, Berichte der kommunalen Behörden zur Bewertung der Lage ausgewertet.5 Hierbei ist anzumerken, dass bereits unmittelbar nach Räumungsende im Oktober 2018 erste Baumhäuser wieder errichtet wurden. Seitdem wird seitens der Landesregierung im Hambacher Forst ein rechtsfreier Raum geduldet und nicht eingeschritten, um geltendes Recht wiederherzustellen. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 2216 mit Schreiben vom 6. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie hat sich die Besetzerszene nach Kenntnis der Landesregierung in Folge des Appells der Landesregierung verändert, respektive konnten Zu- oder Abgänge beobachtet werden? 2. Wie viele Personen halten sich nach Kenntnis der Landesregierung regelmäßig zur Besetzung des Waldes im Hambacher Forst auf? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Sicherheitsbehörden gehen von derzeit circa 70 bis 100 Personen aus, die der Besetzerszene im Hambacher Forst angehören. So konnten im Rahmen eines polizeilichen Aufklärungseinsatzes am 13. März 2019 beispielsweise circa 80 Personen festgestellt werden, die sich im Hambacher Wald sowie im Wiesencamp aufhielten. Hinsichtlich der Gruppenstruktur ist seit Beginn des Jahres 2019 eine zunehmende Spaltung der Szene in zwei Lager festzustellen. Die Spaltung ist im Wesentlichen auf divergierende Vorstellungen über Ziele und Mittel zur Zielerreichung zurückzuführen. Während die eine Gruppe zumindest auch Klimaschutzinteressen verfolgt und zur Zielerreichung auch Gewalt einzusetzen bereit ist, ist die andere Gruppe allenfalls peripher an Klimaschutzaspekten interessiert und verfolgt vornehmlich das Ziel des Aufbaus einer anarchistischen Gesellschaftsstruktur. 4 https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11559/4217349 (abgerufen am 19.03.2019) 5 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2027 „Kohleausstieg: Heiligt der Zweck alle Mittel?“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/5999 3 3. Wie viele Baumhäuser, welche zur Besetzung des Hambacher Forsts errichtet wurden, stuft die Landesregierung nach ihrer Rechtsauffassung als bauliche Anlagen mit Mängeln im Hinblick auf die Bauordnung NRW ein? (Bitte die festgestellten Mängel mit aufführen.) Alle im Hambacher Forst errichteten Baumhäuser stehen im Widerspruch zu Vorschriften der Landesbauordnung NRW 2018. Verstöße liegen u. a. durch fehlende Baugenehmigungen, mangelnde Erschließung für die Zufahrt und den Einsatz von Rettungsfahrzeugen und Rettungsgeräten, fehlende Rettungswege aus den Nutzungseinheiten sowie fehlende Umwehrungen und Fensterbrüstungen vor. 4. Zu welchem weiteren Vorgehen hat sich das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung infolge der Auswertung der Berichte kommunaler Behörden entschieden? Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung wird weiterhin in Abstimmung mit den ebenfalls betroffenen Ressorts auf die Herstellung rechtmäßiger Zustände hinwirken und die erforderlichen aufsichtlichen Maßnahmen ergreifen. 5. Wie ist der Ermittlungsstand bzgl. der im Hambacher Forst vorgefundenen etwa 50 frisch geschlagenen Bäume? Auf den Bericht des Ministers des Innern für die Sitzung des Innenausschusses am 4. April 2019 zum Tagesordnungspunkt „Abholzung von 50 Bäumen im Hambacher Forst" (Drs. 17/1913) wird verwiesen.