LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6133 08.05.2019 Datum des Originals: 08.05.2019/Ausgegeben: 13.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2230 vom 29. März 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5605 Wie reagiert das Schulministerium auf die Hilferufe der Schulen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Immer mehr Schulen in NRW klagen über sich verschlechternde Bedingungen, die ein ordentliches Arbeiten deutlich erschweren oder unmöglich machen. Gerade Gesamt- und Sekundarschulen müssen seit dem von CDU und FDP gewollten Rückzug der Gymnasien aus der zieldifferenten Inklusion vermehrt Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf aufnehmen und erhalten zugleich nicht die versprochenen Ressourcen. Ja selbst die zugesicherte Deckelung der Klassengröße steht nur auf dem Papier und entlarvt sich als Rechenformel. In Wirklichkeit sind die Schulen gezwungen mehr Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, verstärkt noch durch die Abschulungen der Gymnasien nach Klasse 6. Die sich dramatisch verschärfende Lage der Schulen ist auch Thema in der jeweiligen Schulkonferenz und auch in Lehrerkonferenzen. Lehrerkonferenzen wenden sich mit oft einstimmigen Beschlüssen und Resolutionen in Bezug auf die durch die Landesregierung forcierten neuen Unterrichtsbedingungen an das Schulministerium. Dieser Vorgang ist längst nicht mehr auf einzelne Schulen oder Orte oder Regierungsbezirke beschränkt. Dem Vernehmen nach wertet das Schulministerium solche Resolutionen als individuelle Überlastungsanzeige der Lehrkräfte der jeweiligen Schulen und ignoriert das strukturelle Defizit, das sich offenbart. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2230 mit Schreiben vom 8. Mai 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Schul- und Lehrerkonferenzen haben sich im Resolutionen bzw. Schreiben an das Schulministerium gewandt, in denen auf die verschlechterten Unterrichtssituationen im Gemeinsamen Lernen und die bestehenden und oder LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6133 2 wachsenden Anforderungen an die Schulen generell hingewiesen wurden (bitte nach Schulformen aufschlüsseln)? 2. Welche Kritikpunkte wurden in den Schreiben genannt? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres inneren Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Ministerium für Schule und Bildung erreichten im Zeitraum von Juni 2018 bis zum 16. April 2019 größtenteils wortgleiche Schreiben mit zentralem Bezug zum Gemeinsamen Lernen von insgesamt 29 weiterführenden Schulen (24 Gesamtschulen, drei Sekundarschulen, einer Gemeinschaftsschule sowie einem Gymnasium), die z. B. ein nicht auskömmliches Stellenbudget oder die schwierige Besetzungssituation von Stellen für Lehrkräfte für Sonderpädagogik thematisierten. Die Zahl unterschiedlicher – das MSB auf verschiedenen Wegen erreichenden – Resolutionen lässt sich hingegen nicht klar ermitteln, da in verschiedenen Resolutionen das Gemeinsame Lernen unterschiedlich gewichtet angesprochen wurde. Resolutionen werden hierbei den fachlich zuständigen Stellen des Ministeriums für Schule und Bildung zur Kenntnisnahme übersandt. 3. Welche Antworten hat das Ministerium auf diese Eingaben an die Kollegien gegeben? 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um den Kritikpunkten abzuhelfen? 5. Welche strukturellen Vorgaben der CDU-FDP-Landesregierung haben die problematische Zuspitzung der Situation im Gemeinsamen Lernen vor allem für Gesamt- und Sekundarschulen begünstigt und falls sie diese nicht erkennt, warum sieht die Landesregierung keine strukturellen Hinweise? Die Fragen 3, 4 und 5 werden aufgrund ihres inneren Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. In den Antwortschreiben hat die Landesregierung die Maßnahmen für eine neue Steuerungsund Ressourcensystematik für die Schulen des Gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe I ab dem Schuljahr 2019/2020 erläuternd dargelegt: Die Landesregierung will die Inklusion an den Schulen bestmöglich und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen gestalten. Dabei steht die Qualität der individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler im Zentrum der Anstrengungen. Aus diesem Grund ist es einerseits erforderlich, auch die zur Verfügung stehenden Personalressourcen gezielter einzusetzen, andererseits aber insbesondere die Schulen des Gemeinsamen Lernens mit zusätzlichem Personal besser zu unterstützen. Um die gewünschte Qualität an Schulen des Gemeinsamen Lernens zu erreichen, hat die Landesregierung zudem erstmals konkrete Voraussetzungen benannt, die erfüllt sein müssen, um nach § 20 Abs. 5 Schulgesetz NRW an Schulen Gemeinsames Lernen einzurichten und als Qualitätsmaßstab anzulegen. Durch die von der Landesregierung am 3. Juli 2018 verabschiedete neue Steuerungs- und Ressourcensystematik werden für die Schulen des Gemeinsamen Lernens in der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6133 3 Sekundarstufe I bis zum Schuljahr 2024/2025 mindestens 6.000 Stellen mehr für das Gemeinsame Lernen zur Verfügung gestellt als unter der Vorgängerregierung vorgesehen. In den nächsten Jahren werden den Schulen des Gemeinsamen Lernens damit aufwachsend jährlich jeweils etwa 1.000 Stellen zusätzlich bereitgestellt, um die Qualität der Inklusion deutlich zu stärken. Die zugrunde liegende Berechnungsformel für diese zusätzliche personelle Unterstützung orientiert sich dabei u. a. auch an den früheren Integrativen Lerngruppen, mit der die Schulen mit langjährigen inklusiven Erfahrungen nach eigener Aussage qualitativ hochwertig arbeiten konnten, bevor sich die Rahmenbedingungen unter der Vorgängerregierung verschlechtert haben. Von der Vorgängerregierung wurden zu wenige Lehrkräfte für Sonderpädagogik ausgebildet. Die Landesregierung hat darauf unter anderem mit einer Ausweitung der Studienkapazitäten an den Hochschulen für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung um 250 Plätze sowie der Verlängerung VOBASOF-Maßnahme („Verordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung zum Erwerb des Lehramtes für Sonderpädagogik“) reagiert. Auch werden inzwischen nicht nur Stellen für Lehrkräfte für Sonderpädagogik, sondern ebenfalls Tarifstellen für multiprofessionelle Teams sowie allgemeine Lehrkräfte in das Kontingent für die Schulen des Gemeinsamen Lernens aufgenommen, um die Schulen bestmöglich zu unterstützen. Auch wenn eine multiprofessionelle Unterstützung das Gemeinsame Lernen fachlich bereichert, bleiben Lehrkräfte für Sonderpädagogik aber selbstverständlich zentraler Teil der personellen Unterstützung der Schulen. Durch die deutliche Ausweitung der personellen Unterstützung soll damit an den Schulen des Gemeinsamen Lernens schrittweise und jährlich aufwachsend eine spürbare Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Gestaltung der Inklusion erfolgen.