LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/616 13.09.2017 Datum des Originals: 12.09.2017/Ausgegeben: 18.09.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 189 vom 14. August 2017 des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD Drucksache 17/353 Ist NRW das neue Weimar? Duldet die Polizeiführung politische Gewalt gegen unliebsame Wahlkämpfer? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 12. und 13. August 2017 fanden Informationsveranstaltungen der Partei Alternative für Deutschland mit deren Spitzenkandidatin Dr. Alice Weidel in Bergisch Gladbach und Düsseldorf statt. In beiden Fällen versuchten linke und linksextreme Gruppen, die Veranstaltungen zu verhindern. Im Vorfeld kam es zu Schmierereien, Drohungen gegen Saalbetreiber und Aufrufen zu Straftaten. Naturgemäß sind Informationsveranstaltungen im Vorfeld einer Bundestagswahl darauf ausgelegt, interessierten Bürgern die Möglichkeit zu geben, eine solche Veranstaltung zu besuchen. Dies wurde jedoch durch die Gegendemonstranten mit Duldung der Polizei nahezu unmöglich gemacht. In Bergisch Gladbach wurde der einzige Zugang zum Veranstaltungsgelände von den Gegendemonstranten nahezu komplett versperrt, die Polizei hielt lediglich eine schmale Gasse frei, durch die die Veranstaltungsbesucher wie beim Spießrutenlauf unter Beleidigungen der militant auftretenden Gegendemonstranten gelangen konnten. Viele ältere Besucher mussten vom Veranstalter durch die Gasse geführt werden, da sie eingeschüchtert waren. Andere Bürger berichteten im Nachhinein, dass sie bei Anblick „des wütenden Mobs“ auf eine Teilnahme verzichtet haben. In Düsseldorf war das Bild ähnlich: Der Hauptzugang zum Veranstaltungsort „Henkel-Saal“ (via Ratinger Straße) war durch militant auftretende Gegendemonstranten völlig blockiert. Auf Nachfrage wurden die Besucher der AfD-Veranstaltung auf den Zugang Grabbeplatz verwiesen. Dieser war zwar von Polizeibeamten gesichert, allerdings befand sich dort LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/616 2 ebenfalls ein Schwarm militant auftretender Gegendemonstranten, der – weitestgehend unbehelligt – passierende Besucher beleidigen, bedrängen und anrempeln konnte. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 189 mit Schreiben vom 12. September 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Kleine Anfrage 189 bezieht sich auf zwei unterschiedliche Veranstaltungen der AfD am 12.08.2017 in Bergisch Gladbach und am 13.08.2017 in Düsseldorf. Am 12.08.2017 führte die AfD des Kreisverbandes Rheinisch-Bergischer Kreis im Rathaussaal Bensberg eine öffentliche Veranstaltung mit Vortrag und offener Diskussion zum Thema „Unser Land, unsere Heimat“ durch. Während dieser Veranstaltung fand eine zuvor angemeldete, öffentliche Versammlung unter freiem Himmel vor dem Rathaus statt. Kurz vor Beginn der Veranstaltung der AfD blockierten ca. 100 Teilnehmer der Versammlung den Zugang zum Rathaus. Bei Eintreffen der angeforderten Polizeikräfte (Bereitschaftspolizeihundertschaft) hatte sich die Blockade bereits aufgelöst und die rund 200 Teilnehmer der AfD-Veranstaltung konnten ungehindert das Rathaus betreten. Das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ) hat anlässlich der AfD Wahlkampfveranstaltung am 13.08.2017 eine Versammlung mit 150 Teilnehmern auf der Mühlengasse durchgeführt. Im Anschluss an die Versammlung „DSSQ“ meldete im Bereich der Ratinger Mauer eine Person im Kontext zur vorherigen Versammlung eine neue Versammlung an. Der Zugang zur Ratinger Mauer und zum Henkel-Saal war zu dem Zeitpunkt aus Richtung der Ratinger Straße möglich, führte jedoch an den Teilnehmern der neu angemeldeten Versammlung vorbei. Alternativ konnten die Veranstaltungsteilnehmer ungestört den Weg zum Veranstaltungssaal über die südliche Achse der Ratinger Mauer nutzen. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es zu vereinzelten verbalen Auseinandersetzungen zwischen Veranstaltungs- und Versammlungsteilnehmern. 1. Sieht sich die Landesregierung in der Lage, allen Parteien in Nordrhein-Westfalen ihre grundgesetzlich garantierte Teilhabe an der politischen Willensbildung zu ermöglichen und ist sie auch gewillt, diese mit polizeilichen Maßnahmen durchzusetzen? Die Polizei leistet durch zurückhaltenden und transparenten Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und damit der Möglichkeit der politischen Willensbildung. Gezielte Kommunikation und Deeskalation, aber auch konsequentes Einschreiten gegen erkannte Straftäter sind die wesentlichen Bausteine der Strategie. Dies erfordert die strikte Differenzierung zwischen friedlichen Versammlungsteilnehmern und gewaltbereiten Störern. 2. Entspricht die oben beschriebene Vorgehensweise der Polizei den internen Vorschriften und Vorgaben durch die Polizeiführung? Eine Koexistenz der genannten Veranstaltungen und Versammlungslagen, sowohl in Bergisch Gladbach als auch in Düsseldorf, ist gemäß einschlägigen versammlungsrechtlichen Gerichtsentscheidungen zum Ausgleich der Interessen aller Seiten anzustreben. Versammlungen sind im Rahmen der praktischen Konkordanz zu gewährleisten. Die Vorgehensweise der Polizei zum Schutz versammlungsrechtlicher und politischer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/616 3 Veranstaltungen ist Ausfluss aus dem Grundgesetz und einfachgesetzlicher Regelungen sowie der Beachtung einschlägiger Rechtsprechung. 3. Ist es in solchen Fällen nicht grundsätzlich angezeigt, Gegendemonstrationen - insbesondere linksextremen - eine Versammlungsfläche zuzuweisen, die außerhalb der Schlag-, Spuck- und Trittreichweite der Veranstaltungsbesucher liegt? Die Versammlungsbehörden Rheinisch-Bergischer-Kreis und Düsseldorf wiesen den Versammlungen jeweils einen Versammlungsort in ausreichender Distanz zu den Veranstaltungen zu. Die ständige und offene Präsenz starker Polizeikräfte gewährleistete den Schutz der Veranstaltungen gegen Angriffe und Störungen von außen und die Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Veranstaltungs- und Versammlungsteilnehmern. Die Teilnahme linksextremer Demonstranten an den Versammlungen konnte nicht festgestellt werden. 4. Hält es die Landesregierung gegenüber den Bürgern für zumutbar, dass sie sich zum Besuch von politischen Informationsveranstaltungen durch einen Pulk militant auftretender Linksextremer kämpfen müssen? Die Polizei trifft alle notwendigen Maßnahmen, um den Bürgerinnen und Bürgern eine ungehinderte und sichere Teilnahme an politischen Informationsveranstaltungen zu ermöglichen. 5. Zu wie vielen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren haben die beiden oben genannten Polizeieinsätze geführt? (Bitte ggf. jeweils mit Grund aufschlüsseln.) In dem genannten Zusammenhang sind bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bis zum 18. August 2017 und bei der Staatsanwaltschaft Köln bis zum 21. August 2017 keine Ermittlungsverfahren anhängig geworden. Die gefertigten Strafanzeigen der Polizeibehörden befinden sich noch in der Sachbearbeitung. Über die konkrete deliktische Einordnung liegen erst nach Abschluss der Ermittlungen Erkenntnisse vor.